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Politik

EU-Kommission: Milliardenhilfe für Beschäftigte

2. April 2020

Die EU-Kommission will mit Rückendeckung der EU-Staaten 100 Milliarden Euro Schulden aufnehmen, um damit Entlassungen in Europa zu verhindern. Ursula von der Leyen drückt aufs Tempo. Bernd Riegert aus Brüssel.

EU Ursula von der Leyen
Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen: Arbeislosenversicherung ist "greifbare" europäische SolidaritätBild: Reuters/F. Lenoir

Die EU-Kommission lässt einen weiteren Geist aus der Flasche. Die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen rieb an der finanziellen Wunderlampe und kündigte ein Kreditprogamm von 100 Milliarden Euro an, um die Arbeitslosenversicherung in den 27 Mitgliedsstaaten in der Corona-Krise zu unterstützen. Eine europäische Arbeitslosenversicherung war vor der Krise von den EU-Staaten jahrelang erfolglos diskutiert worden. Jetzt ist plötzlich alles möglich. Eine alte Forderung des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron wird damit erfüllt.

100 Milliarden für Kurzarbeitergeld

Wie soll das Ganze funktionieren? Ursula von der Leyen schlägt vor, dass die EU-Mitgliedsstaaten 25 Milliarden Euro an Eigenkapital in einen neuen Fonds einzahlen. Die EU-Kommission will diese 25 Milliarden an den Kapitalmärkten auf 100 Milliarden Euro "hebeln", also selbst Kredite aufnehmen. Das eingenommene Fonds-Kapital soll dann an die bedürftigsten EU-Staaten weitergereicht werden. Diese sollen wiederum mit dem frischen Geld ihren Arbeitslosenversicherung stützen. Die EU-Kommission schlägt vor, dass wie in Deutschland eine Art "Kurzarbeiter-Geld" ausgezahlt wird. "Das ermöglicht den Unternehmen ihre Fachkräfte während der Krise zu behalten, damit man hinterher, wenn der Motor der Weltwirtschaft wieder anspringt, durchstarten kann", sagte Ursula von der Leyen in Brüssel.

Von der Leyen macht Tempo

Ganz wichtig sei, dass diese SURE (englisch für sicher) genannte europäische Arbeitslosen-Rückversicherung schnell umgesetzt werde, so von der Leyen. Das Europäische Parlament und der Ministerrat, also die Vertretung der Mitgliedsstaaten, müssten jetzt im Eilverfahren handeln. Kommenden Dienstag sollen sich die Finanzminister der EU mit SURE befassen. Die EU-Kommission hofft, dass die Mitgliedsstaaten das Geld nutzen, um Entlassungen in den Betrieben möglichst zu vermeiden, die wegen der Einschränkungen durch die Corona-Krise keine Einnahmen mehr hätten. "Das ist greifbare europäische Solidarität", meinte von der Leyen.

Auf Nachfrage erklärte die Kommissionspräsidentin, sie sei mit vielen Staats- und Regierungschefs im Gespräch, um die 25 Milliarden Euro Eigenkapital zusammen zu bekommen. Diese müssten von den 27 Mitgliedsstaaten anteilig nach ihrer Wirtschaftskraft aufgebracht werden. Einzelheiten nannte von der Leyen nicht. Ende kommender Woche soll eine Videokonferenz der EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden.

Vorbild deutsches Kurzarbeitergeld: SURE soll Entlassungen verhindern helfenBild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Das größte Paket

Die EU-Kommission will außerdem die Auszahlung von im EU-Haushalt schlummernden Fördermitteln für alle möglichen Investitionen beschleunigen. Alle Kriterien werden vereinfacht, Antragsverfahren drastisch verkürzt. "Die Staaten brauchen Luft zum Atmen", so von der Leyen. Sie kündigte außerdem an, den neuen Haushaltsrahmen für 2021 bis 2027, auf den sich die EU vor der Corona-Pandemie nicht einigen konnte, völlig neu aufzustellen. "Der mittelfristige Haushaltsrahmen muss sich ändern und die Antwort auf die Corona-Krise geben", sagte die Kommissions-Chefin. Der Haushaltsrahmen umfasst rund 1000-1100 Milliarden Euro auf sieben Jahre verteilt.

Die EU-Kommissionspräsidentin rechnete vor, dass die Europäische Union, die Europäische Zentralbank und die Mitgliedsstaaten kombiniert rund 2770 Milliarden Euro an Wirtschaftshilfen und finanziellen Stützungsmaßnahmen gegen die Corona-Rezession zugesagt hätten. Das sei das größte Paket, das jemals geschnürt worden sei.

Rettungsreifen für die Corona-gebeutelte Wirtschaft: Braucht man am Ende doch gemeinschaftliche Haftung für Schulden?Bild: picture-alliance/Chromorange/Bilderbox

Kein Ersatz für "Coronabonds?"

Die finanzielle Wunderlampe ist also riesengroß. Trotzdem verstummen die Forderungen nach gemeinschaftlichen Schulden der EU-Mitgliedsstaaten nicht. Auf Initiative der Grünen im Europäischen Parlament veröffentlichten heute europäische Politiker verschiedener politischer Lager einen Aufruf, der Instrumente wie Coronabonds fordert. Starke Mitgliedsländer wie Deutschland sollten schwächeren wie Italien ihre Bonität leihen und gemeinsam für erträgliche Zinssätze auf den Kapitalmärkten sorgen.

Vergangene Woche hatten neun Staaten der Euro-Zone solche gemeinsamen Anleihen gefordert. Auch führende Ökonomen schlossen sich dem Verlangen aus Italien, Spanien und Frankreich nach einer gemeinsamen Anleihe an. Allerdings gibt es auch viele andere Ökonomen, die davor warnen. Nach den Europäischen Verträgen ist die Haftung für Schulden anderer Staaten den EU-Mitgliedern eigentlich verboten.

EU-Kommission bereitet Ausstieg vor - irgendwann

Die EU-Kommission  arbeitet nach Angaben von Ursula von der Leyen an einer Exit-Strategie für die staatlichen Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Epidemie. Die Mitgliedsstaaten müssten sich auf einheitliche Kriterien einigen, um dann Region für Region zeitlich gestaffelt, wieder zum Alltag zurückzukehren. "Die Fehler vom Beginn der Krise dürfen sich nicht wiederholen", mahnte die Kommissionspräsidentin. Gemeint sind unkoordinierte Grenzschließungen, Ausgangsbeschränkungen und Beschaffung von Schutzkleidung. Einzelheiten zum Ausstiegsplan, wollte von der Leyen noch nicht nennen. 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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