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KonflikteLibanon

EU-Parlament fordert Waffenstillstand im Libanon

22. Oktober 2024

Die Hisbollah soll Attacken auf Israel sofort einstellen. Israel soll UN-Blauhelme verschonen und sich zurückziehen. Politische Druckmittel hat das Parlament nicht. Es bleibt bei Appellen. Aus Straßburg Bernd Riegert.

Blick auf Blauhelmsoldaten mit Emblem auf dem Arm
Soldaten der UN-Blauhelme im Libanon (UNIFIL) wurden angegriffen: Das Europäische Parlament verurteilt das scharf (Archiv Mai 2024)Bild: Niall Carson/PA Wire/empics/picture alliance

Im Europäischen Parlament in Straßburg herrschte seltene Einigkeit, als es um die Verurteilung der israelischen Angriffe auf die UN-Blauhelmtruppe im Libanon (UNIFIL) ging. Rednerinnen und Redner aller Fraktionen waren sich einig, dass Attacken auf die 10.000 UNIFIL-Soldatinnen und -Soldaten im Süden des Libanon unter keinen Umständen zu rechtfertigen seien und verurteilt werden.

Die EU-Staats- und Regierungschefs und -chefinnen hatten bei ihrem Gipfeltreffen vergangene Woche die Angriffe auf Einrichtungen der UNIFIL, bei der fünf Soldaten verletzt wurden, "inakzeptabel" und eine "grobe Verletzung des internationalen Rechts" genannt.

EU-Kommissar Janez Lenarcic im Krisenzentrum der EU: Mehr Hilfe für den Libanon (Archiv)Bild: Johanna Geron/REUTERS

Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe Janez Lenarcic sagte am Dienstag im Parlament: "Libanon ist ein zerbrechliches Gebilde, das alle Krisen im Nahen Osten voll zu spüren bekommt. Israel destabilisiert Libanon weiter. Die zivile Bevölkerung zahlt den Preis. 2500 Menschen wurden bereits getötet, Hunderttausende vertrieben." Nötig sei, so Janez Lenarcic weiter, ein sofortiger Waffenstillstand und eine Deeskalation in der Region.

Debatte um Selbstverteidigung und Kriegsvölkerrecht

Die allermeisten Abgeordneten stimmten der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee zu. Gefordert wird auch ein Waffenstillstand zwischen der Hamas und Israel. Der umfassende Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel hatte die jüngsten bewaffneten Konflikte ausgelöst. 

Viele Redner im Parlament erkannten das Recht Israels auf Verteidigung gegen islamistischen Terror ausdrücklich an, mahnten aber, wie Jordan Bardella (Rechtsnationale Fraktion EKR), dass internationales Recht und Kriegsvölkerrecht eingehalten werden müssten. Die Abgeordnete Lynn Boylan (Linke) sprach sich für Sanktionen gegen Israel und einen Stopp europäischer Waffenlieferungen aus. "Wo ist der moralische Kompass der EU?", fragte die Abgeordnete aus dem traditionell Palästina-freundlichen Irland.

Der spanische Christdemokrat Nicolas Pascual de la Parte hielt dagegen, dass man mit einer Terrororganisation wie der Hisbollah im Libanon nicht verhandeln könne. Die Hisbollah müsse ihre Raketen- und Drohnenangriffe auf Israel sofort einstellen.

Die Hisbollah wird von den USA, Deutschland und mehreren sunnitischen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Sie wird vom Iran unterstützt. Die EU listet den bewaffneten Flügel der Hisbollah als Terrorgruppe. Die Hamas ist eine militante, islamistische, palästinensische Gruppe. Die Europäische Union, ebenso wie die USA, Deutschland und weitere Länder stufen die Hamas als Terrororganisation ein.

UNIFIL soll im Libanon bleiben

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte vor einigen Tagen in einer Videobotschaft bestritten, dass die israelische Armee Posten der UNIFIL-Blauhelme vorsätzlich angegriffen habe. Netanjahu sagte, die UN-Soldaten dienten der Hisbollah als menschliche Schutzschilde, hinter denen sie ihre militärischen Arsenale verstecke.

Netanjahu hatte auch gefordert, die seit 46 Jahren im Libanon stationierten Friedenstruppen aus der Kampfzone abzuziehen. Das wiesen sowohl der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als auch die Europäische Union zurück. Die UNIFIL werde weiter gebraucht, vor allem wenn es zu einem Waffenstillstand kommen sollte.

720 Plätze im Europaparlament in Straßburg: Die Zahl der Abgeordneten während der Debatte war überschaubar (Archiv)Bild: Elyxandro Cegarra/PanoramiC/imago images

Der müsse von den UN-Kräften überwacht werden können, forderten viele Abgeordnete im Europäischen Parlament heute. UNIFIL solle nicht abzuziehen, sondern brauche ein robusteres Mandat, um sich wehren zu können, wenn die Truppe angegriffen werde, sagte der spanische Abgeordnete Pascual de la Parte.

EU: Mehr Mittel für humanitäre Hilfe im Libanon

Die EU hat ein großes Interesse an der UNIFIL-Mission, weil 16 europäische Staaten den größten Teil der 10.000 Soldatinnen und -Soldaten schicken. Italien ist mit rund 1000 Soldaten der größte  europäische Truppensteller. Kommandiert wird UNIFIL von einem spanischen General. Die Bundeswehr ist mit 116 Soldaten beteiligt.

Nach dem Krieg Israels gegen die Hisbollah im Jahr 2006 wurde UNIFIL stark vergrößert und mit dem Mandat versehen, die libanesische Armee auszubilden und auszurüsten. Die Libanesen sollen eigentlich die Kontrolle im Grenzgebiet zu Israel ausüben. Dort hat sich die Hisbollah trotz anderslautender UN-Resolutionen in Stellungen breitgemacht und militärische Infrastruktur mit Hilfe des Iran aufgebaut. Insofern sei die UNIFIL-Mission eigentlich gescheitert, sagte Abgeordneten im EU-Parlament. Ihren ursprünglichen Auftrag habe sie nicht erfüllen können.

Das deutsche Marine-Schiff "Ludwigshafen am Rhein" ist Teil der UNIFIL und patroulliert vor der libanesischen KüsteBild: Frank Hormann/dpa/dpa-Zentralbild/picture alliance

"Es ist offensichtlich, dass die UNIFIL es nicht geschafft hat seit mehr als einem Jahr, die Lage an der libanesisch-israelischen Grenze zu beruhigen. Israels Vorstöße in den Süden des Libanon und die heftigen Kämpfe mit Hisbollah setzen das UNIFIL-Personal einem großen Risiko aus und gefährden die Mission", berichtete der DW-Korrespondent Mohamad Chreyteh aus dem Libanon.

Der EU-Kommissar Janez Lenarcic kündigte in der Debatte am Dienstag an, dass die EU ihre Mittel für humanitäre Hilfe im Libanon um weitere 23 Millionen Euro erhöhen werde. Für die nächsten Monate seien 64 Millionen Euro bereits eingeplant. Der libanesischen Armee sollen zusätzliche 15 Millionen Euro helfen, Strukturen und Bewaffnung zu stärken, um gegen die Hisbollah vorgehen zu können.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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