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Politik

EU-Regierungschefs feilen am künftigen Kurs

9. Mai 2019

Zwei Wochen vor der Europawahl kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel im rumänischen Sibiu zusammen. Dabei wollen sie angesichts des Gezerres um den Brexit vor allem Geschlossenheit zeigen.

EU Gipfel in Sibiu Symbolbild Rathaus mit EU Dekoration vor dem Gipfel
Bild: Getty Images/L. Marin

Der Streit um den geplanten EU-Austritt Großbritanniens hat den Reformeifer der Europäischen Union ausgebremst. Dennoch oder gerade deswegen liegen auf dem Gipfeltreffen in Sibiu (Hermannstadt) in Rumänien eine Menge Ideen zur Erneuerung auf dem Tisch. Gleich zu Beginn beschlossen die Gipfelteilnehmer eine Erklärung zu Grundwerten und Prinzipien für die künftige Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Die EU-Staats- und Regierungschefs betonten in der "Erklärung von Sibiu", sie wollten "vereint durch dick und dünn gehen" und sich "in Notzeiten untereinander solidarisch zeigen". Sie bekennen sich darin zur engen und fairen Zusammenarbeit sowie einer stärkeren Rolle für Europa auf der Weltbühne. Die Erklärung betont zudem die Wichtigkeit von Grundwerten wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Fairness etwa auf dem Arbeitsmarkt.

Zudem soll in Sibiu die "strategische Agenda" für die nächsten fünf Jahre erörtert werden. Dazu hat die EU-Kommission eine Liste mit Herausforderungen vorgelegt, die von Migration über Digitalisierung und Wirtschaftspolitik bis zum Umweltschutz reichen. Die 27 EU-Regierungen wollen die Agenda erst auf dem EU-Gipfel Ende Juni beschließen und zuvor in Sibiu mit der Gipfelerklärung vor allem Einheit demonstrieren. 

Merkel mahnt zur Einigkeit

Die EU müsse geeint auftreten, um sich gegen innere und äußere Herausforderungen zu behaupten, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Auftakt. Die Welt schläft nicht. Wir müssen innovativ sein, wir müssen stark sein, wir müssen geeint sein."

Angela Merkel auf dem Weg zu dem Gipfeltreffen in SibiuBild: Reuters/F. Lenoir

An dem Treffen nehmen die 27 Mitgliedstaaten ohne Großbritannien teil. Das Vereinigte Königreich hätte eigentlich schon Ende März aus der EU austreten sollen. Bisher gibt es aber keine Mehrheit im britischen Unterhaus für das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen. Der Austrittstermin wurde deshalb auf spätestens Ende Oktober verschoben.

Viele Reformideen

Etliche Teilnehmer reisen mit Forderungen nach Reformen an, so etwa der österreichische Kanzler Sebastian Kurz, der schnellere Entscheidungen, eine kleinere EU-Kommission und eine Überarbeitung der EU-Verträge fordert. Am Morgen schrieb Kurz auf Twitter: "Die EU braucht einen Generationswechsel und einen neuen zeitgemäßen EU-Vertrag." Und fügte hinzu: "Wir müssen uns auf klare Spielregeln einigen, damit die EU auch im 21. Jahrhundert weiterhin erfolgreich bestehen kann."

Auch der französische Präsident Emmanuel Macron verfolgt weiter den Umbau der EU und dringt gemeinsam mit sieben anderen Ländern auf ehrgeizigere Ziele im Klimaschutz.

Der SPD-Europapolitiker Jo Leinen forderte, die EU über eine Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzips handlungsfähiger zu machen. Europa müsse mit einer Stimme sprechen und dürfe sich nicht durch die Politik der Großmächte USA, China und Russland spalten lassen, erklärte Leinen. Angesichts von Herausforderungen wie Klimaschutz, Migration oder einem unfairen Welthandel könne sich "die EU andauernde Blockaden einzelner Mitgliedstaaten nicht mehr leisten".

Wahlaufruf der Staatschefs

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und 20 weitere Staatschefs der EU verweisen in einem gemeinsamen Appell auf den Stellenwert der anstehenden Wahl. Gemeinsam rufen sie die Bürger zur Teilnahme auf und fordern zudem "eine starke, handlungsfähige EU mit gemeinsamen Institutionen", wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet.

Auch die deutsche Wirtschaft fordert zur Teilnahme an der Europawahl auf. In einer gemeinsamen Erklärung des Industrieverbands BDI, der Arbeitgebervereinigung BDA und des Deutschen Industrie- und Handelskammertags DIHK heißt es, alle Bürger seien aufgerufen, "von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen", wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Die Europäische Union stehe für fast 70 Jahre Frieden, erklären die Wirtschaftsvertreter weiter. Deswegen setze man sich "mit großer Leidenschaft" für die europäische Integration und die Beteiligung an der Europawahl ein.

Kommissionschef gesucht

Bei dem Gipfel unter rumänischer Ratspräsidentschaft dürfte auch die Frage des künftigen Personaltableaus der EU eine Rolle spielen. Das Europäische Parlament und der EU-Rat müssen sich nach den Europawahlen vom 23. bis 26. Mai auf einen neuen EU-Kommissionspräsidenten einigen. Daher dürfte der Gipfel auch über das Verfahren zur Bestimmung des Präsidenten diskutieren.

Nach der letzten Europawahl von 2014 war mit dem Luxemburger Jean-Claude Juncker erstmals ein "Spitzenkandidat" einer Partei Kommissionschef geworden. Das EU-Parlament will dieses Verfahren beibehalten. Die Mitgliedstaaten behalten sich aber vor, auch andere Kandidaten vorzuschlagen. Als Spitzenkandidat der konservativen Europäischen Volkspartei rechnet sich diesmal der CSU-Politiker Manfred Weber Chancen für den Topposten aus. Die Europawahl findet vom 23. bis zum 26. Mai statt. In Deutschland wird am 26. Mai gewählt.

kle/hk (dpa, rtr, afp)