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Politik

EU sagt den Briten traurig "Bye-Bye"

25. November 2018

Die Europäische Union und Großbritannien haben einen Scheidungsvertrag geschlossen. Kanzlerin Merkel hält das für ein "diplomatisches Kunststück". Premierministerin May will kämpfen. Aus Brüssel Bernd Riegert.

EU-Sondergipfel zum Brexit in Brüssel
Bild: Reuters/O. Hoslet

EU billigt Brexit-Deal

02:32

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"Das ist ein trauriger Tag", sagte der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, beim nur zwei Stunden kurzen Sondergipfel der 27 EU-Staaten mit der britischen Premierministerin Theresa May. "Wenn ein Land die Union verlässt, ist das kein Grund zum Jubeln. Es ist eine Tragödie."

Das Abkommen zum Austritt der Briten aus der EU nach 46 Jahren Mitgliedschaft und eine Erklärung zu den künftigen Beziehungen wurden einstimmig gebilligt. Feierlaune kam nach 21 Monaten zäher Verhandlungen aber nicht auf. "Es ging nicht darum, wer gewonnen oder verloren hat", sagte der Gastgeber des Gipfels, Ratspräsident Donald Tusk, schon vor dem Treffen im Brüsseler Europa-Gebäude. "Es ist nicht die Zeit für Champagner. Eine Scheidung ist nie einfach, wie viele von Ihnen wissen", ergänzte Jean-Claude Juncker.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach in ihrer Pressekonferenz nach dem Treffen von einem historischen Tag, der sehr zwiespältige Gefühle auslöse. "Es herrscht Trauer, aber auch eine gewisse Erleichterung." Es sei schließlich ein beispielloses "diplomatisches Kunststück" gelungen, weil die Interessen aller Seiten berücksichtigt werden konnten. Donald Tusk sagte, die Freundschaft mit Großbritannien werde auch nach der Scheidung nicht enden. "Wir bleiben Freunde bis an das Ende aller Tage, und noch einen Tag darüber hinaus."

Einig über den Austritt: Ratspräsident Tusk und Premierministerin MayBild: Reuters/O. Hoslet

May gibt sich kämpferisch

Diese traurige Grundstimmung kann die britische Premierministerin Theresa May nicht nachempfinden. "Wir entfesseln jetzt eine große Zukunft außerhalb der Europäischen Union", versprach sie den Briten, die zuhause ihre Pressekonferenz live verfolgen konnten. "Ich wende mich direkt an Sie", sagte May und versprach vorteilhafte Handelsabkommen rund um den Globus. "Wir werden die Kontrolle zurück erlangen". Noch vor Weihnachten werde das britische Parlament abstimmen. Bis dahin werde es eine "entscheidende nationale Debatte geben", in der sie alles geben werde. Der Premierministerin ist durchaus bewusst, dass es zuhause beißende Kritik an dem Scheidungsvertrag mit der EU gibt. Nachverhandlungen werde es aber nicht geben. "Dies ist der beste Deal. Und der einzig mögliche." Auf die Frage, ob sie im Falle einer Niederlage im Parlament zurücktreten werde, geht Theresa May nicht ein. "Es geht hier nicht um mich."

Premierministerin May verspricht eine rosige Zukunft: Milliarden für das Gesundsheitswesen und die BauernBild: Getty Images/S. Gallup

Dabei bleiben wäre besser

"Am besten für Irland und auch für Großbritannien wäre es, wenn sie in der EU, im Binnenmarkt und in der Zollunion blieben", sagte der irische Ministerpräsident Leo Varadkar, dessen Staat als einziger eine Landgrenze zum Vereinigten Königreich - das "Drittland" ist - haben wird. "Das Abkommen ermöglicht es, in einer Übergangsphase einen neuen Vertrag zwischen der EU und Großbritannien auszuhandeln. Wenn das nicht erfolgreich sein sollte, gibt es eine Rückfallposition, einen 'Backstop', der den reibungslosen Warenverkehr zwischen Irland und Nordirland ermöglicht", so Varadkar.

Um diesen "Backstop" war monatelang gerungen worden. Die Hardliner in der konservativen Partei von Premierministerin May lehnen die Regelung ab, weil das Vereinigte Königreich damit theoretisch auf unbestimmte Zeit in einer Zollunion an die EU gekoppelt bleiben könnte.

Verhandeln bis Ende 2020

Insgesamt ermöglichen der Scheidungsvertrag und die politische Erklärung einen geordneten Rückzug der Briten aus der EU. Ein sogenannter harter Brexit mit chaotischen Folgen für die Wirtschaft und den Reiseverkehr zwischen der Insel und dem Kontinent können vermieden werden. Die Lösung der Probleme, also ein künftiges Handels- und Kooperationsabkommen, sei allerdings nur auf Ende 2020 vertagt worden, meinen skeptische EU-Diplomaten. Unmittelbar nach dem Brexit am 29. März 2019 sollen deshalb die Verhandlungen zwischen der EU und dem ehemaligen Mitglied Großbritannien über einen Pakt für die Zukunft beginnen.

Werden die Parteien nicht bis zum Sommer 2020 fertig, kann die Übergangsphase einmalig um ein oder zwei Jahre verlängert werden. "Die Übereinkunft heute ist nur ein weiterer notwendiger Schritt auf einem bislang beispiellosen Weg, um Vertrauen aufzubauen",  mahnte der vorsichtige EU-Brexit-Unterhändler Michel Barnier.

Wesentlich schneller soll ein Abkommen über die Fischerei in britischen Hoheitsgewässern abgeschlossen werden. Darauf hatte das Nachbarland Frankreich gedrängt. Alle Regelungen, die den britischen Felsen Gibraltar am Südzipfel Spaniens betreffen, sollen eng mit Spanien abgestimmt werden. Diesem Wunsch der spanischen Regierung wurde in letzter Minute noch entsprochen.

Bundeskanzler Merkel: Sehr zwiespältige GefühleBild: AFP/Getty Images/E. Dunand

Zustimmung des britischen Parlaments ungewiss

Die Frage, die über diesem Exit-Gipfel hing und von allen Journalisten gestellt, aber von niemanden so richtig beantwortet wurde, lautet: Was passiert, wenn das britische Parlament Anfang Dezember den Scheidungsvertrag mit der EU ablehnt? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, denn die britische Premierministerin Theresa May hätte nach heutiger Zählung keine Mehrheit im Unterhaus. Ihr Koalitionspartner, die nordirische Unionisten-Partei (DUP), lehnt das heute bestätigte Abkommen ab. Die DUP droht sogar mit dem Ende der von ihr geduldeten Regierung von Theresa May.

Auf die Frage, wie die EU reagieren würde, falls das Abkommen durchfällt, antwortete EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit dem vielsagenden Satz: "Wenn der Esel eine Katze wäre, würde er den ganzen Tag in der Baumkrone sitzen." Dies sei der einzig mögliche Deal. Nachverhandlungen seien nicht vorgesehen, so Juncker.

Der Premierminister von Luxemburg, Xavier Bettel, wurde da schon etwas konkreter. Wenn das Unterhaus Nein sagen sollte, sähe er drei Möglichkeiten: ein neues Referendum, Neuwahlen oder das Verlangen weiter zu verhandeln. 

Einige EU-Diplomaten, die mit den Brexit-Verhandlungen vertraut sind, sehen das nicht ganz so strikt. "Natürlich würde die EU bis zur letzten Minute irgendwie weiterverhandeln, denn wir wollen am Ende nicht Schuld sein, wenn es zu einem harten Brexit ganz ohne Abkommen käme", meinte ein EU-Diplomat. "Die Briten sagen, wenn es vorbei ist."

Tajani nutzt Gunst der Stunde

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, kündigte an, dass das Parlament über den Brexit-Deal im Januar abstimmen wird. Dessen Zustimmung mit einfacher Mehrheit ist notwendig.

Mehr Aufmerksamkeit noch als mit dieser Botschaft erregte der konservative Tajani mit seinem klaren Bekenntnis zum "Welttag gegen Gewalt gegen Frauen": Während seiner Pressekonferenz malte er sich mit einem knallroten Lippenstift einen Bogen unter sein linkes Auge.

EU-Parlamentspräsident Tajani zeigt Solidarität mit Frauen: Roter Strich unter dem AugeBild: picture alliance/AP Photo/O. Matthys

Nächste Krise: Italien

Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte gab nach dem Brexit-Deal schon einmal einen Vorgeschmack auf die nächste Krise, die die EU erwartet. Conte hatte von EU-Kommissionspräsident Juncker mehr Zeit und Verhandlungen verlangt, um den Haushaltsstreit mit Brüssel beizulegen. Die EU-Kommission hat den Haushaltsentwurf der populistischen Regierung in Rom zurückgewiesen. In den nächsten Wochen soll ein förmliches Strafverfahren gegen Italien eröffnet werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kommentierte den Streit so: "Wir vertrauen der EU-Kommission und hoffen auf einen guten Ausgang."

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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