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EU-Reformvertrag auf dem Prüfstand

10. Februar 2009

EU-Kritiker und Bundesregierung streiten vor dem Bundesverfassungsgericht über den EU-Reformvertrag. Die Entscheidung, ob der Vertrag mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wird im Sommer erwartet.

Zweiter Senat des Bundesverfassungsgerichts (Quelle: AP)
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entscheidet über den EU-ReformvertragBild: AP

"Der Vertrag von Lissabon stärkt die demokratischen Grundlagen der Europäischen Union nachdrücklich", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Dienstag (10.02.2009) zum Auftakt der zweitägigen Anhörung in Karlsruhe. Der SPD-Politiker zeigte sich zudem überzeugt, dass der Vertrag die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit einer EU mit 27 oder mehr Mitgliedsstaaten sichere. Das Abkommen stärke auch die demokratischen Grundlagen der Union. Zugleich gewährleiste der Vertrag, dass den Mitgliedsstaaten Aufgaben und Befugnisse von substanziellem Gewicht verblieben.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble verteidigte das Reformprojekt ebenfalls. "Der Vertrag beeinträchtigt die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland nicht", sagte der CDU-Politiker. Die EU-Mitgliedstaaten blieben auch nach Inkrafttreten des Reformvertrags "Herren der Verträge".

Schäuble zitiert Präambel des Grundgesetzes

Innenminister Schäuble (l.) und Außenminister Steinmeier vor dem BundesverfassungsgerichtBild: AP

Schäuble erinnerte daran, dass das Grundgesetz schon in seiner Präambel die Bundesrepublik als "gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa" sehe. Heute könnten viele Herausforderungen nicht mehr auf nationaler Ebene bewältigt werden, sondern nur in Kooperation mit anderen Staaten, betonte der Innenminister.

Auch Vertreter des Bundestages verteidigten den Lissabon-Vertrag in Karlsruhe. Der CDU-Parlamentarier Gunther Krichbaum sagte, 90 Prozent der Abgeordneten seien nach intensiven Beratungen zu der Überzeugung gelangt, dass der Vertrag verfassungsrechtlichen Vorgaben entspreche. Durch ihn werde die EU demokratischer und handlungsfähiger.

Kläger sehen Demokratiedefizit

Peter Gauweiler (CSU)Bild: AP

Gegen den Vertrag haben unter anderen der CSU-Politiker Peter Gauweiler, die Fraktion der Linkspartei im Bundestag und eine Gruppe um den Ex-Europaparlamentarier Franz Ludwig Graf von Stauffenberg (CSU) geklagt.

Gauweilers Prozess-Vertreter Dietrich Murswiek sprach von einem Einschnitt in der Geschichte der europäischen Integration. Die EU verwandele sich in eine staatsähnliche Konstruktion. Zugleich würden die Gesetzgebungskompetenzen des Bundestages beschnitten und das Demokratiedefizit in der EU werde noch größer. "Das EU-Parlament ist weit davon entfernt, ein demokratisch gewähltes Parlament zu sein." Zudem sei der Vertrag ein "unlesbares Monstrum", dessen Inhalt nur wenige Experten, nicht aber das Volk verstehen könnten, kritisierte Murswiek.

Lafontaine: Rechte des Bundestags verletzt

Linksfraktionschef Oskar Lafontaine sagte, das Grundgesetz und der Vertrag von Lissabon seien nicht vereinbar. Zudem gebe der Bundestag das Recht ab, über Bundeswehreinsätze zu entscheiden. Lafontaine kritisierte die Wirtschaftsordnung der EU, die in dem Reformwerk anders als im deutschen Grundgesetz vorgeschrieben sei.

Nach den Worten von Markus Kerber, des Prozessbevollmächtigten Stauffenbergs, haben die EU-Institutionen seit den 90er Jahren einen Prozess der Machtkonzentration durchlaufen. Die EU-Kommission habe sich zur "Hydra" entwickelt - zu einem nicht mehr steuerbaren und nicht mehr kontrollierbaren Organismus.

Kritische Fragen des Gerichts

Bei der Anhörung in Karlsruhe ließen mehrere der acht Richter des Zweiten Senats überraschend deutlich Zweifel am EU-Reformvertrag durchblicken. So warf Verfassungsrichter Udo Di Fabio, die Frage auf, ob die Übertragung von Kompetenzen an die EU für die Bürger wirklich mehr Freiheit bedeute oder sie nicht vielleicht sogar gefährde.

Der Lissabon-Vertrag soll die bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheiterte EU-Verfassung ersetzen. Das Abkommen soll unter anderem Entscheidungen beschleunigen und die Union demokratischer machen. So erleichtert es etwa Mehrheitsentscheidungen im EU-Ministerrat und räumt dem Europaparlament mehr Mitsprache ein.

In Deutschland haben zwar Bundestag und Bundesrat dem Abkommen bereits zugestimmt. Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnete aber wegen der Klagen in Karlsruhe die Ratifikationsurkunde noch nicht. (wl/hr)

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