EU-Parlament beschließt Plan für Ausstieg aus russischem Gas
17. Dezember 2025
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben in Straßburg dafür gestimmt, dass die Europäische Union spätestens zum 1. November 2027 kein Gas mehr aus Russland importieren soll - weder Flüssiggas (LNG) noch Gas über Pipelines. Der Ausstieg ist als schrittweiser Prozess über die kommenden zwei Jahre angelegt.
Russisches Pipeline-Gas und Flüssiggas machten nach Angaben der EU-Kommission im vergangenen Jahr rund 19 Prozent der Gasimporte der 27 EU-Staaten aus. Demnach entsprechen pro Monat die Einfuhren fossiler Energieträger aus Russland einem Wert von rund 1,5 Milliarden Euro. Dabei geht es vor allem um Gas, zu einem kleineren Teil auch Öl.
In einem ersten Schritt will die EU den Abschluss neuer Verträge mit Russland verbieten. Dieses Verbot soll sechs Wochen nach Inkrafttreten des beschlossenen Gesetzes greifen, voraussichtlich also im Frühjahr des kommenden Jahres.
Ungarn und die Slowakei kündigen Widerstand an
Rund ein Drittel der russischen Gasimporte europäischer Abnehmer basiert auf kurzfristigen Verträgen, die vergleichsweise leicht kündbar sind. Diese Lieferungen sollen dem Gesetzentwurf zufolge ebenfalls im kommenden Jahr enden: für Flüssiggas zum 25. April und für Pipeline-Gas zum 17. Juni 2026.
Für bestehende langfristige Verträge gelten längere Übergangsfristen. Für LNG ist der Stichtag der 1. Januar 2027 vorgesehen. Dieses Datum ist bereits Teil der bestehenden EU-Sanktionen gegen Russland. Gaslieferungen über Pipelines sollen noch bis Herbst 2027 erlaubt bleiben. Der genaue Stichtag soll zwischen dem 30. September und dem 1. November liegen, abhängig vom Füllstand der europäischen Gasspeicher.
In Deutschland wäre mit diesem Beschluss eine Wiederinbetriebnahme der Nordstream-Pipelines endgültig ausgeschlossen. Insbesondere Ungarn und die Slowakei könnten hingegen in den kommenden zwei Jahren weiterhin größere Mengen Gas aus Russland importieren. Beide Länder waren in den Verhandlungen überstimmt worden und haben bereits angekündigt, gegen den Ausstieg juristisch vorzugehen.
Gesetz zum Gasausstieg sieht Ausnahme vor
Das nun beschlossene Gesetz enthält zudem eine Notfallklausel. Ruft ein EU-Mitgliedstaat eine Energiekrise aus, kann er bei der EU-Kommission eine zeitlich befristete Ausnahme vom Importverbot beantragen. In diesem Zeitraum könnte über kurzfristige Verträge wieder Gas aus Russland bezogen werden. Die Kommission darf eine solche Ausnahme laut Einigung jedoch nur genehmigen, wenn sie "strikt notwendig" ist.
Der Rat der Minister der 27 EU-Staaten muss den Ausstieg noch formal bestätigen, die erforderliche Mehrheit gilt jedoch als gesichert. Anders als die Sanktionen gegen Russland ist der nun beschlossene Ausstieg rechtlich als EU-Gesetz verankert und damit dauerhaft.
Entscheidung zu russischem Vermögen auf EU-Gipfel
Eine weitere Entscheidung im Zusammenhang mit Russland steht beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU ab Donnerstag an: die mögliche Nutzung eingefrorener russischer Vermögen zur Finanzierung der Ukraine.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte eine rasche Entscheidung an. Die nächsten Tage seien "entscheidend", um die Unterstützung der ukrainischen Verteidigung zu sichern, sagte von der Leyen im Europaparlament. Es sei "ganz, ganz klar", dass beim Treffen in Brüssel eine Entscheidung getroffen werden müsse.
Beim Gipfel am Donnerstag und Freitag gehe es darum, "sich der Realität des Augenblicks zu stellen", sagte die Kommissionspräsidentin. Diese Realität bestehe darin, dass die Europäer sich "selbst verteidigen müssen und wir uns auf uns selbst verlassen müssen". Nichts sei für die Verteidigung Europas wichtiger, "als die Verteidigung der Ukraine zu unterstützen".
In diesem Zusammenhang bezeichnete von der Leyen die Entscheidung der vergangenen Woche, russische Zentralbankgelder langfristig einzufrieren, als "starke politische Botschaft". Dieser Schritt bedeute, "dass die russischen Vermögenswerte eingefroren bleiben, bis wir es anders entscheiden, bis Russland den Krieg beendet und die Ukraine ordnungsgemäß für alle verursachten Schäden entschädigt", sagte von der Leyen.
Mehrere EU-Länder sind gegen die Nutzung russischer Gelder
Die EU-Botschafter hatten in der vergangenen Woche mehrheitlich beschlossen, die rund 200 Milliarden Euro russischer Vermögen in Europa dauerhaft einzufrieren, anstatt diese Maßnahme wie bisher alle sechs Monate zu verlängern. Dieser Beschluss gilt als Voraussetzung für ein von der Kommission vorgeschlagenes Reparationsdarlehen an die Ukraine.
Es soll eine Höhe von 90 Milliarden Euro haben und auf den eingefrorenen russischen Geldern basieren. Russland soll die Mittel nur dann zurückbekommen, wenn es nach einem Ende seines Angriffskriegs gegen die Ukraine Reparationszahlungen leistet.
Seit Monaten verhandeln die EU-Länder über die konkrete Nutzung dieser Vermögen. Vor allem Belgien lehnt den Plan ab, da dort ein Großteil der Gelder lagert. Das Land befürchtet finanzielle und rechtliche Vergeltungsmaßnahmen Russlands.
Auch Ungarn und die Slowakei verweigern ihre Zustimmung. Zuletzt meldete zudem Italien Vorbehalte an. Die EU hat sich bis zum Gipfel in dieser Woche Zeit genommen, um zu entscheiden, wie die Ukraine-Hilfe für die kommenden zwei Jahre finanziert werden soll.
Von der Leyen: Nicht von der Weltanschauung anderer definieren lassen
In ihrer Rede vor dem Parlament ging von der Leyen auch auf die Unabhängigkeit Europas vor dem Hintergrund der geopolitischen Lage ein. "Wir können es uns nicht leisten, uns von den Weltanschauungen anderer definieren zu lassen", sagte die Kommissionspräsidentin. "Niemand von uns sollte überrascht sein, was andere über Europa sagen." Sie bezog sich dabei auf Russland und China, aber auch auf die Vereinigten Staaten.
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hatte kürzlich ihre neue nationale Sicherheitsstrategie veröffentlicht und darin eine umfassende außenpolitische Neuausrichtung angekündigt. In dem Papier aus Washington wird mit den europäischen Verbündeten hart ins Gericht gegangen, unter anderem wegen ihrer Migrationspolitik und einer angeblichen Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Diese US-Strategie sei "nicht die Ursache der Umbrüche, mit denen Europa in der Welt konfrontiert ist", sagte von der Leyen. Vielmehr sei sie "ein Symptom der Realität der heutigen Welt".
pgr/AR (afp, rtr)
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