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EU-Plan gegen Chaos auf der Westbalkanroute

Barbara Wesel 26. Oktober 2015

Zumindest haben die Balkanländer wieder miteinander geredet. Und die EU hat ihnen die Zusage abgerungen, 100.000 Aufnahmeplätze an der Flüchtlingsroute zu akzeptieren. Aus Brüssel Barbara Wesel.

Flüchtlingstrek (Foto: Getty Images/J. Mitchell)
Bild: Getty Images/J. Mitchell

Angela Merkel wird auch nach dem EU-Sondergipfel mit den Balkanländern in Brüssel nicht müde, es zu wiederholen: Die Flüchtlingskrise sei "eine der größten Bewährungsproben für die EU". Dabei vermeidet sie die Antwort auf die Frage, ob auch sie im Verlaufe der zähen achtstündigen Verhandlungen mit den Ländern an der Westbalkan-Route vor dem Ende der EU gewarnt habe. Immerhin: Die Gespräche seien "schwierig" gewesen, heißt es aus dem Sitzungssaal.

Offen hatte zuvor schon der slowenische Ministerpräsident Miro Cerar das drohende Ende der Europäischen Union beschworen, wenn die Nachbarländer nicht besser kooperierten. Am Ende blieb ihm die Hoffnung, dass Nachbar Kroatien nach der Aussprache in Brüssel die gemachten Versprechen halten werde, die Slowenen über neue Flüchtlingszüge zu informieren. Cerar formulierte auch seine größte Angst: Dass nämlich Deutschland und Österreich ihre Grenzen schließen und einen riesigen Rückstau auf dem Balkan auslösen könnten. "Das wäre ein ziemliches Disaster", so der Slowene.

Besorgt, aber immer noch hoffnungsvoll: Angela Merkel, Jean-Claude Juncker (Mitte) und Antonio GuterresBild: picture-alliance/dpa/Olivier Hoslet

Juncker hat seinen 17 Punkte Plan durchgesetzt

Die Politik des Durchwinkens von Flüchtlingen soll ein Ende haben: "Keine Registrierung, keine Rechte", verkündete Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das wohl wichtigste Ergebnis. Darüber hinaus hätten sich die beteiligten Regierungschefs darauf geeinigt, ihre Nachbarländer jeweils über die Wanderung der Flüchtlingsströme zu informieren. Außerdem sollen mit Hilfe des Flüchtlingshilfswerkes der UN 50.000 Lagerplätze zur Erstaufnahme entlang der Balkanroute errichtet werden.

UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres sprach von einer chaotischen Situation im anbrechenden Winter. Ob allerdings seine Organisation die nötigen Zelte schnell genug aufbauen kann, blieb offen. Auf jeden Fall müsse der Strom der Flüchtlinge reguliert werden, und mittelfristig sei die Gewährung von Asyl in Europa nur zu gewährleisten, wenn es Solidarität in der EU gebe. Aber die stand – jedenfalls was die "faire Verteilung" nach Angela Merkel angeht - nicht auf der Tagesordnung.

50.000 weitere Aufnahmeplätze sollen in Griechenland geschaffen werden, so sieht es die Einigung weiter vor. Slowenien und Ungarn etwa hatten die Griechen attackiert, weil sie ihre Außengrenze zur Türkei nicht schützen und die Flüchtlinge weitgehend unregistriert durchwinken. Allerdings wurde auch der ungarische Premier Viktor Orban scharf kritisiert, weil er sich zum reinen Beobachter des Treffens erklärt hatte. Nachdem Ungarn seine Grenzen abgeriegelt hatte, mussten die Flüchtlinge über Kroatien und Slowenien ausweichen.

Auch der griechische Premier Alexis Tsipras muss ziemlich unter Druck gekommen sein, erstmals versprach er fünf sogenannte Hotsports, also Registrierungsstellen bis Ende des Jahres fertig zu stellen. Und die Debatte über die Einrichtung von Erstaufnahmeplätzen in Griechenland soll er schweigend hingenommen haben. Wenn man allerdings bedenkt, wie Athen sich bisher in dieser Frage verhalten hat, scheint nicht klar, ob Tsipras diese Vereinbarung wirklich halten will.

Er wiederum monierte, dass die türkische Regierung nicht zu dem Treffen eingeladen war. Ohne die Türkei gebe es keine Lösung, so der Griechen-Premier. Da läuft er bei Angela Merkel offene Türen ein, die sich auch viel von der Zusammenarbeit mit Ankara verspricht. Sie räumt aber ein, dass ein Migrationsabkommen noch längere Zeit brauchen werde.

Athen hat schon Olympia-Anlagen für Flüchtlinge genutzt.Bild: Imago

Plan zur kurzfristigen Linderung der Krise

"Die Bilder in den letzten Tagen von der Lage der Flüchtlinge entsprachen nicht den europäischen Werten", kritisierte die Bundeskanzlerin das Verhalten der Länder an der Balkanroute. Sie hoffe, dass nach dem Treffen alle ihre Verantwortung wahrnehmen. Mehr kann auch sie nicht dazu sagen, ob es diesmal anders laufen werde als nach früheren Gipfeln, wo die Teilnehmer nach Hause gingen, um genauso weiter zu machen wir vorher. Wer die Versorgung der Flüchtlinge nicht selbst leisten kann, soll den EU-Zivilschutz-Mechanismus in Anspruch nehmen, bot EU-Kommissionspräsident Juncker an. Dieser soll zumindest Decken und Zelte liefern, und 400 zusätzliche Polizisten sollen umgehend in Slowenien helfen.

Rückführung nach Pakistan und Afghanistan

"Es ging zunächst darum, die Lage kurzfristig zu ordnen", erklärte Angela Merkel am Ende. Mittelfristig hoffe sie auf die verbesserte Aufnahme der Flüchtlinge in Griechenland und auf die Kooperation mit der Türkei. Darüber hinaus müssten abgelehnte Asylbewerber aus asiatischen Ländern wie Bangladesch und Pakistan schneller zurückgeführt werden. Die EU-Kommission solle über ein Rückführungsabkommen mit Afghanistan verhandeln. "Was man jetzt vereinbart hat, löst die Gesamtprobleme nicht", so die Kanzlerin, für eine faire Lastenteilung werde man noch weitere Schritte brauchen. Die EU-Innenminister sollen in zwei Wochen zumindest die jetzigen Vereinbarungen umsetzen.

Angela Merkel hat am Ende nicht sehr viel in der Tasche, mit dem sie zu Hause punkten könnte. "Unsere größte Sorge war", springt ihr Jean-Claude Juncker bei, "dass einige glaubten, dass Deutschland, Schweden und Österreich alle Probleme allein lösen müssten." Von dieser Position seien die Balkanländer jetzt runter, behauptet der EU-Kommissionschef zum Abschluss. Ob die das auch so sehen, wird sich schon in den nächsten Tagen zeigen.

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