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EU-Polen-Beziehungen: Was bedeutet der Wahlsieg Nawrockis?

2. Juni 2025

Der frisch gewählte polnische Präsident Karol Nawrocki gilt als EU-Skeptiker. Welchen Einfluss kann er auf die EU-Politik seines Landes nehmen - und wie schaut Brüssel auf ihn?

Polen Warschau 2025 | Karol Nawrocki
Gewann die Stichwahl um das Präsidentenamt am 1. Juni: Karol NawrockiBild: AFP via Getty Images

Der rechtskonservative Karol Nawrocki hat das Rennen um die polnische Präsidentschaft gemacht. Im Wahlkampf warb Nawrocki mit der Nähe zu US-Präsident Donald Trump und versprach einen "Polen zuerst"-Ansatz. Er ist gegen einen Beitritt der Ukraine zur NATO und gilt als EU-skeptisch. Die denkbar knappe Entscheidung der polnischen Wähler wurde am Montagmorgen bekannt und sorgte für Reaktionen in ganz Europa. 

So gratulierten etliche Staatenlenker dem künftigen polnischen Präsidenten - aus dem politisch rechten Lager etwa die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der ungarische Premier Viktor Orban. Dieser freute sich über einen "fantastischen Sieg" und darauf, die Arbeit in der Visegrad-Gruppe - ein Bündnis aus Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei - zu stärken. Andere Staats- und Regierungschefs, darunter der litauische Präsident Gitanas Nauseda, verwiesen auf gemeinsame Werte. Der französische Präsident Emmanuel Macron möchte sich gemeinsam mit Polen für ein Europa einsetzen, welches "stark, unabhängig und wettbewerbsfähig" sei und die "Rechtsstaatlichkeit respektiert".

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratulierte. Sie sei zuversichtlich, dass die "EU ihre sehr gute Zusammenarbeit mit Polen" fortsetzen werde. Alle seien stärker in einer Gemeinschaft des Friedens, der Demokratie und der Werte, schrieb die Kommissionspräsidentin auf der Plattform X (ehemals Twitter).

 

Nawrocki steht nationalkonservativer PiS-Partei nahe

Karol Nawrocki ist offiziell parteilos, trat aber als Kandidat der nationalkonservativen Ex-Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an. Während ihrer Regierungszeit von 2015 bis 2023 nahm diese Reformen am polnischen Justizwesen vor, die zu einem Dauerstreit mit Brüssel wegen des Vorwurfs des Abbaus der Rechtsstaatlichkeit führten. Dies mündete in einem sogenannten Artikel-7-Verfahren - ein Verfahren wegen des Verstoßes gegen EU-Werte. 

Das Verfahren wurde zwar im vergangenen Jahr beendet, da das Land entsprechende Änderungen in Aussicht stellte. Auch wurden Milliarden an Euro für Polen freigegeben, die wegen Rechtsstaatlichkeitsbedenken eingefroren waren. Viele der Vorhaben scheiterten jedoch am Veto des noch amtierenden Präsidenten Andrzej Duda, der ebenfalls der PiS-Partei nahesteht. Beobachter erwarten, dass sich die Blockadehaltung unter dem künftigen Präsidenten fortsetzen könnte. Auf Spekulationen, welche Auswirkungen das für die EU habe, wollte man sich bei der EU-Kommission nicht einlassen. In dem täglichen Pressebriefing betonte man, zuversichtlich zu sein, dass Polen die Reformen weiter umsetze und dass man das Land dabei unterstütze. 

Neue Spannungen mit EU wegen Rechtsstaatlichkeit?

Der EU-Parlamentarier Daniel Freund befürchtet, dass sich die politische Pattsituation in Polen weiter fortsetzt und fordert von der EU-Kommission, ihren "Fehler" - gemeint ist eine vorschnelle Freigabe der eingefrorenen EU-Gelder - zu korrigieren und weiter Druck auf Polen auszuüben.

Piotr Buras, Leiter des Warschauer Büros des European Council on Foreign Relations (ECFR) in Warschau, sagt im Gespräch mit der DW, dass es für die EU-Kommission auch darauf ankomme, was in Polen tatsächlich passiere. So habe die Regierung unter Donald Tusk dafür gesorgt, dass unrechtmäßige Gesetze nicht mehr angewendet würden und damit die Gründe für das Artikel-7-Verfahren weggefallen seien. Buras hält es für ausgeschlossen, dass es unter der Tusk-Regierung nun zu einer erneuten Eskalation mit der EU-Kommission wegen der Rechtsstaatlichkeit komme.

Das schwierige Erbe der polnischen PIS

04:34

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Auswirkungen auf die EU-Politik Polens

Buras sieht keine direkte Möglichkeit der Einflussnahme auf die EU-Politik Polens durch den neu gewählten Präsidenten. Denn laut polnischer Verfassung sei dies Sache der Regierung, sagt der Politikwissenschaftler.

Der polnische Präsident hat Kompetenzen als Oberbefehlshaber der Streitkräfte, ernennt die Regierung, unterzeichnet internationale Verträge und kann vor allem Gesetze blockieren. Gerade dadurch könnte sich Nawrocki in die EU-Politik der Regierung einmischen, so Buras. Immer dann, wenn EU-Politik in nationales Recht umgesetzt werden müsse, könnte er blockieren und dadurch den Spielraum der Tusk-Regierung einengen, erläutert Buras. Blockaden erwartet er grundsätzlich in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Abtreibung, Migration und Klimapolitik. Gleichzeitig weist der Politologe darauf hin, dass auch die Tusk-Regierung im Bereich Migrations- und Klimapolitik wenig fortschrittlich sei.

EU-Parlament zwischen Skepsis und Freude

Während Manfred Weber, Vorsitzender der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), die Hoffnung äußerte, dass Nawrocki "konstruktiv" zum Wohle Polens mit der polnischen Regierung zusammenarbeite, steckt die polnische Regierung für den Europaabgeordneten René Repasi im "Schlamassel." Der Sozialdemokrat hält Neuwahlen des polnischen Parlaments für nicht unwahrscheinlich, da sich der nationalkonservative Nawrocki und die "fortschrittlichen Vorhaben der Tusk-Regierung" gegenseitig im Weg stünden.

Bei der rechtskonservativen Gruppe der Konservativen und Reformer (EKR-Gruppe), denen auch die PiS-Partei angehört, begrüßt man hingegen den Wahlsieg. Europa müsse eine "Gemeinschaft der freien Nationen bleiben, nicht eine Maschine, die den sich über den Willen der Menschen" hinwegsetze, so der Ko-Vorsitzende Nicola Procaccini.

In der Wahl Nawrockis sieht Politikwissenschaftler Buras jedoch kein allgemeines Votum gegen die EU. Weder die PiS noch Nawrocki hätten jemals einen Austritt aus der Gemeinschaft gefordert. Allerdings, so Buras, sei in Polen die Skepsis über einen Souveränitätsverlust und eine Einmischung in innere Angelegenheit Polens weit verbreitet - und das sei die Stimmung, die sich Nawrocki zu Nutze gemacht habe.