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EU-Milch bedroht Bauern in Burkina Faso

30. September 2016

In Europa sind die Milchpreise im Keller. Überschüssige Milch wird nach Afrika exportiert. In Brüssel machen Milcherzeuger aus Burkina Faso auf die gravierenden Folgen aufmerksam. Bernd Riegert berichtet.

Symbolbild Geiz ist geil Discounter in Frankfurt
Bild: AP

Mariam Diallo betreibt eine kleine Molkerei in Burkina Faso. Von den Bauern vor Ort kauft sie die Rohmilch ein, macht sie haltbar und füllt sie in Verpackungen ab. Im Laden kostet ihre frische Milch rund 91 Cents pro Liter. Importiertes Milchpulver aus der Europäischen Union kostet nur 34 Cents pro Liter. Die Verbraucher in Burkina Faso greifen daher fast nur zum Milchpulver.

"Es ist in der Tat so, dass die Leute gerne die billige Milch aus Pulver kaufen wollen. Aber wir können unsere lokal produzierte Milch nicht unter 600 Francs (91 cents) verkaufen, weil die Produktion einfach anspruchsvoller ist", erläutert Mariam Diallo. Der Marktanteil des Milchpulvers, das schon seit Jahrzehnten aus Europa importiert wird, beträgt 95 Prozent. Die lokalen Milchbauern erreichen nur fünf Prozent der Konsumenten. "Das Milchpulver ist natürlich überall verfügbar, auch im kleinsten Dorf. Außerdem ist der Transport der frischen lokalen Milch komplizierter", gibt Mariam Diallo zu bedenken. Deshalb setzt sie sich zusammen mit anderen Milcherzeugern in einem "Verband der Klein-Molkereien" für Investitionen in die lokale Milchwirtschaft, bessere Kühlgeräte und Transportfahrzeuge ein.

Mariam Diallo: Lokale Milch ist besserBild: DW/B. Riegert

Höhere Zölle für Milchpulver?

Mariam Diallo ist zusammen mit Rene Millogo nach Brüssel gereist, um die EU-Kommission und das Europäische Parlament über die Zusammenhänge zwischen lokaler Milchwirtschaft in Burkina Faso und der übermächtigen Milchindustrie in Europa aufzuklären. Das Milchpulver aus der EU, das in viele afrikanische Länder verkauft wird, stammt aus der Überproduktion in Europa. Hier verfallen die Milchpreise für die Bauern. Das Problem, so der Kurs der EU-Kommission, soll auch durch verstärkte Exporte gelöst werden. Allerdings, so warnt Rene Millogo, der die Milchviehhalter in Burkina Faso vertritt, erdrückt die industriell gefertigte Milch aus Europa mit ihren niedrigen Preisen die Entwicklungsmöglichkeiten der lokalen Bauern. Deshalb müsse sie teurer werden.

Rene Millogo: Wir brauchen Geld für InvestitionenBild: DW/B. Riegert

"Die Organisationen, die mit dem Problemen umgehen, plädieren für eine Einfuhrsteuer von 35 Prozent. Der Staat muss das durchsetzen, um mittelfristig investieren zu können", fordert Rene Millogo. Heute liegt der Einfuhrzoll für Milchpulver bei fünf Prozent. Das Geld aus den Zolleinnahmen sollte in die lokale Milcherzeugung in Burkina Faso investiert werden, meint Rene Millogo. "Deshalb wollen wir auch, dass unser Markt geschützt wird durch höhere Steuern, Zölle. Diese Einnahmen sollen dann in die Produktionskette der lokalen Milch investiert werden. Damit kann die Qualität verbessert werden und der Zugang zu den Produkten."

"Das sind Märchen"

Weder die Regierung in Burkina Faso noch die EU-Kommission sind von der Idee, Zölle zu erhöhen, begeistert. Prinzipiell will die EU mit den westafrikanischen Staaten möglichst freien Handel ohne Zollschranken abwickeln. Außerdem müssten ja die Verbraucher in Burkina Faso mehr für ihre Milch bezahlen, geben die EU-Beamten zu bedenken, mit denen die Milch-Funktionäre aus Burkina Faso sprechen. Der Vorsitzende des "European Milk Board", Romuald Schaber, glaubt das diese Argumente falsch sind. Das "European Milk Board", eine Interessenvertretung der europäischen Milchbauern in Brüssel, unterstützt die Forderungen der Afrikaner. "Die Kommission hat gestern argumentiert, wir wollen Afrika den Zugang zu unseren Märkten erleichtern. Ich möchte nur fragen, mit welchen Mitteln soll Afrika unsere Märkte bedienen? Das sind Illusionen. Das sind Märchen. Wenn vor Ort keine Produktion aufgebaut werden kann, dann hilft auch Export nichts", sagte Romuald Schaber der Deutschen Welle.

Die Kuh Emmelie und der Verfall des Milchpreises

02:48

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Billige Milch überschwemmt lokale Märkte

Die europäischen Milchbauern müssten ja eigentlich ein Interesse daran haben, dass ihre Erzeugnisse exportiert werden, um die Preise zu stützen. Aber die Vertreter des "European Milk Board" sehen das anders. Man dürfe nicht auf Kosten lokaler Produzenten in Afrika die EU-Märkte entlasten, meint Johannes Pfaller. Er hat in Bayern selbst einen Hof mit 120 Milchkühen. "Jetzt ist die Überlegung, was machen wir mit dieser Milch, auf der wir hocken bleiben? Da sagen die Industrie und die Politik, sie muss irgendwo hin, aber die Märkte sind gesättigt. Also geht es nur mit Dumping. Es geht nur billig, es geht nur wenn andere Marken aus dem Laden rausgeworfen werden, um seine eigene unterzubringen." Den Vorwurf des Dumpings, also des Verkaufs unter Erzeugungskosten, weist die EU-Kommission allerdings zurück. Auch Exportbeihilfen gebe es nicht mehr. Dennoch ist die EU der größte Milcherzeuger weltweit und hat natürlich einen enormen Einfluss auf dem Weltmarkt.

"Die brauchen eine Mauer"

Johannes Pfaller: Das ist eine ganz andere WeltBild: DW/B. Riegert

Johannes Pfaller ist als europäischer Bauer überzeugt, dass die Kollegen aus Burkina Faso Schutz brauchen. "Die brauchen erst einmal eine feste Mauer um sich, dann können sie irgendwann am Weltmarkt bestehen. Momentan ist das aussichtslos." Johannes Pfaller war selber als Entwicklungshelfer tätig und hat die Milchbetriebe in Burkina Faso in diesem Sommer besucht. "Eine ganz andere Welt, 200 Jahre zurück, ganz brutal gesprochen: Mittelalter! Aber es herrscht die reinste Klein-Ökonomie. Jeder versucht, mit irgendetwas Geld zu generieren. Der eine verkauft selbst gebogene Löffel, ein anderer Äste, ein Dritter Obst. Jeder versucht, mit ein, zwei Euro Einkommen zu überleben. Auch das ist Marktwirtschaft. Die funktioniert mehr oder weniger auch." Nur der Eingriff von außen, die Importe aus der EU, störten das fragile Gleichgewicht, glaubt Johannes Pfaller. Als ein gutes Beispiel nennt das "European Milk Board" Kenia. Dort gibt es Einfuhrzölle von 60 Prozent auf Milchpulver. In Kenia habe sich die lokale Milcherzeugung wesentlich bessern entwickeln können als in Westafrika.

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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