EU leitet Verfahren gegen Deutschland ein
16. Juni 2009Fast sechs Milliarden Euro fließen im Jahr aus Brüssel in die deutsche Landwirtschaft. Wer davon wie viel erhält, war bislang geheim. Das will die EU-Kommission nun ändern: Weil das Bundesland Bayern sich aber weigert, die Daten zu veröffentlichen, leitet die Brüsseler Kommission ein Verfahren gegen Deutschland ein. Damit drohen der Bundesrepublik eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und letztlich hohe Strafgelder.
Bayern bleibt unnachgiebig
Deutschland verstoße mit seiner Geheimhaltung gegen Regelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, kritisiert Brüssel. Laut EU-Recht mussten alle Empfänger von Agrarsubventionen bis zum 30. April veröffentlicht werden. "Alle anderen Mitgliedstaaten haben dies getan", sagte Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel am Dienstag (16.06.2009) in Brüssel. "Es geht um Steuergelder, daher ist es sehr wichtig, dass alle Leute wissen, wo die Gelder hinfließen."
Doch Bayern lehnt die Offenlegung wegen datenschutzrechtlicher Bedenken weiterhin ab. Das Land werde die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten, ob die Veröffentlichung gegen Datenschutz-Vorschriften verstoße, kündigte Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) am Dienstag in München an. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner, selbst Mitglied der bayrischen Regierungspartei CSU, ließ auf Anfrage erklären, es handle sich dabei um eine Angelegenheit zwischen Bayern und der EU-Kommission.
Förderungswürdig: Südzucker und Deichbau
Wegen der fehlenden Daten aus Bayern kann die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die deutschen Empfänger von EU-Agrarhilfen bislang nur teilweise nennen. Nach den am Dienstag erstmals veröffentlichten Zahlen sind die größten Subventionsempfänger Lebensmittelkonzerne wie die Südzucker AG oder die August Töpfer & CO KG in Hamburg. So ist Südzucker mit mehr als 34 Millionen Euro in 2008 der vermutlich größte Zahlungsempfänger in Deutschland.
Agrarbeihilfen in Millionenhöhe gingen auch an das Land Schleswig-Holstein und die Centrale Marketinggesellschaft CMA. Schleswig-Holstein ist nach den bislang vorliegenden, unvollständigen Daten mit gut zehn Millionen Euro im vergangenen Jahr zweitgrößter Subventionsempfänger. Das Geld geht unter anderem in den Deichbau, wie das Landwirtschaftsministerium in Kiel auf Anfrage erläuterte.
Umstrittene Exportförderung
Nach Angaben von Südzucker handelt es sich bei den Subventionen überwiegend um Exportbeihilfen. Bis Oktober 2008 seien Ausfuhren subventioniert worden, um die Zuckerüberschüsse in der EU zu vermindern, sagte ein Unternehmenssprecher. Zuckerindustrie und Rübenbauern hätten aber eine Produktionsabgabe zahlen müssen. Das habe die Exportsubventionen wieder ausgeglichen.
Umwelt- und Entwicklungsgruppen kritisierten diese Praxis: Wegen dieses "Exportdumpings" sei europäisches Milchpulver in Afrika häufig billiger als einheimische Milch. Das schade den afrikanischen Bauern, teilte die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam mit. (det/mas/afp/ap/dpa/rtr)