Schnitzeljagd im EU Parlament: Schluss mit Veggieburgern
8. Oktober 2025
Mitglieder der konservativen Volkspartei (EVP) hatten im EU-Parlament einen Antrag eingereicht, demnach sollen Begriffe wie Burger, Wurst oder Schnitzel nur noch für echte Fleischprodukte reserviert sein.
Mit dem Vorstoß will die EVP die Landwirte unterstützen und die Verbraucher vor Verwirrung am Kühlregal bewahren. Denn jetzt könnten die Bezeichnungen "Sojasteak" oder "Veggieburger" missverstanden und mit Fleischprodukten verwechselt werden, so das Argument.
"Ein Steak besteht aus Fleisch - Punkt. Die Verwendung dieser Bezeichnungen nur für echtes Fleisch sorgt für ehrliche Kennzeichnungen, schützt Landwirte und bewahrt die kulinarischen Traditionen Europas", sagt Céline Imart von der EVP. Sie ist Mitglied des Europäischen Parlaments und hatte den Vorschlag gemacht. Das EU-Parlament sieht das mehrheitlich auch so und hat nun in Straßburg für das Verbot gestimmt.
Eine Mehrheit aus Rechtsaußen-Fraktionen und Teilen der konservativen Fraktion um CDU und CSU stimmte am Mittwoch in Straßburg für eine entsprechende Gesetzesänderung. Die Entscheidung ist allerdings nicht endgültig, sie geht nun in die Verhandlungen mit den 27 EU-Ländern.
Lob von der Fleischindustrie, Kritik von Verbraucherschützern
Künftig sollen nach dem Willen des EU-Parlaments auch Namen von speziellen Tierarten auf pflanzlichen Produkten verboten werden. Eine Bezeichnung wie "Soja-Geschnetzeltes Typ Hähnchen” wäre dann nicht mehr erlaubt. Die Fleischindustrie begrüßt die Entscheidung, während Verbraucherschützer, Umweltverbände und die Opposition im EU-Parlament sie kritisieren.
Bereits im Voraus gab es Uneinigkeit in der EVP über diesen Vorschlag. Viele Abgeordnete der deutschen CDU/CSU, als Teil der EVP-Gruppe, stimmten dagegen. Auch Peter Liese (EVP) vom Ausschuss für Umwelt, Klima und Lebensmittelsicherheit votierte mit "Nein".
Liese bedauert den Entschluss: “Wir sollten die Verbraucher nicht für dumm verkaufen. Wenn auf einer Packung 'Veggieburger' oder 'Veggiewurst' steht, kann jeder entscheiden, ob er das kaufen will oder nicht. Ich glaube und hoffe, dass die Diskussion im Sande verlaufen wird."
Andere Kritiker wurden noch deutlicher. "Während die Welt brennt, hat die EVP diese Woche nichts Besseres zu tun, als uns alle in eine Debatte über Würstchen und Schnitzel zu verwickeln", so die grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini gegenüber der DW.
Von Verwirrung sei im Voraus bisher keine Spur gewesen, sagt auch der deutsche Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv). Konsumenten seien dafür, dass geschmacklich ähnliche Produkte auch wie das tierische Original benannt werden dürfen. "Begriffe wie veganes Schnitzel‘ sorgen nicht für Verwirrung, sondern fördern die Orientierung und tragen zu mehr Klarheit bei", sagt Astrid Goltz, eine Lebensmittelexpertin des Verbandes, zur DW.
Supermärkte: Alltagsbegriffe verbieten schadet dem Umsatz
Auch der Einzelhandel ist gegen ein Verbot. In einem offenen Brief hatten unter anderem die Supermarkt-Riesen Aldi-Süd und Lidl, sowie die Fastfoodkette Burger King und sogar Wurstproduzent Rügenwalder Mühle das EU-Parlament dazu aufgerufen, dem Antrag nicht zuzustimmen.
Verbraucher könnten sehr wohl zwischen pflanzlichen Fleischalternativen und echtem Fleisch unterscheiden. Ein Verbot würde "Unternehmen dazu zwingen, alltagsfremde Begriffe zu verwenden, was den Marktzugang erheblich erschwert und die Innovationsdynamik bremst", heißt es darin.
Das wirtschaftliche Potenzial des Sektors schätzen die Unternehmen groß ein. 65 Milliarden Euro könnten laut einer Studie in Zukunft mit pflanzlichen Fleischalternativen erwirtschaftet werden. Dazu kämen 250.000 neue Arbeitsplätze. Von einem EU-weiten Verbot wären die deutschen Betriebe daher überdurchschnittlich stark betroffen.
Extrawurst für die Fleischindustrie?
Bei der bisherigen Bezeichnung für Sojaschnitzel und Co gäbe es keinerlei Belege für eine systematische Verbraucherverwirrung, betonte auch die Verbraucherorganisation Foodwatch aus Deutschland. Hersteller kennzeichnen ihre Produkte in der Regel deutlich sichtbar als "vegan" oder "vegetarisch", so Foodwatch. Denn genau das sei das Verkaufsargument.
Ziel des Antrags sei es offenbar, den wachsenden Trend zum zumindest gelegentlichen Fleischverzicht bei Verbrauchern auszubremsen, vermutet die Verbraucherorganisation. "Unter dem Vorwand des Verbraucherschutzes will die EU vertraute Begriffe wie Tofuwürstchen oder Seitanschnitzel verbieten - das ist nicht Verbraucherschutz, das ist Lobbyismus im Dienste der Fleischindustrie", so Foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann.
Wie aggressiv die Fleischindustrie um ihre Marktanteile kämpft, zeigt eine Untersuchung der Changing Markets Foundation, einer Nichtregierungsorganisation mit Fokus auf nachhaltigen Konsum und Märkte.
Die Analyse weist eine großangelegte Missinformationskampagne der Fleischhersteller nach, zeitgleich zur kürzlichen Veröffentlichung einer einflussreichen wissenschaftlichen Studie zu Ernährung, Gesundheit und planetaren Grenzen, in der der hohe Fleischkonsum kritisch betrachtet wird.
Eine Studie der europäischen Verbraucherschutzorganisation von 2020 kam zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent der Konsumenten mit Bezeichnungen wie Sojawurst einverstanden sind. Wichtig sei, dass die Bezeichnung eindeutig darauf hinweist, dass es sich um pflanzliche Produkte handelt.
2024 hatte der Europäische Gerichtshof darüber geurteilt, dass dies rechtens sei und die bisherigen Regelungen zur Kenntlichmachung der Zutaten eines Produkts in der jetzigen Form ausreicht. Mit dem aktuellen Vorstoß könnte sich das ändern.
Ob es tatsächlich zu einem Verbot kommen wird, ist auch nach der Abstimmung im EU-Parlament noch nicht entschieden. Das letzte Wort haben die Staats- und Regierungschefs. "Nun liegt es am EU- Rat und die deutsche Bundesregierung ist am Zug, diesem Schwachsinn, welcher Verbraucher verwirrt, Unternehmen Millionen kostet und Landwirten nicht helfen wird, ein Ende zu setzen", so Cavazzini.