EU-Komission droht Frankreich wegen Romaabschiebung
14. September 2010Wochenlang hatte die Kommission auf Fragen nach ihrer Haltung zu den Roma-Abschiebungen aus Frankreich immer die gleiche unbefriedigende Antwort gegeben: Wir analysieren die Lage. Doch jetzt ist Justizkommissarin Viviane Reding aus der Deckung gegangen, und ihre Worte lassen an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig. "Ich persönlich bin erschrocken über eine Situation, in der anscheinend Menschen aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union entfernt werden, nur weil sie einer ethnischen Minderheit angehören. Ich dachte, nach dem Zweiten Weltkrieg würde Europa so etwas nicht mehr erleben."
Empörung über Vertrauensbruch
Besonders erbost ist Reding auch deswegen, weil sie sich von Mitgliedern der französischen Regierung persönlich hintergangen fühlt. Frankreichs Einwanderungsminister Eric Besson und Europa-Staatssekretär Pierre Lellouche hatten bei einem Treffen mit Reding und Innenkommissarin Cecilia Malmström Ende August in Brüssel bestritten, es gehe bei den Ausweisungen um eine bestimmte Gruppe. Aus Rundschreiben aus dem französischen Innenministerium gehe aber das Gegenteil hervor, so Reding. "Die Rolle der Kommission als Hüterin der Verträge wird extrem erschwert, wenn wir nicht mehr den Zusicherungen zweier Minister vertrauen können", sagte Reding empört. "Und das ist keine Lappalie in einer so wichtigen Situation. Nach elf Jahren Kommissionserfahrung gehe ich noch weiter: Das ist eine Schande!"
Verstoß gegen EU-Richtlinien
Die französische Regierung rief sie auf, umgehend ihr Verhalten zu ändern. Und Reding kündigte bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich an, weil das Land gegen Richtlinien zur Freizügigkeit verstoßen habe. "Meine Geduld geht zu Ende. Genug ist genug", sagt sie und haut aufs Pult. "Kein Mitgliedsstaat kann eine Sonderbehandlung erwarten, wenn europäische Grundwerte und europäisches Recht auf dem Spiel stehen." Und das gelte für alle Mitgliedsstaaten, große wie kleine, so Reding. Offenbar will die Kommission hier auch ein Exempel statuieren, dass sie keine Rücksichten auf die Macht der Großen nehmen will. Besonders Kommissionspräsident José Manuel Barroso ist immer wieder vorgeworfen worden, auch im Zusammenhang mit dem Roma-Thema, die französische Regierung mit Samthandschuhen anzufassen.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Gero Rueter