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Politik

EU rechnet mit rapide steigenden Corona-Zahlen

6. März 2020

Die EU-Gesundheitsminister wollen angemessen auf die Epidemie reagieren. Schutzmasken bräuchten nur Ärzte und Pfleger. Nicht "überdramatisieren", meint Gesundheitsminister Jens Spahn. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Coronavirus in Deutschland Mann mit Mundschutz
Bild: Imago Images/photothek/X. Heinl

Was haben Codogno in der Lombardei und Gangelt in Nordrhein-Westfalen gemeinsam? Beide Dörfer sind Epizentren regionaler Ausbrüche von Corona-Infektionen. In beide Regionen sollte man nicht reisen, wenn es nicht unbedingt notwendig sei, mahnte heute der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn nach einer Krisensitzung der EU-Gesundheitsminister in Brüssel. Spahn sprach sich aber, wie alle übrigen Minister, gegen staatliche Reisebeschränkungen in der EU aus. "Nicht notwendige Reisen sollten unterlassen werden, die Freizügigkeit bleibt erhalten", sagte Spahn. Die Grenzen blieben in der EU offen. Auch Einreiseverbote für Drittstaaten brächten aus Sicht der EU-Minister wenig. "Das Virus ist da. Es ist in Europa", stellte der Gesundheitsminister fest.

Spahn: Corona ernst nehmen, aber nicht "überdramatisieren". (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/C. Gatteau

Neue Phase der Epidemie

Jetzt sei nicht mehr Quarantäne für Einreisende wichtig, sondern das Eindämmen der Infektionen und das Verlangsamen der Corona-Ausbreitung. "Die Infektionen breiten sich jetzt innerhalb der Mitgliedsstaaten aus. Die Situation hat sich verändert. Jetzt geht es darum, die Folgen der Epidemie zu begrenzen", sagte der kroatische Gesundheitsminister Vili Beros, der die Krisensitzung in Brüssel leitete. In der EU gebe es jetzt über 4000 Fälle in 24 der 27 Mitgliedsstaaten, sagte die EU-Kommissarin für Gesundheit, Stella Kyriakides. "Wir werden in den nächsten Wochen einen rapiden Anstieg der Fallzahlen sehen", sagte Kyriakides voraus. Dabei ist die Situation in den einzelnen Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich. Italien hat fast 2/3 der Fälle in Europa. Ungarn dagegen hat nach Angaben von Ministerpräsident Viktor Orban zurzeit nur zwei Corona-Kranke, die isoliert seien.

Italiens Universitäten geschlossen: Leerer Hörsaal in der Sapienza-Unversität in RomBild: Reuters/R. Casilli

Angemessene Maßnahmen für jedes Land anders

In Italien ist das Wirtschaftsleben bereits stark beeinträchtigt, Universitäten und Schulen wurden bis Mitte März landesweit geschlossen. Solche drakonischen Maßnahmen hält Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in Deutschland nicht für angemessen. In Deutschland gibt es etwa 600 Corona-Infizierte, die Mehrzahl in NRW und Bayern. Wenn ein Student zum Skifahren in Norditalien gewesen sei und jetzt zurückkehre, sollte der von sich aus sagen, ich gehe jetzt mal nicht in die Universität für 14 Tage. Darauf setzt zumindest Gesundheitsminister Spahn. "Man muss ja nicht gleich die ganze Universität schließen", so Spahn in Brüssel, "sondern man kann den Bürgern (...) sagen, wer in Risikogebieten war, der sollte zuhause bleiben, mal nicht ins Kino gehen und mal nicht am sozialen Leben teilnehmen." Auch die flächendeckende Schließung von Schulen lehnte der Minister ab. Bundesliga-Spiele finden in Deutschland weiter statt, zahlreiche Messen wurden aber schon abgesagt. In Italien finden Fußballspiele ohne Publikum statt. Die Schweiz hatte alle Versammlungen mit mehr als 1000 Personen untersagt. Das Europäische Parlament hat seine Sitzung in Straßburg abgesagt.

Gesichtsmasken sind bei Gesunden wirkungslos, sagen Robert-Koch-Institut und die EU. Trotzdem sind sie fast überall ausverkauft.Bild: Imago/R. Zensen

Keine Masken für gesunde Privatpersonen

Die EU-Gesundheitsminister beschlossen, Atemschutzmasken und Medikamente von der nächsten Woche an gemeinsam einzukaufen und auf ihre Länder zu verteilen. Es kommt zu Lieferengpässen bei Masken und Schutzkleidung, die hauptsächlich in China hergestellt werden. Die EU-Kommission sollte ein europäisches Exportverbot für Atemschutzmasken prüfen, forderte Jens Spahn. Einzelne Staaten haben dies bereits verhängt. Die EU rief gesunde Privatpersonen auf, wegen der Corona-Gefahr keine Masken aufzusetzen und keine Desinfektionsmittel zu benutzen. Die sollten medizinischem Personal und den Erkrankten selbst vorbehalten bleiben, weil sie als Vorsorgemaßnahme sowieso wirkungslos seien.

Lagezentrum der EU in Brüssel: Die Zahl der Infektionen wird noch zunehmenBild: picture-alliance/AP Photo/V. Mayo

Angst vor Corona schädlicher als das Virus selbst?

Die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sagte voraus, dass die Corona-Welle das Leben in der EU in den Bereichen Tourismus, Wirtschaft, Transportwesen und Migration noch viel stärker beeinträchtigen wird. Gleichzeitig warnte Bundesgesundheitsminister Spahn aber vor zu viel Panik. 80 Prozent aller Erkrankungen nähmen schließen einen milden Verlauf, wie auch das europäische Seuchenpräventionszentrum bestätigt. "Die Gefahr durch das Virus ist groß, aber das, was durch die Angst vor dem Virus entsteht in der Gesellschaft, diese Gefahr kann noch größer sein", sagte Jens Spahn.

Corona-Angst in Deutschland: 23 Prozent fürchten eine Ansteckung
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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