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Politik

EU leitet Verfahren gegen Polen ein

29. Juli 2017

Immer wieder hatte Brüssel die polnische Regierung wegen ihrer umstrittenen Justizreform ermahnt, nun macht die EU-Kommission ernst. Für Polen könnte das schwerwiegende Konsequenzen haben.

Brüssel - EU-Gipfel - Polnische Ministerpräsidentin  Beata Szydlo
Brüssel setzt die polnische Regierung unter Ministerpräsidentin Beata Szydlo weiter unter Druck (Archivbild)Bild: Reuters/D. Martinez

Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen sei eröffnet worden, erklärte die EU-Kommission über Twitter. Weiter heißt es schlicht: "Die polnischen Behörden haben einen Monat, um zu antworten." In einem Warnbrief habe man erneut mehrere Kritikpunkte an der polnischen Justizreform bemängelt, heißt es aus Brüssel. Auf diese müsse Warschau nun reagieren. Mit dem Schreiben stieß die EU-Kommission einen Vorgang an, der für Polen mit schmerzhaften Sanktionen enden könnte.

Die in Warschau regierende PiS-Partei hatte in den vergangenen Wochen vier Gesetze verabschiedet, die nach Ansicht der EU-Kommission Rechtsstaat und Gewaltenteilung in Polen bedrohen. Dazu gehört ein Gesetz über die Landesjustizschule, das bereits Anfang Juni in Kraft getreten war. Gegen zwei Gesetze zur Reform des Obersten Gerichtes und des Landesrichterrats hatte Staatspräsident Andrzej Duda am Montag ein Veto eingelegt. Dagegen unterzeichnete er am Dienstag ein Gesetz zur Reform der allgemeinen Gerichte. Demnach könnte der Justizminister künftig alle leitenden Richter ernennen und entlassen.

Vorwurf und Dementi

Formal stößt sich die EU-Kommission daran, dass in dem Gesetz unterschiedliche Pensionsalter für Männer und Frauen vorgesehen sind. Das widerspreche der EU-Richtlinie zur Gleichstellung der Geschlechter in der Arbeitswelt. Indem der Justizminister die Amtszeit der Richter auch über das erreichte Pensionsalter hinaus verlängern oder sie nach eigenem Ermessen vorzeitig beenden kann, werde die Unabhängigkeit der Gerichte untergraben, hieß es weiter.

Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski kritisierte das Vorgehen Brüssels. "Das wird einige Monate für böse Emotionen und eine negative Atmosphäre in den beiderseitigen Beziehungen sorgen", sagte der konservative Politiker dem Portal wPolityce.pl. Er glaube aber, dass "die führenden europäischen Politiker zur Vernunft kommen und Nachsicht walten lassen". Das Verfahren könne sich ansonsten auch über Jahre hinziehen.

Brüssel zieht viele Register

Bereits am Mittwoch hatte der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, angekündigt, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen einzuleiten, sobald der Gesetzestext veröffentlicht werde. Genau das ist an diesem Samstag geschehen. Das Verfahren kann zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof sowie empfindlichen Geldstrafen führen.

Immer wieder gingen in Polen tausende Menschen gegen die geplante Justizreform auf die StraßeBild: picture-alliance/AP Photo/A. Keplicz

Die "politische Atombombe" schloss Timmermans hingegen vorerst aus. Mit dieser Bezeichnung wird in Brüsseler Kreisen ein Verfahren gehandelt, mit dem Polen vorübergehend das Stimmrecht auf EU-Ebene entzogen werden könnte - die schwerste Sanktion innerhalb der Europäischen Union. Der EU-Kommissar hatte das Verfahren zuvor angesichts eines Gesetzesentwurfs ins Spiel gebracht, der Richter des polnischen Gerichtshofs in den Ruhestand zwingen würde. Durch Dudas Veto liegt das Gesetz zunächst auf Eis. Timmermans machte jedoch deutlich: Man werde das Verfahren "sofort auslösen", wenn dieses Gesetz doch noch in Kraft trete.

Gezerre um Polens Justiz

Seit Anfang 2016 läuft auch ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit gegen Polen - das erste in der Geschichte der Europäischen Union. Damals hatte die Kommission ein Gesetz kritisiert, mit dem aus ihrer Sicht die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts - nicht identisch mit dem Obersten Gericht - beschnitten wurde. Auf daraus resultierende Empfehlungen reagiere Warschau nicht zufriedenstellend, heißt es seitdem immer wieder aus Brüssel.

Stattdessen trieb die polnische Regierung in den vergangenen Wochen weitere Justizreformen voran. Immer wieder protestierten tausende Menschen gegen die geplanten Gesetze.

nin/jj (dpa, afp, rtr)

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