1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

EU stellt Finanzhilfen für Tansania infrage

Silja Fröhlich ch
18. November 2018

"Rosa Listen" mit Namen angeblicher Homosexueller, Schulverbot für schwangere Schülerinnen - Tansanias Regierung agiert immer restriktiver. Die EU droht den Geldhahn für das ostafrikanische Land zuzudrehen.

Tansania Schülerinnen
Bild: picture-alliance/dpa/K.-U. Wärner

"Die EU und ihre Mitgliedsstaaten sind besorgt über die gegenwärtigen politischen Entwicklungen in Tansania." Mit diesen Worten kündigte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini an, die finanziellen Hilfen der EU für das ostafrikanische Land zu überprüfen. Sie verwies auf den wachsenden Druck, den die Regierung von Präsident John Magufuli auf zivilgesellschaftliche Organisationen, Medien, politische Parteien und auf Homosexuelle, Transgender und andere Minderheiten ausübt.

Mit mehr als 100 Millionen Euro Hilfsgeldern pro Jahr ist die Europäische Union der größte Entwicklungspartner Tansanias. Weitere Geldgeber wie Dänemark oder die Weltbank haben millionenschwere Zuwendungen schon gestoppt.

Vom "Bulldozer" gegen Korruption zum zunehmend autokratisch Regierenden: Präsident MagufuliBild: DW/S. Khamis

Der einst als Hoffnungsträger im Kampf gegen Korruption gefeierte Magufuli geht immer restriktiver gegen seine Landsleute vor. Homosexuellen drohen Gefängnisstrafen bis zu 30 Jahren, Journalisten werden verhaftet. Erst kürzlich bestätigte die Politik die geltende Praxis, Mädchen vom Unterricht an staatlichen Grund- und Sekundarschulen auszuschließen, wenn sie schwanger sind.

Seit September gilt es auch als Verbrechen, offizielle Statistiken infrage zu stellen. Heftige Kritik der Weltbank am entsprechenden Gesetz folgte. Es untergrabe die Erstellung nützlicher, hochwertiger Daten. Schließlich wird auf deren Grundlage unter anderem über die Vergabe von Krediten entschieden.

Dänemark hat bereits angekündigt, Hilfsgelder in Höhe von knapp neun Millionen Euro einzufrieren. Das Land ist zweitgrößter Geldgeber Tansanias. In Kopenhagen sei man besorgt über die Menschenrechtsverletzungen und "inakzeptable homophobe Kommentare" eines Regierungsbeamten.

Von der Natur begünstigt - da männliche Schüler nicht schwanger werden, droht ihnen kein Schulverweis in TansaniaBild: DW/E. Boniphace

Paul Makonda, Verwaltungschef der Millionenmetropole Daressalam hatte nach einer Razzia gegen Homosexuelle erklärt: "Den Menschenrechtsverfechtern und anderen aus den Ländern, in denen Homosexualität legal ist, sei gesagt: Unsere Nation hat eigene Normen, Gesetze, eine Verfassung. Haltet Euch raus, wenn wir unsere Entscheidungen treffen. Wenn ihr meint, man habe ein Recht darauf, schwul zu sein, dann holt diese Leute in eure jeweiligen Länder. Die Nationen, die meinen, Homosexualität sei legal, fordere ich auf zu verstehen: In Daressalam schwul zu sein, ist nicht ein Recht, es ist ein Verbrechen."

Kein Unterricht für Schwangere

Nicht nur Dänemark hält seine Zahlungen an Tansania zurück, auch die Weltbank gibt einen zugesagten Bildungskredit in Höhe von knapp 260 Millionen Euro erst einmal nicht aus. Das Geld ist Teil eines Hilfspaketes von fast 450 Millionen Euro, das die Bank 2018 gebilligt hatte und das im Oktober freigegeben werden sollte.

Die Gelder sollten den Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Sekundarschulbildung verbessern. In einem offiziellen Statement sagte ein Sprecher der Bank: "Die Weltbank unterstützt Maßnahmen, die die Bildung von Mädchen fördern und ihnen ermöglichen, so lange an einer Schule zu lernen, bis sie ihr volles Potenzial ausgeschöpft haben.

Mädchen mit abgeschlossener Schulbildung bedeuten für ihre Gesellschaften wirtschaftlich wie sozial einen sehr hohen Mehrwert - sowohl für die heutigen wie auch für künftige Generationen."

"In Daressalam schwul zu sein, ist nicht ein Recht, es ist ein Verbrechen" - umstrittener Politiker Paul MakondaBild: DW/S. Khamis

Trotz eingefrorener Hilfen bleibt die Weltbank aber offenbar gesprächsbereit. "In Zusammenarbeit mit unseren Partnern wird die Weltbank den Dialog mit der tansanischen Regierung fortsetzen und sich weiterhin für den Zugang von Mädchen zu Bildung einsetzen", so der Sprecher.

Das Schulverbot für schwangere Teenager stammt aus dem Jahr 1961. Seit dem Amtsantritt von Präsident John Magufuli im Jahr 2015 wurde es weiter verschärft. Demnach dürfen die jugendlichen Mütter auch nach der Geburt nicht wieder in den Unterricht zurückkehren.

Einige Schulen haben sogar verpflichtende Schwangerschaftstests für Mädchen eingeführt, um sicherzustellen, dass die Vorgaben eingehalten werden.

Das US-amerikanische "Center for Reproductive Rights" ging 2013 von 8000 betroffenen Mädchen pro Jahr aus. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch machte 2017 die diskriminierende Politik dafür verantwortlich, dass 1,5 Millionen Kinder in Tansania nicht zur Schule gehen.

Die Benachteiligung von Mädchen in der Bildung beseitigen - das ist das Ziel der internationalen MillionenhilfenBild: Getty Images/AFP/T. Karumba

Tansania hat eine der höchsten Schwangerschaftsraten der Welt. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF wurden zwischen 2008 und 2012 mehr als 28.000 Babys von jungen Mädchen unter 18 Jahren geboren. Viele der jungen Mütter wurden vergewaltigt oder mussten sich an ältere Männer verkaufen, um Geld für das Überlebensnotwendigste zu bekommen.

Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit erodieren

Auch das harte Vorgehen der Regierung gegen Homosexuelle, Bisexuelle oder Transgender ruft wachsende internationale Kritik hervor. Die Europäische Union zog Anfang November den Leiter ihrer Delegation in Tansania zurück. Sie wolle wegen der "Verschlechterung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit" im Land ihre Beziehungen zu Tansania umfassend prüfen, so die Begründung.

"Wir registrieren die Verschärfungen seit zwei oder drei Jahren, seit diese Regierung an die Macht kam", meint Professor Mwesiga Baregu, politischer Analyst und Mitglied des Zentralkomitees von Chadema, der wichtigsten Oppositionspartei Tansanias. In vielen Fällen würden die Verfassung und die Menschenrechte verletzt. "Wenn die Regierung so weitermachen sollte, wird Tansania nicht mehr demokratisch sein, sondern ein repressiver und autoritärer Staat."

Zitto Kabwe, Ökonom und Oppositionspolitiker, glaubt nicht, dass der internationale Druck Präsident Magufuli beeindrucken wird. "Dennoch gibt es eine sehr kleine Chance, dass diese Entscheidungen Wirkung zeigen werden. Weil sie auch sehr schmerzhaft für die Menschen sind", erklärt Kabwe der DW.

Hofft auf den Druck der Straße - Oppositionspolitiker Zitto KabweBild: DW

Die eingefrorenen Millionen der Weltbank machen den Großteil des tansanischen Bildungsbudgets aus. "Wenn die Bürger deshalb Druck machen, könnte das den Präsidenten beeinflussen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Präsident eher internem als internationalem Druck nachgeben wird", meint Oppositionspolitiker Kabwe.

"Wir sind auf eine Reihe von Ländern angewiesen und wenn die ihre Hilfe und Finanzierung zurückhalten, dann wird das Wirkung zeigen. Vielleicht werden die Menschen für die Demokratie eintreten, aber das hängt von den Tansaniern selbst ab", ist Kabwe überzeugt.

Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen