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Politik

EU: Umarmen gegen die Angst

20. Dezember 2016

Während die EU-Spitze mit Trauer auf den Anschlag in Berlin reagiert, deuten Rechtspopulisten die Lage - ohne Fakten. Reaktionen und wie die belgische Hauptstadt ihre Weihnachtsmärkte schützt. Von Bernd Riegert, Brüssel.

Weihnachtsmarkt Brüssel Innenstadt - Sicherheitskonzept
Bild: DW/B. Riegert

Große Holzkisten mit je zwei Tannenbäumen oben drauf versperren Fahrzeugen den Weg zu den Weihnachtsmärkten in Brüssel. In allen Straßen rund um die viel besuchten Märkte in der Innenstadt stehen diese Holzcontainer, in denen schwere Betonklötze stecken. Die Blockaden sind Teil des Sicherheitskonzepts, das schon lange vor der Attacke in Berlin nach den Anschlägen von Brüssel und Nizza entworfen wurde, erklärt der Brüsseler Bürgermeister Yvan Mayeur das Vorgehen. Noch am Montag Abend habe er die Sicherheitsvorkehrungen zusammen mit der Polizei noch einmal überprüfen lassen, so der Bürgermeister vor Journalisten.

"Die Terrorgefahr ist real"

Die Betonbarrieren gibt es hauptsächlich in Belgien und in Frankreich. In anderen Städten ist man da noch nicht soweit. In der niederländischen Stadt Breda etwa wurden in der Nacht noch Absperr- und Drängelgitter aufgestellt. Ein kompletter Schutz gegen Fahrzeug-Attacken ist nicht möglich, meint der niederländische Koordinator für die Terrorbekämpfung, Dick Schoof. "Die Terrorgefahr ist real, aber es gibt keine Hinweise auf konkrete Vorbereitungen auf einen Anschlag", sagte Schoof dem niederländischen Fernsehsender NOS. Am Tag nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin waren die Märkte in Brüssel jedenfalls geöffnet und gut besucht. 

Lehren aus den Attentaten in Paris und Brüssel: Polizeistreifen sollen Attentäter abschreckenBild: DW/B. Riegert

Ebenfalls in Brüssel ließ die Europäische Union alle Flaggen auf Halbmast setzen. "Im Namen der EU-Kommission spreche ich meine aufrichtige Anteilnahme für alle Opfer der tragischen Ereignisse in Berlin, Zürich und der Türkei aus", sagte die EU-Kommissarin für Sozialpolitik, Marianne Thyssen. Sie bezog sich auf den Weihnachtsmarkt-Anschlag in Berlin, die Schießerei in einer Moscheegemeinde in Zürich und den Mordanschlag auf den russischen Botschafter in der Türkei, die sich alle gestern ereigneten. Bei der Schießerei in Zürich geht man nach heutigem Stand nicht von einem terroristischen Hintergrund aus. 

Nach einer Schweigeminute zur Mittagsstunde umarmte die EU-Budget-Kommissarin Kristalina Georgieva schluchzend ihre Kollegin Margrethe Vestager, zuständig für Wettbewerbsrecht. "Wir werden weiter leben, lieben und uns umarmen", sagte Georgieva mit brüchiger Stimme. "Das schrecklichste daran ist, dass dies immer wieder passiert, ein Déjà-vu wird. Das kann nicht unsere Normalität werden, weil es nicht normal ist!"

Rechtspopulisten weisen Schuld zu

In vielen europäischen Hauptstädten erklärten Staats- und Regierungschefs ihre Anteilnahme mit den Opfern und ihren Familien in Berlin. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban deutete den Anschlag in Berlin als "einen Anschlag auf christliche Werte", obwohl weder Täter noch Motiv ermittelt sind. Europa und die christlichen Werte hätten einen schweren Schlag erlitten, sagte Orban. Mit Deutungen waren noch vor den Ermittlern in Deutschland die Rechtspopulisten in Frankreich zur Stelle. Marion Le Pen, Nichte der Parteiführerin Marine Le Pen vom "Front Nation", gab Bundeskanzlerin Angela Merkel per Twitter die Schuld für die Anschläge. Die Parteichefin unterstellte Regierungen, die Flüchtlinge nach Europa geholt haben, eine Mitschuld.

Auch der rechtspopulistische britische Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage sagte, der Anschlag in Berlin gehöre - wie ähnliche Ereignisse - zum "Vermächtnis" von Angela Merkel. Der Witwer, der im Brexit-Wahlkampf ermordeten Labour-Abgeordneten Pat Cox griff daraufhin Nigel Farage an. "Politiker für die Taten von Extremisten verantwortlich zu machen, ist ein völliger Irrweg", schrieb Brendan Cox auf Twitter. Der Rechtspopulist Farage ließ das nicht auf sich sitzen und warf in einem Interview Cox vor, dieser sei selbst extremistisch.

EU will gegen "Foreign Fighter" ankämpfen

Die polnische Premierministerin Beate Szydlo sprach der "deutschen Nation" ihr Beileid aus und forderte den gemeinsamen Kampf Europas gegen den Terror und "effiziente Maßnahmen für die Verteidigung unserer Bürger". Genau das versuchen die Innenminister der Europäischen Union seit den ersten Terrorwellen in Frankreich 2015. Mehrfach wurde eine bessere Zusammenarbeit der Geheimdienste und ein besserer Schutz der Außengrenzen vereinbart.

Nach dem letzten Bericht des Anti-Terrorbeauftragten der EU, Gilles de Kerchove, macht die EU auch Fortschritte, allerdings langsame. Die Zusammenführung aller relevanten Datenbanken ist immer noch nicht abgeschlossen. Nach einjährigen Beratungen haben sich die Innenminister jetzt darauf geeinigt, die Regeln für den Schengen-Raum zu ändern und erstmals systematische Grenzkontrollen für EU-Bürger und Ausländern einzuführen. "Dies wird ein wichtiges Werkzeug im Kampf gegen terroristische Kämpfer, sogenannte foreign fighter, sein", meinte dazu der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos. Bis 2020 soll ein vollautomatisches elektronisches Ein- und Ausreisegister funktionieren.

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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