1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

EU-Parlament fordert Beitrittsverhandlungen

24. Oktober 2019

Die Staats- und Regierungschefs haben versagt, weil sie Albanien und Nord-Mazedonien Verhandlungen verweigern, sagt das EU-Parlament. Wie geht es weiter im Aufnahme-Poker? Bernd Riegert berichtet.

Frauenquote Parlament
Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Mit großer Mehrheit, 412 zu 136, stimmten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Straßburg am Donnerstag für eine Resolution, in der die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nord-Mazedonien und Albanien gefordert wird. Es ist das nicht erste Mal, dass sich das Parlament für die Kandidaten auf dem westlichen Balkan stark macht. Bislang haben die Mitgliedsstaaten der EU die Forderungen der Parlamentarier aber ignoriert. Die 28 Staats- und Regierungschefs konnten sich bei ihrem Gipfeltreffen vor einer Woche in Brüssel zum dritten Mal innerhalb von 16 Monaten nicht zu einer einstimmigen Entscheidung durchringen. Die EU-Kommission hatte Nord-Mazedonien und Albanien bescheinigt, dass sie alle Hausaufgaben und geforderten Reformen erledigt haben und reif für den Beginn der Beitrittsverhandlungen sind.

"Strategischer Fehler"

In der Resolution spricht das Straßburger Parlament davon, dass es "ein strategischer Fehler" sei, dass sich die EU nicht zu Verhandlungen entschlossen habe. Dieses Verhalten untergrabe die Glaubwürdigkeit der Union, gäbe ein schlechtes Beispiel für andere Beitrittskandidaten wie Bosnien-Herzegowina und Kosovo, die jetzt in ihren Anstrengungen nachlassen könnten. Außerdem wachse die Gefahr, dass andere Staaten mit starken Interessen auf dem Balkan - gemeint sind Russland, China und die Türkei - ihren Einfluss ausbauen könnten. Viele Abgeordnete warfen Frankreich, den Niederlanden und Dänemark vor, die Eröffnung einer Regierungskonferenz hauptsächlich aus innenpolitischen Interessen zu blockieren.

Abgeordnete Kati Piri: Die EU hat versagt (Archivbild)Bild: picture-alliance/AA/M. Kamaci

Die sozialdemokratische Abgeordnete Kati Piri aus den Niederlanden kritisierte vor allem den französischen Präsidenten Emmanuel  Macron, der nicht die gleiche Führungsstärke zeige wie die Regierungschefs in den Kandidatenländern. "Herr Macron hat nicht den gleichen politischen Mut. Die EU hatte die Möglichkeit, endlich politische Veranwortung zu übernehmen und politische Reife zu zeigen. Wir haben fürchterlich versagt", sagte Kati Piri im Plenarsaal.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte vor Beitrittsgesprächen mit neuen Ländern eine Reform des gesamten Prozesses gefordert. Das könnte jedoch Jahre dauern. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel argumentierte wie jetzt die Europa-Abgeordneten, dass ein Überarbeitung des Prozesses und der Kriterien auch im laufenden Verfahren erfolgen könnte. Viele Experten rechnen ohnehin mit Beitrittsverhandlungen, die viele Jahre dauern würden.

Hauptgegner der Erweiterung: Frankreichs Präsident Macron verlangt ReformenBild: Reuters/J. Geron

Nächste Chance erst 2020

Der grüne Abgeordnete Reinhard Bütikofer sagte, die EU dürfe den Balkanstaaten nicht die Tür vor der Nase zuschlagen. "Die Bundesregierung muss sich mit Nachdruck dafür einsetzen, die Beitrittsgespräche auf die Tagesordnung des nächsten EU-Gipfels zu bringen. Die EU-Staats- und Regierungschefs müssen würdigen, dass Nordmazedonien mit der friedlichen Lösung im Namensstreit mit Griechenland viel aufs Spiel gesetzt und auch Albanien erhebliche Reformen durchgeführt hat. Die Bedingungen für die Aufnahme von Gesprächen wurden erfüllt", meinte Bütikofer in Straßburg. Bislang wollen sich die EU-Staats- und Regierungschefs erst wieder im Mai 2020 bei einem Westbalkan-Gipfel in Kroatien mit dem Thema beschäftigen. Kroatien, das der EU im Jahr 2013 beitrat, wird im kommenden Halbjahr zum ersten Mal den Vorsitz in der Europäischen Union führen und spricht sich für Beitrittsverhandlungen mit den Nachbarstaaten aus.

Ilhan Kyuchyuk, Abgeordneter der Liberalen aus Bulgarien, regte an, die Reform des Beitrittsprozesses bis zum Gipfeltreffen in Kroatien durchzuziehen. "Andernfalls riskieren wir, den europäischen Traum in der Region zu verlieren und den West-Balkan in eine Grauzone Europas zu verwandeln", sagte Ilhan Kyuchyuk. Dagegen sprach sich die rechtspopulistische Abgeordnete Dominique Bilde aus Frankreich vehement gegen neue EU-Mitglieder aus. Gerade das muslimisch geprägte Albanien sei ein Hort islamischer Terroristen, behauptete Bilde. Weder das an Korruption leidende Mazedonien noch Albanien hätten einen Platz in der EU. 

Korruption in Albanien

03:38

This browser does not support the video element.

Juncker enttäuscht

Der scheidende Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, machte seinem Ärger über das Verhalten der Mitgliedsstaaten Luft. "Die EU erweckt den Eindruck, sie halte gegebene Versprechen nicht ein", sagte Juncker. Im Prinzip sollen nach einer Grundsatzentscheidung der EU von 2003 alle Balkan-Staaten in die EU aufgenommen werden. Mit Serbien und Montenegro laufen Beitrittsverhandlungen. In der Warteschleife sind weiter Nord-Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo, das allerdings nicht von allen EU-Staaten anerkannt wird. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei liegen seit Jahren de facto auf Eis.

In Nord-Mazedonien löste die Weigerung der EU eine innenpolitische Krise aus. Premierminister Zoran Zaev setzte Neuwahlen an. Nord-Mazedonien hatte als letzte Hürde für Beitrittsverhandlungen seinen alten Staatsnamen "Mazedonien" abgeändert und damit eine Vorbedingung des benachbarten  EU-Mitglieds Griechenland nach Jahrzehnten des Streits erfüllt.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen