Kommission fordert mehr Aufnahme von Flüchtlingen
7. Juli 2014Die Krisen um Europa herum häufen sich: Syrien, Libyen, Westafrika, die Ukraine, in letzter Zeit ist noch der Irak dazugekommen. Jeder einzelne Konflikt erzeugt Flüchtlingsströme. Der Jahresbericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, EASO, erfasst nur das gesamte Jahr 2013, nicht die ersten Monate von 2014 - die lassen aber auf einen weiteren Anstieg schließen. Die Zahlen von 2013 sprechen bereits eine deutliche Sprache: Laut EASO-Direktor Robert Visser haben 2013 "rund 435.000 Menschen in der EU Schutz gesucht, ein Zuwachs von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr." Auch 2012 seien es deutlich mehr gewesen als im Jahr davor.
Asylverfahren werden verwehrt
Dabei tun die europäischen Staaten einiges, um Flüchtlinge von Europa fernzuhalten - vergeblich. Menschen sind bereit, ihr letztes Geld für Schlepper zu geben, die sie entweder über die Grenzen in die EU schmuggeln oder in überfüllten, kaum seetüchtigen Booten übers Meer. Hunderte, wenn nicht Tausende sind dabei in den vergangenen Jahren im Mittelmeer ertrunken. Allein bei einem einzigen tragischen Unfall im Oktober vergangenen Jahres vor der italienischen Insel Lampedusa kamen mehr als 360 Flüchtlinge ums Leben.
Diejenigen, die es doch in die EU schaffen, werden oft schikaniert oder eingesperrt. Der Weg zu einem geordneten Asylverfahren wird ihnen erschwert, wenn nicht ganz verwehrt. Nicht einmal die Hälfte der EU-Staaten erfülle ihre Pflichten bei der Behandlung von Asylbewerbern, so EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. Dabei lautet das vereinbarte europäische Ziel, dass überall die gleichen, menschenwürdigen Bedingungen für Asylbewerber herrschen.
Vorbild Schweden und Deutschland
Die EU-Staaten verstehen unter Vereinheitlichung aber vor allem Abwehr: Sie verstärken den Grenz- und Küstenschutz; sie versuchen, mit den Herkunftsländern zusammenzuarbeiten, damit diese Flüchtlinge zurücknehmen und den Menschenhandel bekämpfen. So sei das nicht gemeint gewesen, klagt die Kommissarin und stellt noch einmal unmissverständlich klar: "Jeder hat das Recht, in jedes beliebige EU-Land zu gehen und um Asyl zu bitten, und jeder hat das Recht auf ein faires Asylverfahren."
Wenn es darum geht, Menschen aus Konfliktgebieten wie Syrien freiwillig aufzunehmen, winkten die meisten Regierungen dagegen ab, sagt Malmström, und lobt gleichzeitig Deutschland und ihr eigenes Herkunftsland Schweden: "Wenn alle Mitgliedsstaaten proportional so viele Flüchtlinge aufnähmen wie diese beiden Länder, könnten wir mindestens 150.000 Flüchtlingen helfen." Heute liegt Europa weit darunter. Zum Vergleich: Allein im kleinen syrischen Nachbarland Libanon leben rund eine Million syrische Flüchtlinge.
Heißes Eisen Flüchtlingspolitik
Weil es praktisch keine legalen Möglichkeiten gibt, in die EU zu kommen, versuchen die Menschen es eben illegal. Dabei sei Europa mit seinen schwachen Geburtenraten und seinem bald einsetzenden Arbeitskräftemangel auf Einwanderer angewiesen, sagt die Kommission. Sie würde deswegen gern auch legale Einreisemöglichkeiten schaffen, beißt bei den Mitgliedsstaaten aber auf Granit. Auch die finanzielle Unterstützung aus Brüsseler Töpfen für die Bewältigung von Flüchtlingsströmen kann wenig helfen, wenn die Staaten nicht wollen.
Die italienische EU-Ratspräsidentschaft will das Thema Flüchtlinge zu einem Hauptthema machen - kein Wunder: Italien ist besonders betroffen. Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi erwartet von den übrigen Regierungen vor allem, dass sie Italien entlasten und mehr Menschen aufnehmen. Diese Forderung ist nicht neu. Seit langem wird diskutiert, Flüchtlinge nach einem Quotensystem zu verteilen. Doch schon jetzt ist klar: In keinem Land, das dann mehr Flüchtlinge aufnehmen müsste, ist man begeistert. Gerade auch die Europawahl, bei der rechte, fremdenfeindliche Parteien stark abgeschnitten haben, hat gezeigt, dass die Asylpolitik und das Thema Flüchtlinge zu den heißesten Eisen der europäischen Politik gehören.