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EU streitet über Flüchtlinge

Bernd Riegert22. September 2015

Die EU muss die Verteilung von Flüchtlingen regeln, fordert Innenminister de Maiziere in Brüssel. Selbst wenn das gelingt, ist das keine Lösung für die aktuelle Krise. Bernd Riegert berichtet.

Flüchtlinge bei Tovarnik auf den Schienen (Foto: Anadolu Agency)
Wohin geht die Reise? Während immer mehr Flüchtlinge kommen, streiten die Minister in BrüsselBild: picture-alliance/AA/M. Ozturk

Die Innenminister der Europäischen Union, die zu ihrer zweiten Sondersitzung zur Flüchtlingskrise innerhalb von acht Tagen in Brüssel zusammen gekommen sind, wissen nur eines ganz gewiss: Wir müssen uns einigen. Denn die Staats- und Regierungschefs, die sich am Mittwoch zum Krisen-Gipfel treffen, wollen sich nicht mit Verteilungsquoten für Flüchtlinge herumschlagen, sondern über die außenpolitischen Aspekte der Krise beraten. Wenn es den Innenministern nicht gelingt, die Verteilung von zusätzlichen 120.000 Flüchtlingen zu regeln, würde das Problem bei den Chefs landen.

"Es reißt uns auseinander"

Der Vorsitzende der Innenminister-Runde, der luxemburgische Migrationsminister Jean Asselborn, hat seine düstere Warnung aus der letzten Woche vor dem Treffen noch einmal wiederholt: "Wenn wir uns nicht zusammenreißen, reißt es uns auseinander." Asselborn drohte im Deutschlandfunk damit, notfalls per Abstimmung entscheiden zu lassen, um den Widerstand osteuropäischer und baltischer Staaten gegen eine Umverteilung zu brechen. Der tschechische Premierminister Bohuslav Sobotka warnte aber bereits, das System werde nicht funktionieren, auch wenn Tschechien im Innenministerrat überstimmt werden sollte.

Jean Asselborn: Zum Kompromiss wild entschlossenBild: Reuters

Bundesinnenminister Thomas de Mazière erwartet harte Verhandlungen. "Deutschland ist kompromissbereit. Ich hoffe, das gilt auch für andere. Europa kann es sich nicht leisten, hier ohne Ergebnis auseinander zu gehen."

Die Botschafter der 28 EU-Staaten haben den ganzen Montag und den Dienstagvormittag getagt, um einen Kompromiss zu finden. Die Worte "verbindlich, Quote oder Verteilungsschlüssel" stehen nicht mehr in den Beschlussvorlagen. Es werden nur noch absolute Zahlen an Flüchtlingen genannt, die ein Land aufnehmen soll. Strafzahlungen für unwillige Länder sind vom Tisch, heißt es aus Delegationskreisen. Auch die Möglichkeit sich für 6500 Euro pro Flüchtling von der Aufnahmeverpflichtung loszukaufen, ist wieder verworfen worden, so EU-Diplomaten. Stattdessen sollen die Länder je nach Belastbarkeit mehr Zeit bekommen, ihren Anteil an Flüchtlingen zu nehmen. "Das läuft auf ein Auf- und Verschieben bei Staaten wie Tschechien, Litauen oder Kroatien hinaus", sagte dazu ein EU-Diplomat in Brüssel.

Keine langfristige Lösung

Die geplante Verteilung von insgesamt 160.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland ist ohnehin für einen Zeitraum von zwei Jahren geplant. Die Experten und der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen sind sich einig, dass dies angesichts der großen Zahlen von Flüchtlingen und Asylbewerbern nur ein kleiner Schritt ist. Von einem permanenten Mechanismus sind die EU-Staaten weit entfernt. Den will die EU-Kommission erst im kommenden Jahr vorschlagen. Wie sich Ungarn in dem Streit verhalten wird, ist unklar. Bundesinnenminister Thomas de Mazière räumte vor der Sitzung ein, es gehe bei der Umverteilung nur um einen Baustein. "Wir brauchen vor allem eine Lösung zur Begrenzung des Zustroms nach Europa."

Thomas de Maiziere: Schaffen wir das?Bild: Reuters/F. Bensch

Angesichts der chaotischen Lage an den Außengrenzen der EU im Südosten und an den Binnengrenzen auf dem Balkan müssten die EU-Innenminister auch über kurzfristige Maßnahmen sprechen. Das erwarteten Teilnehmer der vorbereitenden Sitzungen in Brüssel. Jeder Mitgliedsstaat müsse sicherstellen, dass die ankommenden Flüchtlinge menschlich behandelt werden. Die Pflicht der Staaten der ersten Einreise, die Flüchtlinge zu registrieren und Asylverfahren einzuleiten, bestehe im Prinzip weiter. Wie die Innenminister das in der Praxis in Griechenland, Ungarn, Kroatien oder Italien durchsetzen wollen, ist unklar. Zur Stunde werden die Flüchtlinge zwischen den Mitgliedsstaaten hin- und hergeschoben, was eigentlich gegen die europäischen Verträge verstößt.

"Hot spots" müssen erst noch gebaut werden

Der Ratsvorsitzende der EU-Innenminister, der Luxemburger Jean Asselborn, verweist auf das Konzept der "Hot Spots", also großer Aufnahmezentren in Italien und Griechenland. Von diesen "Hot Spots" sollen die Flüchtlinge dann weiter verteilt werden. Von diesen Zentren gibt es im Moment nur eine kleine Pilotversion in Catania auf Sizilien. In Griechenland bestehen die "Hot Spots" aber im Moment nur auf dem Papier und in der Fantasie der EU-Kommission. Das weiß auch Jean Asselborn und sagt, das müsse jetzt angepackt werden. "Vor allem in Italien fängt es an, richtig zu wachsen. Aber in Griechenland besteht das nicht und Griechenland hat nach Hilfe gefragt. Daher wird Griechenland diese Hilfe bekommen." Außerdem müssten die Außengrenzen der EU besser geschützt werden.

Mehr Geld für Türkei und Vereinte Nationen

Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen am Mittwoch beschließen, den Staaten stärker zu helfen, die in der Nachbarschaft Syriens Millionen von Kriegsflüchtlingen aufgenommen haben. Hier steht die Türkei im Fokus. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat die Türkei letzte Woche besucht, echte politische Gespräche mit der Türkei haben aber laut EU-Diplomaten noch nicht begonnen.

Außerdem sollen die EU-Staaten dem "Welternährungsprogramm" der Vereinten Nationen finanziell beispringen. Die UN klagen schon seit Jahren über chronische Unterfinanzierung der Ernährungsprogramme für die riesigen Flüchtlingslager in der Türkei. Bislang hatten diese Klagen die Europäer wenig beeindruckt.

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