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EU-Staaten billigen Handelsvertrag mit London

28. Dezember 2020

Das Post-Brexit-Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU kann am 1. Januar vorläufig in Kraft treten. Die Botschafter der 27 EU-Länder gaben grünes Licht.

Symbolbild Brexit | Europäische Kommission in Brüssel
Die Fahnen Großbritanniens und der EU in BrüsselBild: Getty Images/AFP/E. Dunand

Ein Sprecher der deutschen EU-Ratspräsidentschaft teilte mit, die Botschafter der 27 Mitgliedsländer hätten bei einem Treffen in Brüssel einstimmig für die provisorische Anwendung des Abkommens für die Zeit nach dem Brexit votiert. Kurz zuvor hatte auch das Bundeskabinett in Berlin der Vereinbarung zwischen der EU und Großbritannien zugestimmt.

Auf den Vertrag hatten sich beide Seiten am 24. Dezember nach langem Ringen verständigt. Die Zustimmung der Regierungen der EU-Staaten ist Voraussetzung dafür, das Abkommen vorläufig in Kraft zu setzen. Der Ratsbeschluss könne am Dienstag im schriftlichen Verfahren getroffen werden, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Auf dieser Basis könne das Abkommen für die vorläufige Anwendung unterzeichnet werden.

Frankreich bleibt wachsam

Eine Sprecherin der Bundesregierung bezeichnete das Abkommen in Berlin als "gutes Ergebnis" der Post-Brexit-Verhandlungen. Das Kabinett sei sich in der "positiven Würdigung" der Vereinbarungen einig gewesen. Das Abkommen könne am 1. Januar in Kraft treten, betonte auch die französische Präsidentschaft. Frankreich werde vom "ersten Tag an sehr wachsam sein, dass es korrekt umgesetzt wird". Der britische Premierminister Boris Johnson bezeichnete das Abkommen als einen neuen "Ausgangspunkt" für die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien.

Für einen regulären Ratifizierungsprozess auch unter Einbeziehung des EU-Parlaments reicht die Zeit bis zum Jahresende nicht mehr aus. Daher sollen die vereinbarten Regeln zunächst bis zum 28. Februar provisorisch angewandt werden. Bevor das Abkommen offiziell in Kraft treten kann, muss es auch von den Abgeordneten des EU-Parlamentsangenommen werden.

Bei einer virtuellen Konferenz der Fraktionsvorsitzenden des EU-Parlaments mit EU-Chefunterhändler Michel Barnier und von der Leyen am Montagmorgen ging es nach Angaben aus Parlamentskreisen auch um die Frage, ob die vorläufige Anwendung des Abkommens unter Umständen verlängert werden könnte. Die Abgeordneten wünschen sich mehr Zeit zur Prüfung des fast 1300 Seiten umfassenden Vertragstexts.

Doch noch ein Aufschub?

Die Fraktionsvorsitzenden plädierten für einen Aufschub um einige Wochen bis Mitte März oder April. Sollte London dies ablehnen, werde für den 23. Februar eine Sondersitzung anberaumt, hieß es aus Parlamentskreisen. "Der Dialog mit dem Europäischen Parlament wird fortgesetzt", betonte EU-Chefunterhändler Michel Barnier nach der Konferenzschalte auf Twitter. Es habe einen "fruchtbaren Austausch" mit den Fraktionsvorsitzenden gegeben.

Das britische Parlament soll in einer Sondersitzung am Mittwoch über den Vertrag abstimmen. Eine Billigung durch die Abgeordneten gilt als sicher, nachdem die oppositionelle Labour-Partei bereits angekündigt hat, dem Abkommen zuzustimmen.

Was steht im Post-Brexit-Abkommen?

Das mühsam ausgehandelte Handels- und Partnerschaftsabkommen soll die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Insel und dem Kontinent ab Januar 2021 regeln. Wichtigster Punkt ist, Zölle zu vermeiden und möglichst reibungslosen Handel zu sichern. Der Vertrag umfasst aber auch die soziale Absicherung von Bürgern beider Seiten, den Fischfang sowie die Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz, Polizei und vielen anderen Themen.

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Das Abkommen soll zudem einen harten wirtschaftlichen Bruch vermeiden. Gleichwohl werden die Beziehungen beider Seiten künftig weit weniger eng sein als bisher. So werden trotz Vertrags an den Grenzen Warenkontrollen nötig, unter anderem, weil Nachweise für die Einhaltung von Lebensmittel- und Produktstandards erbracht werden müssen.

Streit um Fische geht weiter

Britische Fischer fühlen sich bei dem Brexit-Deal von Premierminister Boris Johnson betrogen. "Boris Johnson hat uns die Rechte an allen Fischen versprochen, die in unserer exklusiven Wirtschaftszone schwimmen, aber wir haben nur einen Bruchteil davon erhalten», sagte der Chef des nationalen Verbunds der Fischereiorganisationen (NFFO), Andrew Locker, dem Sender BBC Radio 4. "Ich bin wütend, enttäuscht und fühle mich betrogen." Britische Fischer müssten nun schwer kämpfen, um ihre Existenz zu erhalten.

Der britische Staatsminister Michael Gove widersprach. Großbritannien werde vielmehr in einer viel stärkeren Position als in der EU sein, sagte Gove dem Sender. Unter der gemeinsamen Fischereipolitik der EU hätten britische Fischer nur Zugang zu 50 Prozent der Fische in britischen Gewässern gehabt. Diese Zahl steige nun bis 2026 auf zwei Drittel, sagte Gove. Besonders Frankreich hatte während der Verhandlungen lange auf den Schutz seiner Fischer gedrungen und zeigte sich nun zufrieden. Aus dem Élyséepalast hieß es, dass Frankreich seine und die europäischen Interessen mit Entschlossenheit bis zum Ende verteidigt habe.

Die Fischerei war bis zuletzt einer der härtesten Streitpunkte gewesen. Vereinbart wurde letztlich, dass die EU in einer Übergangsphase von fünfeinhalb Jahren schrittweise auf 25 Prozent ihrer bisherigen Fangquote in britischen Gewässern verzichtet, gemessen am Wert des Fischs. Sollte London den Zugang später weiter beschneiden, könnte Brüssel mit Zöllen antworten. Beobachter werteten die Vereinbarung als großes Zugeständnis Londons.

kle/cw (afp, dpa)

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