EU-Parlament bleibt im Streit mit Polen hart
18. November 2020Im Haushaltsstreit mit Ungarn und Polen will das Europäische Parlament nicht nachgeben. "Von unserer Seite werden keine weiteren Zugeständnisse gemacht", bekräftigten Parlamentspräsident David Sassoli und die Fraktionsvorsitzenden. Die erzielten Vereinbarungen zum EU-Haushalt und zum Rechtsstaatlichkeitsprinzip könnten unter keinen Umständen wieder aufgeschnürt werden.
Warschau und Bupdapest hatten am Montag die Zustimmung zu dem insgesamt 1,8 Billionen Euro schweren Finanzpaket bestehend aus dem EU-Haushaltsrahmen für 2021 bis 2027 und dem 750 Milliarden Euro schweren Corona-Hilfsfonds verweigert. Grund sind Pläne, die Auszahlung von EU-Geldern bei Verstößen gegen rechtsstaatliche Prinzipien künftig zu kürzen. Polen und Ungarn stehen in der Europäischen Union seit Jahren wegen der Einschränkung demokratischer Grundwerte und der Unabhängigkeit der Justiz am Pranger.
Polen warnt vor EU-Zerfall
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki verteidigte nochmals die Blockadehaltung seines Landes. "Eine EU, in der es eine europäische Oligarchie gibt, die die Schwächsten bestraft, ist nicht die EU, der wir beigetreten sind", sagte er im Parlament in Warschau. Er warnte, dies sei ein Wendepunkt in der Geschichte der EU. Entscheidungen, die auf willkürlichen Anordnungen basierten, könnten leicht zum Zerfall der Union führen, meinte er weiter. "Wir sagen 'Ja' zur Europäischen Union, aber 'Nein' dazu, wie Kinder bestraft zu werden." Ungarns Regierungschef Victor Orban warf der EU Erpressung vor.
Jetzt nicht die Zeit für politische Spiele
Am diesem Donnerstagabend beraten die EU-Staats- und Regierungschefs über die verhärteten Fronten. Vertreter der europäischen Gewerkschafts- und Arbeitgeberverbände riefen im Hinblick auf die Gespräche zu einem Ende der Blockadehaltung auf. Unternehmen und Arbeitnehmer hätten die finanzielle Unterstützung der EU in der Corona-Krise bitter nötig, erklärten sie. Jetzt sei nicht die Zeit für politische Spiele.
Polen hebt Immunität eines populären regierungskritischen Richters auf
Unterdessen lieferte Polen einen weiteren Beweis für seine eigene Auffassung von Rechtsstaatlichkeit. Die umstrittene Disziplinarkammer des Obersten Gerichts des Landes hob die Immunität eines bekannten regierungskritischen Richters auf. Der Warschauer Bezirksrichter Igor Tuleya dürfe außerdem nicht mehr an Verfahren mitwirken, seine Bezüge würden um 25 Prozent gekürzt, teilte das Gericht mit. Die Entscheidung ist ab sofort rechtskräftig.
Der 50 Jahre alte Jurist Tuleya ist einer der prominentesten Kritiker der Justizreformen der nationalkonservativen Regierungspartei PiS. Die Staatsanwaltschaft hatte die Aufhebung seiner Immunität gefordert. Sie warf ihm unter anderem Überschreitung seiner Kompetenzen vor, weil er bei der Urteilsverkündung in einem für die PiS unangenehmen Verfahren Medienvertreter im Gerichtssaal zugelassen hatte.
se/fab (dpa, afp, ap)