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Politik

Offene Debatte statt Anbiederung

20. Juli 2019

Die künftige EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will die Debatte über die Rechtsstaatlichkeit in Europa sachlicher führen. Das heißt nicht, dass sie auf Schmusekurs mit den Populisten geht, meint Rosalia Romaniec.

Bild: picture-alliance/Photoshot/Zhang Cheng

Der Streit um Rechtsstaatlichkeit zwischen der Europäischen Kommission und Ländern wie Polen und Ungarn dauert schon Jahre. In der Kritik stehen Reformen, die beispielsweise die Unabhängigkeit der Justiz und der Medien einschränken. Erreicht ist bisher wenig, konkrete Fortschritte auf der politischen Ebene fehlen. Nur eine juristische Instanz konnte die polnische Regierung bisher zum Revidieren umstrittener Entscheidungen bewegen, das war der Europäische Gerichtshof. Seine Urteile werden respektiert. Von Politikern aus Berlin und Brüssel will man sich dagegen in Warschau nichts erzählen lassen. Das hat wenig mit Politik und viel mit Psychologie zu tun.

Wer nie in die Kritikfalle getappt ist, nie von oben herab mit ihren Amtskollegen spricht, ist Angela Merkel. Trotz unterschiedlicher Positionen findet sie gegenüber Osteuropa stets den richtigen Ton. Kein westlicher Politiker wird dort mehr respektiert als sie. Offenbar will Ursula von der Leyen darauf aufbauen. Schon als deutsche Verteidigungsministerin nahm sie die Länder und ihre Sorgen ernst, zum Beispiel die befürchtete russische Expansion. Auch deshalb fiel es den Abgeordneten der nationalkonservativen polnischen PiS-Partei relativ leicht, sie zur Kommissionspräsidentin zu wählen.

Von der Leyens frischer Ansatz

Dass Ursula von der Leyen sich deshalb vor den Karren der Populisten spannen lässt und ihre umstrittenen Justizreformen mit Nachsicht betrachten will, wie jetzt viele befürchten, ist allerdings Unsinn.

DW-Redakteurin Rosalia RomaniecBild: DW/B. Geilert

Die neue Kommissionspräsidentin nutzt den personellen Wechsel, um ihren eigenen Umgang mit den Rechtsstaatlichkeits-Sündern zu etablieren. Würde sie die Partner im Osten gleich belehren oder ihnen mit Kürzung der EU-Finanzen drohen, bevor sie mit ihnen einmal am Tisch saß, würde sie genauso weit kommen wie ihre Vorgänger. Das ist zu wenig für ein Europa, das nicht nur den Mangel an Rechtsstaatlichkeit, sondern noch andere Probleme gemeinsam lösen muss.

Von der Leyen schließt nicht aus, dass sie am Ende auf die härtesten Methoden zurückgreift, wie etwa die Kürzung von Subventionen, aber eben nicht schon jetzt. Sie will die anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten, bevor sie den politischen Druck erhöht. Zumal sie ihr Amt erst im September übernimmt.

Monitoring für alle Mitgliedsstaaten

Die eigentliche Überraschung ist nicht der Umgang mit dem Osten, sondern ein Vorschlag. Von der Leyen spricht sich für ein Monitoring-System für Rechtsstaatlichkeit aus, das alle Mitgliedsstaaten unter die Lupe nimmt. Damit wolle sie den Eindruck verhindern, dass ein Teil Europas grundsätzlich den anderen kritisch betrachtet.

Tatsächlich hat sich dieser Eindruck im Osten verfestigt. Dort ist man der Meinung, dass auch der Westen ernste Rechtsdefizite hat und nicht darüber sprechen will. Besonders oft wird dabei Deutschland genannt. Denn in der Bundesrepublik werden Verfassungsrichter zwar vom Parlament und von der Länderkammer gewählt, also von Bundestag und Bundesrat. Faktisch aber schlagen im Wesentlichen abwechselnd Union und SPD die Kandidaten vor, die dann eine Mehrheit bekommen - das soll dafür sorgen, dass die höchsten Richter unterschiedliche Positionen repräsentieren.

Wenn aber alle in Europa auf Augenhöhe über Rechtsstaatlichkeit sprechen wollen, muss jeder danach fragen dürfen. Es wäre hilfreich, wenn die Regierung denen, die es nicht verstehen, die Gründe erklärt. Ruhig und sachlich. Ein europäisches Monitoring könnte dabei helfen. "Niemand ist perfekt", sagte von der Leyen. Es könnte was daran sein.

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