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EU-Orientierung

11. März 2010

In Berlin haben Experten aus der Ukraine, Russland und der EU über die Rolle der Ukraine in einer neuen europäischen Architektur diskutiert. Am Rande der Konferenz sprach die DW mit dem Sicherheitsexperten Karsten Voigt.

Portrait von Karsten Voigt (Foto: dpa)
Karsten Voigt sieht in der Ukraine ReformbedarfBild: picture-alliance / dpa

DW-WORLD.DE: Auf der internationalen Konferenz "The New European Architecture. The role of Ukraine", veranstaltet von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und der ukrainischen Stiftung "United World", die der "Partei der Regionen" des neuen ukrainischen Präsidenten nahe steht, haben am 9.03.2010 Wiktor Janukowitschs Berater betont, die Ukraine werde eine pro-europäische Außenpolitik verfolgen, ferner sei ohne das Land eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur unmöglich. Was meinen Sie dazu?

Durch die Ukraine führen wichtige ErdgaspipelinesBild: AP

Karsten Voigt: In gewisser Weise ist die Ukraine im Zentrum einer strategisch wichtigen Region. Sie ist ein Land, das an EU-Nachbarn grenzt, es hat über das Schwarze Meer die Nachbarschaft mit der Kaukasus-Region und es hat den wichtigen Nachbarn Russland im Osten. Insofern ist die Ukraine in einer geostrategischen zentralen Rolle, aber die gibt nicht automatisch Einfluss, sondern sie kann auch Anlass zur Sorge sein. Die Sorgen werden umso geringer, je mehr die Nachbarn spüren, dass die Ukraine eine verlässliche, überschaubare Politik verfolgt. Und die Chancen und der Einfluss werden umso größer, je mehr nicht nur eine jeweilige Regierung eine spezifische Politik verfolgt, sondern je mehr die Ukraine insgesamt dahinter steht. Ich glaube, viele in Deutschland würden sich freuen, wenn die neue ukrainische Führung versuchen würde, mit der jetzigen Opposition und ehemaligen Führung in den Fragen, die die Beziehungen zur EU betreffen, eine gemeinsame Grundorientierung zu vereinbaren.

Sehen Sie zwischen Kiew und Moskau eine Konkurrenz aufkommen, wenn es um die Rolle eines Sicherheitspartners der EU in Europa geht?

Das sehe ich überhaupt nicht, weil von der Größenordnung her ist eindeutig Russland in seiner Bedeutung offensichtlich. Andererseits ist bei der Ukraine noch offensichtlicher als bei Russland, dass die Ukraine Teil Europas ist. Die Chancen für die Ukraine, wenn sie ihre Hausaufgaben erledigt hat, Mitglied der EU zu werden, sind meiner Einschätzung nach auf längere Sicht größer als die von Russland.

Der neue ukrainische Präsident Janukowitsch wurde in den deutschen Medien immer als pro-russisch gewertet. Waren sie überrascht, dass sein erster Auslandsbesuch nach Brüssel führte?

Wiktor Janukowitsch und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso (1.03.2010)Bild: AP

Ich war überhaupt nicht überrascht. Die Frage der NATO-Mitgliedschaft war höchst strittig, die vorherige Regierung war dafür, die Bevölkerung war immer dagegen. Die Frage der EU-Orientierung war letzten Endes bei den großen Parteien in der Ukraine Konsens. Hier stellt sich einfach die Frage, was die Ukraine tun muss, damit sie näher an Europa, vielleicht sogar irgendwann in die EU kommt. Und umgekehrt müssen wir in Deutschland, und dazu sind wir wirklich bereit, in dem Maße, wie die Ukraine sich durch Reform gegenüber Europa öffnet und sich Europa-fähig macht, versuchen, die Türen für die Ukraine innerhalb der EU zu öffnen.

Welche Reformen sind jetzt notwendig?

Wir sehen bei den EU-Mitgliedern Bulgarien und Rumänien, dass dort ein solches Maß an Korruption herrscht, dass manche innerhalb der EU sagen, wir hätten sie zu früh aufgenommen. Die Schwierigkeiten, die man jetzt dort entdeckt, belasten indirekt die Kandidaten, die noch in die EU wollen. Man wird in Zukunft nur noch Kandidaten aufnehmen, wenn diese Probleme vorher gelöst sind. Das sind natürlich Fragen der Verwaltung, des Umgangs mit Bürgerrechten, aber da sehe ich weniger Probleme. Es sind vor allem Fragen, die Korruption betreffen. Wenn eine Visafreiheit mit der Ukraine irgendwann hergestellt werden soll, dann müssten die Außengrenzen der Ukraine noch mehr kontrolliert werden. Solche Fragen müssten praktisch gelöst werden.

Das Gespräch führte Nikita Jolkver
Redaktion: Markian Ostaptschuk / Gero Rueter