Erstes Quartal schwierig, dann Besserung: Die EU-Kommission sieht mit Blick auf die Wirtschaft dieses Jahr Grund zum Optimismus. Aber wie tief sind die langfristigen Narben dieser Jahrhundertkrise?
Anzeige
Nach der schweren Corona-Wirtschaftskrise erwartet die EU-Kommission im Frühling wieder Wachstum. Insgesamt soll die Wirtschaftsleistung in der Eurozone in diesem Jahr um 3,8 Prozent steigen, in der Europäischen Union insgesamt um 3,7 Prozent, wie aus der am Donnerstag veröffentlichten Konjunkturprognose hervorgeht.
2022 sollen es noch einmal 3,8 Prozent Wachstum in den 19 Staaten der Eurozone sein und 3,9 Prozent in den 27 EU-Staaten insgesamt. "Die heutige Prognose bietet echte Hoffnung in einer Zeit großer Unsicherheit für uns alle", erklärte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis. Mit solidem Wachstum in der zweiten Jahreshälfte werde die EU beginnen, die Krise zu überwinden. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sprach vom Licht am Ende des Tunnels.
Impfprogramme stimmen zuversichtlich
Die Kommission begründete ihre Zuversicht vor allem mit dem Start der Impfprogramme gegen Covid-19. Positiv wertet sie den Abschluss des Brexit-Handelspakts mit Großbritannien und den milliardenschweren Corona-Aufbaufonds, den das Europaparlament gerade beschlossen hat.
Im ersten Quartal rechnet die Brüsseler Behörde noch mit weitgehenden Alltagsbeschränkungen und folglich auch einem Minus der Wirtschaftsleistung. Im Frühling werde dann die Erholung einsetzen und im Sommer an Fahrt gewinnen, erklärte die Kommission.
Anzeige
Unsicherheit bleibt
Unsicherheit bleibe allerdings mit Blick auf das Tempo der Impfungen und der Lockerung von Beschränkungen. Gentiloni äußerte Sorge wegen der Virusvarianten und der globalen Infektionslage. Unter den Risiken verbucht die Kommission auch mögliche wirtschaftliche Langzeitfolgen, etwa durch Pleitewellen und Jobverluste. Dies würde auch dem Finanzsektor schaden, langfristige Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben und Ungleichheiten verschärfen, warnte die Kommission.
Im November hieß es noch, 2021 werde ein Wachstum von 4,2 Prozent in der Eurozone und 4,1 Prozent in der EU erreicht. Für 2022 waren die Zahlen damals schwächer: jeweils 3,0 Prozent Wachstum. Unterm Strich werde das Niveau vor der Krise schneller erreicht als im November angenommen, erklärte die Kommission jetzt.
Im November hatte die EU-Kommission zudem noch angenommen, dass die Wirtschaft in den 19 Staaten der Eurozone 2020 um 7,8 Prozent schrumpfen würde und in den 27 EU-Staaten insgesamt um 7,4 Prozent. Tatsächlich kam es etwas weniger schlimm. Nach ersten Schätzungen der Statistikbehörde Eurostat ging das Bruttoinlandsprodukt in der Eurozone 2020 um 6,8 Prozent zurück, in der EU insgesamt um 6,4 Prozent.
Auch in der Pandemie kann man Geld verdienen
Die seit mehr als einem Jahr andauernde Pandemie schädigt die Wirtschaft ganz enorm. Doch in einigen Nischen sorgt das zwangsweise geänderte Sozialverhalten der Deutschen geradezu für einen Boom.
Bild: DW/A. Rebossio
In der Ruhe liegt die Kraft
Die starke Nachfrage nach Puzzles in der Pandemie hat der Branche im Jahr 2020 einen Wachstumsschub beschert. Im Vergleich zu 2019 stieg der Umsatz beim Branchenriesen Ravensburger um 20 Prozent auf 632 Millionen Euro. Man sei gut durch das Krisenjahr gekommen, sagte der Vorstandschef. Die Oberschwaben verkauften mehr als 28 Millionen Puzzles - das sind rund 32 Prozent mehr als im Vorjahr.
Bild: picture alliance/dpa
Wenn die Lok im Keller dampft
Aufwind auch beim Modellbau, der hierzulande sehr beliebt ist und auch prominente Anhänger hat - wie etwa Innenminister Horst Seehofer, der sich hier mächtig über einen ICE freut. Der Modelleisenbahn-Marktführer Märklin verzeichnete im November 50 Prozent mehr Bestellungen als im Vorjahresmonat. Bereits während des ersten Lockdowns im März und April hatte Märklin ein deutliches Plus verzeichnet.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe
Auch schwitzen kostet
Generell gilt: Wer die Leute fit hält, verdient. Weil in der Pandemie auch die Fitnessstudios geschlossen sind, gingen die Preise für Fitnessgeräte kräftig in die Höhe. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, mussten Sportfans im Dezember 13,1 Prozent mehr Geld für Fitnessgeräte ausgeben als noch ein Jahr zuvor - trotz des seit Juli geltenden geringeren Mehrwertsteuersatzes.
Bild: Reuters/P. Nicholls
Radfahren: Echt im Trend
Schon im Sommer guckten viele Leute, die sich ein neues Fahrrad kaufen wollten, in die Röhre: Es gab keine Drahtesel mehr, der Fachhandel war leer gekauft. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach stieg der Anteil der Bürger, der täglich Fahrrad fährt, im Vergleich zum Vorjahr von 17 auf 22 Prozent. Viele möchten laut dieser Studie auch nach der Krise öfter radeln.
Bild: picture-alliance/dpa Themendienst
Nicht mehr nur des Müllers Lust
In der Pandemie hat sich das Laufen durch die heimische Natur als Krisengewinner entpuppt. "Wandern als individuelle Natursportaktivität wird durch die Pandemie beflügelt", hieß es vom Deutschen Wanderverband (DWV). Schade nur, dass man mit Wanderschuhen und -stöcken nicht so viel Geld verdienen kann wie mit E-Bikes. Für eIn Umsatzplus reichts trotzdem.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Schutt
Und zu Hause wird angepackt
Kommen Wanderer oder Pedalritter heim, sehen sie dort vielleicht wieder Optimierungsbedarf. Das beschert den Heimwerkermärkten einen Boom. So hat beispielsweise der Do-It-Yourself-Ausrüster Hornbach im dritten Quartal des Bilanzjahres 2020/21 ein Umsatzplus von 20,3 Prozent verbucht. Für das Gesamtjahr wird ein Plus von 13 bis 17 Prozent angepeilt.
Bild: picture-alliance/Keystone/J. Zick
Couching, streaming, watching
Und dann gibt es jene, die weder sich selbst oder eine Modelleisenbahn bewegen und auch keinen Nagel einschlagen. Doch auch ein "Sofatester" trägt zur Konjunktur bei, indem er etwa einem Streaminganbieter Geld überweist, am häufigsten für Serien. Netflix zum Beispiel verkündete, den Schachwunderkind-Siebenteiler "Damengambit" (Fimszene) hätten bereits mehr als 60 Millionen Menschen gesehen.
Bild: Phil Bray/Netflix/Everett Collection/picture alliance
Das muss unter den Weihnachtsbaum!
Dieser Aufforderung des netten Herrn im Bild sind eine Menge Leute gefolgt, weltweit und auch in Deutschland. Weil man die ganze Kohle ja nicht anders ausgeben kann, musste es zu Weihnachten ein iPhone sein. Ergebnis: Apple verkaufte im vierten Quartal satte 90 Millionen Stück davon - das trieb den Quartalsumsatz erstmals über die Marke von 100 Milliarden Dollar.
Bild: Apple Inc./Brooks Kraft/AFP
Spielen auf der Couch?
Zu meiner Zeit (das ist schon lange her!) war das etwas, was man nur machte, wenn die Eltern im Kino waren. Heute steigert man mit dem Gaming (so der Terminus Technicus, das Spiel im Bild ist Ryse - Son of Rome) sogar das Bruttosozialprodukt. Denn eine PlayStation 5 oder eine Xbox Series X gibt es ja nicht umsonst.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Nelson
Erst kommt der Hunger, dann die Reue
Auch spielende oder nur guckende Couch-Potatoes haben mal Hunger - und dafür gibt es die Lieferdienste, die gerade mächtig Umsatz machen. Sie bringen Pizza, Burger, Sushi und andere Leckereien nach Haus. Das ist ne tolle Sache: Denn diese Klientel wird nach der Pandemie die wieder geöffneten Fitnessstudios heimsuchen und so noch einmal die Konjunktur ankurbeln.