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Politik

Corona macht den Weg noch steiniger

Marina Strauß
24. Mai 2020

2020 sollte ein EU-Afrika-Jahr werden - mit einem Gipfel als Krönung. Nicht alle glauben an das Versprechen einer Partnerschaft auf Augenhöhe. Und dann kam auch noch das Coronavirus. Marina Strauß berichtet aus Brüssel.

Äthiopien Addis Abeba Gipfeltreffen der Staatschefs der Afrikanischen Union
Vertreter der AU- und der EU-Kommission am 27. Februar 2020 in Addis Abeba Bild: DW/M. Strauß

Ein Bild, das eine klare Botschaft senden sollte: Ursula von der Leyen neben Moussa Faki Mahamat, dem Chef der Kommission der Afrikanischen Union (AU) - umringt von fast allen Mitgliedern der EU-Kommission und denen der AU.

Von der Leyen hatte sich in diesem Februar bereits zum zweiten Mal seit ihrem Amtsantritt Ende 2019 nach Addis Abeba aufgemacht, Hauptstadt Äthiopiens und Hauptsitz der AU. Bei beiden Treffen ließ sie keine Gelegenheit verstreichen, um zu erklären, wie wichtig ihr der afrikanische Kontinent sei.

Moussa Faki und Ursula von der Leyen am 27. Februar 2020 in Addis AbebaBild: Getty Images/AFP/M. Tewelde

Alles Aufwärmübungen für die neue EU-Afrika-Strategie, welche die Kommission Anfang März vorstellte. Das Herzstück: Die Beziehungen zum Nachbarkontinent sollen sich verändern. Hin zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe, welche die Interessen beider Kontinente in den Mittelpunkt rückt.

Diese Strategie ist aus EU-Sicht ein erster Schritt auf dem monatelangen Weg in Richtung des 6. AU-EU-Gipfels, der Ende des Jahres in Brüssel stattfinden soll. Bei einem Treffen in Kigali, Ruanda, dieses Mal auf Ministerebene, sollten vorher noch ein paar Steine aus dem Weg geräumt werden. Doch dann kam COVID-19, die Zusammenkunft musste verschoben werden, wie so vieles andere.

Ein rein europäische Perspektive?

Dass die Partnerschaft für beide Seiten wichtig bleibt, bestreitet keiner. Die Frage, die sich nun stellt, ist eher, wie schnell Vertreter beider Kontinente jetzt weiterarbeiten (können).

Geert Laporte vom Brüsseler Thinktank ECDPM sagt, die EU-Afrika-Strategie sei viel zu wenig auf den Gesundheitssektor fokussiertBild: Privat

Auf Seite der EU gebe es diejenigen, die - so gut es eben gehe - die Strategie weiter verfolgen wollten, sagt Geert Laporte, Leiter der European Think Tanks Group und Forscher bei der Brüsseler Denkfabrik ECDPM. Und es gebe diejenigen, die forderten, wegen der Coronavirus-Krise umzudenken. Einige kritisierten, die Strategie sei bereits veraltet gewesen, als sie veröffentlicht wurde, so Laporte. Vor allem, weil die Themen Gesundheit und Pandemie darin sehr unterbelichtet seien.

Faten Aggad berät die Afrikanische Union in EU-Fragen. Für sie geht es nicht um die Frage, ob die Strategie der EU nun aufgrund der Pandemie veraltet ist oder nicht, sondern darum, dass sie eine rein europäische Perspektive einnimmt. Aus Sicht der Afrikanischen Union gebe es vier wichtige Pfeiler für die Partnerschaft mit der EU: Handel, Migration, Frieden und Sicherheit sowie Klima. Alles Themen, die auch die EU als Herz ihrer Strategie präsentiert. Doch: Der "Teufel liegt im Detail", sagt Aggad.

Wenn es etwa um Handel gehe, seien sich die Europa und Afrika einig, dass sie kooperieren müssten, nur die Herangehensweisen seien komplett gegensätzlich. Für den afrikanischen Kontinent steht gerade die "Continental Free Trade Area" (CFTA) im Fokus, eine Freihandelszone von 54 AU-Staaten. Ein epochales Vorhaben, das eigentlich im Juli starten sollte, sich nun aber aufgrund der Covid-19-Krise verzögern wird.

Umstrittene Handelsabkommen der EU

Zwar unterstützt die EU diesen Prozess auf dem Nachbar-Kontinent, will aber weiter an den umstrittenen "Wirtschaftspartnerschaftsabkommen" (auf Englisch EPAs) festhalten. Die Deals sollen durch freien Handel für mehr Wohlstand in Afrika sorgen. NGOs und auch die afrikanische Zivilgesellschaft kritisieren sie aber immer wieder, weil Billigimporte aus Europa etwa Industrien in Afrika zerstören können.

Die EU handelt diese EPAs unter dem Dach des Cotonou-Abkommens aus. Ein Rahmen, der die Beziehungen der Europäischen Union zu den AKP-Staaten regelt - 79 afrikanische, karibische und pazifische Länder, hauptsächlich ehemalige Kolonien europäischer Großmächte.

Europaabgeordneter (SPD) Bullmann zu den Post-Cotonou-Verhandlungen: "Wir freuen uns über jeden Schritt, den es nach vorne geht."Bild: Getty Images/AFP/O. Andersen

Da der Cotonou-Deal 2020 abläuft, sollte eigentlich bereits im April ein neuer Vorschlag auf dem Tisch liegen. "Es gibt noch viele ungelöste Fragen bei der strategischen Ausrichtung des Konzepts", sagt Udo Bullmann, SPD-Europaabgeordneter und Sprecher der Sozialdemokraten im Entwicklungsausschuss des EU Parlaments. Inzwischen ist klar, dass die Verhandlungen - auch wegen COVID-19 - weit länger dauern werden als geplant.

Kritiker bemängeln aber nicht nur den möglichen Inhalt eines Post-Cotonou-Abkommens, sondern den grundsätzlichen Aufbau an sich. Die Tatsache, dass die EU nicht direkt mit der AU verhandelt, sondern mit den AKP-Staaten, zu denen nur der südliche Teil des afrikanischen Kontinents gehört.

AKP: "Ein Oktopus mit mehreren Tentakeln"

Mohamed Diatta sagt, mit 55 Mitgliedsstaaten sei es auch seitens der AU schwer, eine gemeinsame Strategie zu findenBild: Privat

"Afrika hat seine eigene Realität, ein eigenes Bild von sich, für das es am besten als Block eintreten kann", sagt Mohamed Diatta, Forscher vom Institute for Security Studies (ISS) in Addis Abeba. Auch Geert Laporte vom ECDPM in Brüssel ist der Meinung, es wäre besser, die EU-AKP-Beziehung gehöre der Vergangenheit an. "Die AKP ist ein Oktopus mit mehreren Tentakeln", findet Laporte. Eines dieser Tentakel sei die Paritätische Parlamentarische Versammlung AKP-EU.

Alviina Alametsä, EU-Parlamentsabgeordnete von den finnischen Grünen, ist seit Kurzem dort Mitglied. "Ich glaube, die Versammlung hilft dabei, die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Regionen zu verbessern," sagt sie. "Aber ich finde auch, wir sollten mehr mit der Afrikanischen Union kooperieren, weil sie ein sehr wichtiger Player ist." Alametsä hält es für wichtig, Handelspolitik so anzupassen, dass sie fair ist für afrikanische Länder. "Wir tragen Verantwortung aufgrund der kolonialen Vergangenheit Europas."

Die finnische Grünen-Europaparlamentarierin ist seit Februar Delegierte der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EUBild: Martiina Woodson

Verantwortung, welche die EU Kommission und EU-Mitgliedsstaaten, so sagen sie, in der Coronakrise annehmen. Mehr als 20 Milliarden Euro sollen die Folgen in besonders verwundbaren Ländern, vor allem in Afrika, abfedern. Das Geld ist nicht frisch, sondern aus bestehenden Projekten umgeleitet. Einige fordern mehr finanzielles Engagement von der EU. Doch vielen auf dem afrikanischen Kontinent geht es vielmehr darum, endlich wegzukommen von Strategie um Strategie, weg von der reinen Interessensbekundung seitens der EU. AU-Beraterin Faten Aggad sagt, EU und AU müssten endlich über Ergebnisse sprechen. Nicht ständig über das reden, "was" man vorhat, sondern darüber, "wie" man es erreichen will.

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