EU-Parlament zum Beitritt Albaniens
14. Dezember 2012Bei ihrem Treffen am vergangenen Dienstag (11.12.) gewährten die EU-Außenminister Albanien keinen offiziellen Kandidatenstatus, obwohl die europäische Perspektive des Landes aus Brüsseler Sicht außer Frage stehen soll. Mit seinem "Fortschrittsbericht 2012 über Albanien" wollte das Europäische Parlament sich nicht gegen den Ministerrat auflehnen: Albanien solle zwar unverzüglich den Kandidatenstatus bekommen, aber erst nachdem wichtige Reformen zu Ende gebracht würden, erklärten die EU-Abgeordneten in einer Entschließung am Donnerstag (13.12.) in Straßburg.
Der zuständige Berichterstatter des Europäischen Parlaments Nikos Chountis ist der Auffassung, dass der Straßburger Fortschrittsbericht für Albanien viel wohlwollender ausfällt, als etwa die jüngsten Beratungsergebnisse der EU-Außenminister: "Was wir beschlossen haben, steht im Einklang mit dem Beschluss der EU-Außenminister, ist jedoch deutlich positiver für Albanien. Unser Ausgangspunkt ist folgender: Sofern sich das albanische Volk den EU-Beitritt wünscht, soll dieser Beitrittsprozess auch als Anreiz dafür dienen, die nötigen Reformen voranzubringen, etwa im Bereich der Demokratisierung und des Minderheitenschutzes. Wir wollen die albanische Gesellschaft ermutigen, diese Probleme anzupacken, weil sie akut sind und nicht etwa, weil die EU dies fordert."
Schlechtes politisches Klima im Land
Wenn es nach der EU-Kommission geht, soll Albanien den offiziellen Kandidatenstatus bekommen. Dies hatte EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle dem Rat Anfang Oktober bei Vorlage eines aktuellen Fortschrittsberichts der EU-Kommission zu Albanien vorgeschlagen. Vor dem Europäischen Parlament zeigte sich Füle jedoch etwas zurückhaltender und sprach von einer "ausgewogenen“ Entschließung der EU-Abgeordneten, die das richtige Signal an die albanische Politik senden würde: Einerseits bedeute diese Entschließung Anerkennung der harten Arbeit, die bisher geleistet worden ist. Andererseits, so betonte Fülle, sei die Entschließung eine starke Unterstützung der politischen Parteien und aller Beteiligten, sich auf den Reformprozess und die Integration in Europa zu konzentrieren. "Wie das Europäische Parlament, sehen auch wir die Zukunft Albaniens in Zusammenhang mit der Europäischen Union und wir sind auch bereit bei unserer Empfehlung zu bleiben, den Kandidatenstatus zu gewähren. Aber Albanien muss auch zeigen, dass es dazu bereit ist."
Diplomatische Töne anschlagend, erklärte der EU-Erweiterungskommissar, die politischen Führer Albaniens "wären nicht immer in der Lage, die Integration in die Europäische Union an die erste Stelle ihrer politischen Agenda zu setzen". Zu deutlicheren Formulierungen griffen andere Europapolitiker während der Debatte zu Albanien in Straßburg - so etwa die EU-Abgeordnete der holländischen Grünen Marije Cornelissen: "Unser größtes Bedenken betrifft vor allem das politische Klima in Albanien und den mangelnden Willen der Hauptparteien, zusammenzuarbeiten. Das schien sich im letzten Jahr verbessert zu haben und das Parlament schien langsam zu funktionieren, aber heute bin ich mir nicht mehr so sicher. Im November wurden drei Gesetze nicht durchs Parlament gebracht infolge eines Machtkampfes, der völlig unverständlich ist. Zudem sagte Ministerpräsident Berisha, dass alle ethnischen Albaner albanische Pässe bekommen könnten. Er weiß doch sehr wohl, was das in der Region bedeutet."
Keine Grenzveränderungen
Vor allem diese Äußerung von Ministerpräsident Berisha, die während der Feierlichkeiten zur 100-jährigen Unabhängigkeit des Landes fiel, sorgte für heftige Reaktionen unter den EU-Abgeordneten. Im letzten Moment verabschiedeten die Volksvertreter einen Passus in ihrer Entschließung, in dem sie Berisha aufrufen, die beanstandete Aussage nicht mehr zu wiederholen.
Selbst der CSU-Politiker Bernd Posselt, der als Befürworter der EU-Erweiterung in Richtung Westbalkan gilt und nach eigenen Angaben Albanien "so schnell wie möglich" den Kandidatenstatus geben möchte, kritisiert die Äußerung des albanischen Ministerpräsidenten: "Ich muss einfach mal sagen: 1912 ist dem albanischen Volk schweres Unrecht geschehen. Das albanische Volk ist 1912 von den Großmächten nach deren Interessen geteilt worden, es sind künstliche Grenzen gezogen worden. Aber ich sage trotzdem: In unserer Zeit ist an Grenzänderungen nicht zu denken. Der europäische Weg ist es, Grenzen unwichtig zu machen und nicht sie zu verändert."