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Kompromisse ohne Gewalt

Bernd Riegert10. Dezember 2013

Die meisten Redner in der Ukraine-Debatte des EU-Parlaments fordern Solidarität für die europäisch gesinnten Demonstranten. Noch hofft man auf Vermittlung und eine friedliche Lösung. Russland wird kritisiert.

Camp der ukrainischen Demonstranten mit Flaggen von Ukraine und EU (Foto: EPA/ANATOLY MALTSEV)
Bild: picture-alliance/dpa

Seit vielen Jahren fährt die Grünen-Fraktionschefin im Europäischen Parlament, Rebecca Harms, in die Ukraine. Sie unterstützte die Orangene Revolution 2004 und hält Kontakt zur inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko. Persönlich tief bewegt und mit einer blau-gelben ukrainischen Flagge auf den Schultern rief Rebecca Harms während der Debatte im EU-Parlament die Europäische Union auf, den Demonstranten auf dem Maidan-Platz in Kiew zur Seite zu stehen.

"Ich habe es ja sonst nicht so mit Flaggen, Fahnen und Symbolen, aber in diesem Fall muss es sein", erläuterte die Politikerin. Im Konflikt zwischen Präsident Viktor Janukowitsch, der sich mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin verbündet habe, und den pro-europäischen Kräften, dürfe es Europa nicht an Entschlossenheit mangeln, sagte Rebecca Harms.

"Wir dürfen uns Unentschiedenheit gegenüber denjenigen, die auf dem Maidan stehen, nicht erlauben. Das wäre so, als hätten wir zur Zeit der Montagsdemonstrationen in der DDR entschieden, erst unsere Interessen mit Moskau zu klären, bevor wir Partei ergreifen."

"Freiheitswillen der Ukraine bewunderswert"

EU-Kommissar Stefan Füle, der für die östliche Partnerschaft zuständig ist, wollte in der Parlamentsdebatte in Straßburg nicht eindeutig Partei ergreifen, sondern verwies auf den Vermittlungsversuch, für den seine Kollegin, die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, am Dienstag (10.12.2013) in die Ukraine gereist war. "Wir sind in ständigem Kontakt mit beiden, Regierung sowie Opposition, und der zivilen Gesellschaft, um einen Ausweg aus der politischen Starre zu finden. Das muss ohne Gewalt auf dem Wege des überzeugenden Kompromisses geschehen und zu einer schnellen Stabilisierung des Landes führen."

Im Dialog bleiben: EU-Kommissar Füle (r.) im November mit Präsident JanukowitschBild: picture alliance/AP Photo

Füle bedauerte, dass Präsident Janukowitsch kein Assoziierungsabkommen mit der EU mehr anstrebe. Das ukrainische Volk sei aber für Europa. "Ich bewundere die ukrainische Nation für ihre Liebe der Freiheit und den ausgeprägten europäischen Geist. Sie sucht nicht nach Geld aus der EU, sondern sie will die Chance, nach europäischen Werten zu leben", so der Erweiterungs-Kommissar.

Einige Abgeordnete kritisierten in der Debatte, dass die EU-Kommission den russischen Druck auf die Ukraine unterschätzt habe. Rebecca Harms meinte, man dürfe sich von Russland nicht einschüchtern lassen. Die latente Drohung mit Schwierigkeiten bei den Gaslieferungen könne sich für Russland als Bumerang erweisen: "Im Zweifelsfall haben europäische Mitgliedsstaaten sehr große Trumpfkarten in der Hand. Nicht nur wir sind auf das Gas aus Russland angewiesen. Russland ist bis heute ganz stark angewiesen auf die hohen Zahlungen, auf die vielen Devisen, die ins Land fließen, weil wir das Gas kaufen."

EU-Parlamentarier fordern Dialog zwischen Regierung und Opposition

Wie Rebecca Harms forderte auch der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Europäischen Parlaments, Elmar Brok (CDU), einen Runden Tisch, an dem Regierung und Opposition verhandeln müssten. "Da muss ich sagen: Regierung, höre auf dein Volk, mache einen Runden Tisch und versuche, eine Regelung zu finden! Die Million Menschen auf dem Maidan ist für mich mehr als das Gespräch zwischen Putin und Janukowitsch in Sotschi."

Entschieden Partei ergreifen: Rebecca Harms, Grünen-Fraktionschefin im EU-ParlamentBild: picture-alliance/dpa

Brok hatte zusammen mit anderen Parlamentariern am Wochenende an den Demonstrationen auf dem Kiewer Maidan-Platz teilgenommen. Nach einem Gespräch des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch mit seinen Amtsvorgängern gab es aus Kiew Meldungen, dass inhaftierte Demonstranten freigelassen werden könnten. Diesen Schritt hatte die Opposition als Bedingung für die Teilnahmen an einem Runden Tisch genannt.

Der liberale Fraktionsvorsitzende Guy Verhofstadt warf der russischen Regierung eine blanke Erpressung des ukrainischen Volkes vor. Der französische Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit von den Grünen rief zu einem politischen Boykott der Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi auf. Bundespräsident Joachim Gauck, der seine Reise nach Sotschi absagte, sei ein Vorbild, so Cohn-Bendit. "Ich würde mir eine Europäische Kommission und einen Europäischen Rat wünschen, die alle zusammen sagen: Das machen wir auch nicht."

EU-Kommissarin Reding fährt nicht zu Winterspielen in Russland

Diese Forderung hat sich die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Viviane Reding, schon zu eigen gemacht. Gegenüber der Deutschen Welle bekräftigte sie ihre Entscheidung, im Februar ebenfalls nicht zur Eröffnung der Winterspiele nach Russland zu fahren - allerdings gehe es ihr um die Benachteiligung von Homosexuellen: "Ganz sicher werde ich nicht nach Sotschi fahren, denn solange die Minderheiten in Russland so diskriminiert werden, und zwar gesetzlich und sozial, ist das das falsche Signal", sagte Reding. Sie hoffe, dass auch andere EU-Spitzenpolitiker sich dieser Haltung anschlössen.

EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle setzt dagegen weiterhin auf Dialog mit Russland. Man müsse Moskau klarmachen, dass eine Assoziierung zwischen der Ukraine und der EU keine wirtschaftlichen Nachteile für Russland mit sich bringen würde. Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch kündigte in Kiew an, schon an diesem Mittwoch (11.12.2013) solle eine hochrangige Delegation aus Kiew nach Brüssel reisen, um mit de EU politische Gespräche zu führen. Gleichzeitig betonte er aber auch die enge wirtschaftliche Bindung an Russland, die wiederhergestellt werden müsse.

Einsame Redner: Die Ukraine-Debatte lockte nur wenige AbgeordneteBild: Reuters

Konkrete Beschlüsse oder Entschließungen hat das Europäische Parlament in Straßburg nicht formuliert. Die Solidaritäts-Adressen waren hauptsächlich für die Fernsehkameras bestimmt. Im weiten Plenarsaal verloren sich während der Debatte nur wenige Abgeordnete. Nach der Rückkehr der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton werden sich spätestens am Montag kommender Woche (16.12.2013) die EU-Außenminister mit der Ukraine befassen. Sanktionen, um die Regierung Janukowitsch zum Einlenken zu bewegen, stünden aber nicht zur Debatte, so EU-Diplomaten.

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