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15. September 2011Zu oft sind die großen EU-Staaten in den vergangenen Monaten ihre eigenen Wege gegangen. Zu selten war sie hörbar, die gemeinsame außenpolitische Stimme der Europäer. Und so war die vierstündige Parlamentsdebatte am Mittwoch (14.09.2011) ein Versuch, sich gegenseitig auf Kurs zu bringen. Auf der Agenda der Abgeordneten in Straßburg standen gleich drei Krisen: die noch unsichere Zukunft Libyens, die Proteste gegen das Assad-Regime in Syrien und der angekündigte Antrag der Palästinenser auf eine UN-Mitgliedschaft.
In Libyen Wirtschaft und Demokratie aufbauen
Eigentlich hatten die Abgeordneten mit einem Lagebericht von Catherine Ashton gerechnet. Doch weil die EU-Außenbeauftragte gerade durch den Nahen Osten reist, eröffnete Polens Europaminister Mikolaj Dowgielewicz die vierstündige Debatte mit den europäischen Volksvertretern. Sein Land hat derzeit den Vorsitz im EU-Rat und will sich besonders für den Wiederaufbau in Nordafrika einsetzen. “Wir müssen die Libyer, ihre neu gewonnene Unabhängigkeit und die schwierige Phase des Übergangs zur Demokratie unterstützen”, mahnte Dowgielewicz die europäischen Volksvertreter.
Die NATO-Truppen sind noch im Land, der alte Machthaber Muammar al-Gaddafi ist noch nicht gefasst. Doch die Europäer planen die Zukunft Libyens längst ohne ihn. "Die Öl- und Gasproduktion müssen wieder aufgenommen werden, um die Bildung der libyschen Nation zu finanzieren", forderte etwa die liberale Abgeordnete Kristiina Ojuland. Libyen sei ein "strategisch wichtiger" Handelspartner. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln hatte die EU erst kürzlich eingefrorene Gelder von zahlreichen Unternehmen aus dem Energie- und Finanzsektor freigegeben.
"Auf Dauer wird das nicht so sehr eine Frage des Geldes sein, denn das Ölland Libyen wird selbst genug davon haben", mahnte dagegen Elmar Brok, der für die deutschen Christdemokraten im Straßburger Parlament sitzt. Die EU müsse jetzt schnell die Lebensbedingungen der Menschen verbessern, Demokratie und Rechtstaatlichkeit fördern, Infrastruktur aufbauen und bei der Ausbildung junger Menschen helfen. Dabei wollen sich die Europäer eng mit dem nationalen Übergangsrat abstimmen.
Schärfere Sanktionen gegen Assad
Auch die anhaltende Gewalt in Syrien beschäftige die Abgeordneten. Bei den Protesten gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad starben nach UN-Angaben bislang etwa 2.600 Menschen, hauptsächlich Zivilisten. "Es gibt keine Zukunft für Syrien mit diesem Regime und wir denken, dass Präsident Assad jetzt abtreten sollte", bekräftigte der polnische Minister Mikolaj Dowgielewicz die Haltung der Europäer.
Um den Druck auf das Regime zu erhöhen, hatten die EU-Staaten zusätzlich zu bestehenden Sanktionen ein Einfuhrverbot für Rohöl aus Syrien verhängt. Doch die europäischen Strafen haben Assad bislang nicht beeindruckt. "Und deshalb muss es weitere Sanktionen geben. Die syrische Geschäftswelt muss verstehen, dass ihre Zukunft nicht bei Assad liegt, der sich auf die eine oder andere Weise aus dem Staub machen wird", forderte Daniel-Cohn-Bendit, Fraktionschef der Grünen im EU-Parlament. Konkret schlägt er ein Investitionsverbot vor. Demnach dürften europäische Firmen künftig nicht mehr in die Ölförderung und -verarbeitung investieren. Auch Gemeinschaftsunternehmen mit syrischen Energiefirmen wären nicht mehr möglich. Mehr Sanktionen – dieser Vorschlag stieß grundsätzlich auf Zustimmung in Straßburg. Sie dürften aber nicht auf Kosten der syrischen Bevölkerung gehen, wie einige Abgeordnete betonten.
Uneins über den Palästinenser-Staat
Gemeinsame Vorschläge für Libyen und Syrien kennzeichneten die Debatte ebenso wie große Uneinigkeit gegenüber einem anderen arabischen Land. In der kommenden Woche will Palästina bei der UN-Vollversammlung den Antrag auf Anerkennung eines eigenen Staates stellen. Einige EU-Mitglieder unterstützen das Vorhaben, andere Länder, zum Beispiel Deutschland, sind dagegen. “Sie wissen, dass mein Land aus historischen Gründen hier in einer besonderen Verpflichtung ist und dass die Angelegenheit für uns nicht so leicht ist”, betonte der deutsche Christdemokrat Elmar Brok.
In der Palästina-Frage stellen die nationalen Bedenken einmal mehr den europäischen Zusammenhalt in Frage. “Die Glaubwürdigkeit Europas gegenüber der arabischen Welt steht auf dem Spiel. Wir unterstützen Libyen, Tunesien, Ägypten und Syrien, aber es ist auch der arabische Frühling der Palästinenser“, warnte etwa die belgische Sozialdemokratin Veronique de Keyser. Und so wird es eine gemeinsame europäische Außenpolitik bei der UN-Vollversammlung in New York - zumindest in dieser Frage - nicht geben.
Autorin: Julia Hahn
Redaktion: Daniel Scheschkewitz