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Politik

EU liefert weniger Waffen in die Türkei

14. Oktober 2019

Deutschland und einige andere Staaten wollen künftig keine Lieferverträge mehr mit der Türkei abschließen, um so gegen den Einmarsch in Syrien zu protestieren. Wird das Wirkung haben? Bernd Riegert aus Luxemburg.

Luxemburg | Pressestatement vor dem Ratsgebäude der EU in Luxemburg
Außenminister berieten im Ratsgebäude in Luxemburg: Minister Maas vor der PresseBild: DW/B. Riegert

Die Außenminister der Europäischen Union kritisieren die militärische Offensive der Türkei in den kurdischen Gebieten in Syrien scharf und verlangen ein Ende der Operation. Doch den starken Worten lassen die Außenminister notgedrungen nur schwache Taten folgen. In Luxemburg einigte sich die EU lediglich darauf, Waffenexporte "einiger EU-Staaten" in die Türkei künftig zu unterbinden. "Die Haltung aller Staaten ist, dass man diesen Krieg nicht unterstützen will und deshalb auch keine Waffen zur Verfügung stellen kann", sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas.

Der Beschluss stellt rechtlich aber kein Waffenembargo da. "Das würde zu lange dauern", erklärten EU-Diplomaten. So lasse sich das Ganze von den betroffenen Mitgliedsstaaten sofort umsetzen. Auf wirtschaftliche Sanktionen konnten sich die EU-Mitgliedsstaaten nicht einigen - anders als US-Präsident Donald Trump, der ankündigte, er wolle die Türkei wirtschaftlich vernichten. Allerdings hatte Trump die Invasion der Türkei durch den Rückzug seiner Truppen erst möglich gemacht.

Ausrüstung für den NATO-Partner aus den USA: Türkische Einheit in amerikanischen M-60-Panzern in SyrienBild: AFP/A. Tammawi

Weitere Maßnahmen nicht ausgeschlossen

Gefragt, ob sie die Haltung der USA verurteile, sagte die scheidende EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini: "Ich verurteile nie." Dazu machte sie eine abfällige Geste, zuckte mit den Schultern und lächelte vielsagend. Das sollte wohl heißen, dass auch sie den plötzlichen Kurswechsel der USA gegenüber den Kurden in Syrien nicht verstanden hat oder unterstützen kann.

Frankreich hatte im Vorfeld des Treffens in Luxemburgs laut über Sanktionen nachgedacht, doch davon wollte die Mehrheit der EU-Außenminister noch nichts wissen. "Es ist wichtig, mit der Türkei im Dialog zu bleiben, um auf sie einwirken zu können. Wenn das keinen Erfolg hat, wird man sich weitere Maßnahmen vorbehalten müssen", sagte Bundesaußenminister Maas. Was diese "weiteren Maßnahmen" sein könnten, ließ er offen. Wirtschaftlich ist die Türkei eng mit der EU verflochten. Die EU ist für die Türkei der größte Absatzmarkt. Die meisten Investitionen kommen aus EU-Staaten und die Europäer stellen trotz vieler Krisen immer noch die größte Gruppe der Touristen, die in die Türkei reisen.

Heiko Maas: Wenn das nicht wirkt, dann andere "Maßnahmen"Bild: DW/B. Riegert

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wies Kritik an seinem Vorgehen zurück. Er werde die Militärintervention in Syrien auf jeden Fall fortsetzen, egal was andere Staaten dazu sagten. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte davor, das NATO-Mitglied Türkei völlig zu isolieren. Dazu sei die Türkei geopolitisch zu wichtig, meinte Stoltenberg bei einem Besuch in London. 

Nicht hinnehmbar

Die EU ist wiederum auf Zusammenarbeit mit der Türkei angewiesen, um Migranten und Flüchtlinge an der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland zu hindern. Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu sagte vor zwei Tagen in einem Interview mit der DW, der Flüchtlings-Deal könne aufgekündigt werden, falls die EU nicht bei der Umsiedlung von Flüchtlingen in die eroberten Gebiete in Nordsyrien helfe. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn weist, wie viele andere Minister auch, solche Drohungen zurück. "Respekt für die Türkei, was sie gemacht hat mit den syrischen Flüchtlingen", sagte Jean Asselborn in Luxemburg. "Aber jetzt diese Drohung, diese Erpressung, das ist eines Landes, das den Status eines Beitrittskandidaten hat, nicht würdig." Asselborn erinnerte daran, dass die Türkei rein formal noch mit der EU über einen Beitritt verhandelt und außerdem auch Mitglied der Verteidigungsallianz NATO ist.

Jean Asselborn: EU kann nicht viel machenBild: DW/B. Riegert

Die Beitrittsverhandlungen sind aber seit Jahren unterbrochen, weil sich Präsident Recep Tayyip Erdogan mehr und mehr zu einem autokratischen Herrscher entwickelt hat. Die sogenannten "Vor-Beitrittshilfen" - Gelder zur Angleichung der Gesellschaft an EU-Normen - seien schon deutlich heruntergefahren, sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn. Die Mittel, die heute noch gezahlt würden, flössen hauptsächlich an die Zivilgesellschaft und private Hilfsorganisationen. Hier hätten die EU-Minister also kein adäquates Druckmittel zur Hand. Von 2018 bis 2020 sollten immerhin noch 1,8 Milliarden Euro überwiesen werden.

EU kann die Türkei nicht alleine stoppen

Die Waffenlieferungen an den NATO-Partner Türkei ganz zu stoppen, sei aber eher ein symbolischer Akt, meinen EU-Diplomaten. Deutschland, Frankreich, Schweden, die Niederlande und Finnland wollten zwar nicht mehr liefern, so Asselborn, aber der türkische Präsident Erdogan "bekommt seine Waffen nicht aus diesen Ländern. Das muss man auch ganz klar sehen." Deutschland zum Beispiel exportiert Marine-Ausrüstung in die Türkei, also Waffen, die im Krieg um die Kurdengebiete keine Rolle spielen.

Die EU-Minister waren sich bei der politischen Beurteilung der türkischen Invasion einig. Sie gefährde den mühsamen Friedensprozess in Syrien, weil sich jetzt neue Allianzen zwischen Kurden und dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad bildeten. Die Freisetzung von möglicherweise Hunderten von Kämpfern des besiegt geglaubten "Islamischen Staates" bereite "große Sorge", so der EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn. Aber beim Wiedererstarken der islamistischen Terroristen könne man nur zusehen. "Wir sind nicht militärisch engagiert, und wir haben auch nicht vor, uns militärisch zu engagieren", sagte Hahn.

Mit dem Wort Ohnmacht solle man in der Politik vorsichtig sein, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. "Wir sind hier als Europäer nicht im Stande, dies zu stoppen." Die USA und Russland hätten dem türkischen Präsidenten offenbar in Telefongesprächen sein militärisches Handeln erlaubt. Da könne man als EU nur abwarten. Der künftige EU-Außenbeauftragte und noch amtierende spanische Außenminister Josep Borrell hatte im Europäischen Parlament noch eine "Sprache der Macht" für die EU gefordert. Davon ist im Moment gegenüber der Türkei nicht viel zu hören.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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