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EU legt Optionen für Asylrecht vor

Bernd Riegert5. April 2016

Die EU-Kommission denkt voraus in der Asylpolitik: Eine Vergemeinschaftung der Asylentscheidung wird angeregt. Brüssel soll es richten. Ob die Mitgliedsstaaten dem folgen? Bernd Riegert aus Brüssel.

Warteschlange vor einem Gitter mit dem Schild 'Bundesamt für Migration und Flüchtlinge' (Foto: picture-alliance/dpa/J.Stratenschulte)
Schlange stehen vor der deutschen Asylbehörde: Übernimmt bald die EU?Bild: picture-alliance/dpa/J.Stratenschulte

Die EU-Kommission legt an diesem Mittwoch ein Papier vor, das den Mitgliedsstaaten Futter zum Nachdenken liefern soll. Die "Mitteilung", wie das im EU-Jargon heißt, ist kein fertig ausformulierter Gesetzesvorschlag. Bis Ende des Jahres sollen die Politiker in den Mitgliedsstaaten dann antworten, wie sie sich die künftige gemeinsame Asylpolitik in der Union vorstellen könnten. Bis dann tatsächlich neue Gesetze gemacht werden und bei den konkreten Asylverfahren auch angewendet werden, können noch Jahre vergehen, heißt es aus Kreisen der EU-Kommission.

Zwei Optionen aus Brüssel

Weil man in Brüssel ahnt, dass die Asylpolitik inmitten der laufenden Flüchtlingskrise natürlich ein sehr heißes Eisen ist, wollen die EU-Kommissare mit ihrem Papier erst einmal nur eine Diskussion anstoßen. Sie bieten dabei zwei Optionen an:

- Das System bleibt im Grunde genommen, wie es ist. Jeder Mitgliedsstaat entscheidet allein, wie viele und welche Asylbewerber er aufnimmt. Um Mitgliedsstaaten, die direkt an den Außengrenzen der EU liegen, zu entlasten, soll ein flexibler Umverteilungs-Mechanismus eingeführt werden. Der trägt im Kommissionspapier den schönen Namen "korrigierender Fairness-Mechanismus".

- Das System wird auf gemeinsame Asylgewährung für alle Mitgliedsstaaten durch eine europäische Asylbehörde umgestellt. Die Asylbewerber werden nach einem festen Verteilungsschlüssel, je nach Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft des EU-Landes, auf die Mitgliedsstaaten verteilt. Die sogenannte Dublin-Regel, nach der der Staat zuständig ist, in den der Bewerber zuerst einreist, würde wegfallen.

EU-Kommission will Dublin-Regel loswerden

Der EU-Kommissar für Zuwanderung, Innenpolitik und Justiz, Dimitris Avramopoulos, lässt dabei deutlich seine Präferenz erkennen. In dem Kommissions-Papier übt seine Generaldirektion, die den Text verfasst hat, deutliche Kritik an der bisherigen Dublin-Regel: "Das Dublin-System war nicht dazu geschaffen, eine nachhaltige Teilung von Verantwortung für Asylsuchende in der EU sicherzustellen. Das ist ein Versäumnis, das in der aktuellen Krise deutlich geworden ist."

Dimitris Avramopoulos, EU-Kommissar für MigrationBild: picture-alliance/Zuma Press/W. Dabkowski

Anfang Oktober 2015 hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident François Hollande gemeinsam im Europäischen Parlament erklärt, die Dublin-Regeln seien "obsolet", weil sie in der Praxis nicht funktionierten. Griechenland und Italien als die beiden Länder mit den höchsten Zahlen an Ersteinreisen, die beiden "Dublin-Frontstaaten", sollten entlastet werden.

Asylanträge in Deutschland in den Jahren 2014 und 2015

Die Mitgliedsstaaten schwören wieder auf Dublin

Inzwischen hat sich das wieder radikal geändert. "Dublin" müsse wieder gelten, heißt es inzwischen von der Kanzlerin, aber vor allem von den EU-Staaten an der Balkan-Route. Sie verweisen darauf, dass Griechenland alleine für die Asylbewerber zuständig sei und haben deshalb die Grenzen und die Balkanroute abgeriegelt. Mit Hilfe der Türkei wurde das System jetzt so ausgebaut, dass Griechenland die Flüchltinge und Asylbewerber in das vermeintliche sichere Transitland Türkei zurückschiebt. Auch dieses Verfahren ist in den "Dublin-Regeln" der EU vorgesehen.

Da dieses Vorgehen von den Staats- und Regierungschefs der EU beim letzten Sondergipfel ausdrücklich als europäische Lösung beschlossen worden ist, scheint es höchst fraglich, dass die Mitgliedsstaaten jetzt bereit wären, an den Grundfesten der nun wieder angewendeten Dublin-Regeln zu rütteln. Auch der Appetit auf feste oder flexible Verteilungsschlüssel scheint bei den Mitgliedsstaaten gering zu sein. Zwei Staaten - Ungarn und die Slowakei - klagen dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof.

Immer neue Flüchtlinge in Griechenland

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Einheitliche Verfahren gibt es schon - theoretisch

Seit dem Gipfeltreffen der EU in Tampere in Finnland 1999 arbeiten die Mitgliedsstaaten an einer Vereinheitlichung der Asylverfahren und gemeinsamen Standards für die Gewährung des Asyls. Das ist in der Theorie nach 17 Jahren auch gelungen. Seit Juli letzten Jahres gilt in ganz Europa das neue "Asylverfahrensgesetz", das allerdings noch nicht von allen Mitgliedsstaaten umgesetzt wird.

Danach sollen Asylverfahren nicht länger als sechs Monate dauern. Sie können bei offensichtlicher Unbegründetheit auch in Schnellverfahren oder gleich an der Grenze abgewickelt werden. Für die Anerkennung von Asylbewerbern und für Asylgründe gelten einheitliche Maßstäbe, die von der EU-Asylagentur EASO auf Malta empfohlen werden. Die Rechte der Asylbewerber auf rechtliches Gehör und eine Berufungsinstanz sind in allen EU-Staaten gleich. Alle Asylbewerber werden in einer gemeinsamen Datenbank "Eurodac" mit Fingerabdrücken erfasst, um eine doppelte Antragstellung zu vermeiden.

Soll die EU für alle entscheiden?

Das Diskussionspapier der EU-Kommission sieht jetzt vor, der EU-Asylagentur auch Entscheidungsbefugnisse zu übertragen. Sie soll als letzte Instanz über Asylanträge befinden können. Dazu müsste sie Niederlassungen in allen EU-Mitgliedsstaaten gründen. Das wäre, so die EU-Kommission in ihrem Denkanstoß, eine "völlige Harmonisierung" der Aslyverfahren. Die Entscheidungen würden von der nationalen auf die europäische Ebene verlegt.

Bislang haben die Mitgliedsstaaten allerdings in allen Diskussionen über Asylrecht und Migration seit Tampere 1999 immer darauf bestanden, dass sie das letzte Wort behalten wollen, wie viele und welche Menschen sie aufnehmen. Das hatte in der Vergangenheit zu sehr unterschiedlichen Aufnahmequoten für die gleiche Asylbewerber-Gruppe in den EU-Staaten geführt: Während zum Beispiel Iraker in einem Land keine Chance auf Asyl haben, nimmt ein anderes Land fast alle Iraker auf.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber sagte zu den Vorstellungen der EU-Kommission im Bayrischen Rundfunk: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es richtig wäre, wenn die EU entscheidet, wer in Frankreich, Spanien, Portugal, in Deutschland oder in Polen einen Aufenthalt bekommt."

Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff dagegen kann zentralen Asyl-Entscheidungen der EU durchaus etwas abgewinnen. Manche EU-Staaten wetteiferten heute darum, möglichst unattraktive Bedingungen zu schaffen, damit die Migranten in andere EU-Staaten weiter zögen: "Die Aussicht auf Asyl ist zum Beispiel in Ungarn wesentlich geringer als in Deutschland. Es wäre daher ein Meilenstein, wenn Asylanträge künftig an die gesamte EU gerichtet werden könnten und nicht nur an ein bestimmtes Mitgliedsland."

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