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PolitikEuropa

EU und Afrikanische Union erneuern Partnerschaft

18. Februar 2022

Nach dem Gipfeltreffen zwischen Europäern und Afrikanern gab es wieder viele schöne Worte. Ziel ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Wie weit ist man gekommen? Aus Brüssel Bernd Riegert.

Belgien EU-Afrika-Gipfel
Spitzentreffen mit viel Abstand: Die Staats- und Regierungschefs und -chefinnen der AU und der EU in Corona-FormationBild: John Thys, Pool Photo via AP/AFP/picture alliance

Das sechste Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und der Afrikanischen Union endete an diesem Freitag in Brüssel wie das fünfte Treffen  vor fünf Jahren in Abidjan an der Elfenbeinküste: Es wurde ein Dokument verabschiedet, dass eine strategische Partnerschaft beschreibt mit vielen Zielen in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz, Migration, Förderung der Jugend. Diesmal kamv wegen der Corona-Pandemie, die Afrika wirtschaftlich härter trifft als Europa, noch das Kapitel Gesundheitspolitik hinzu. Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, und der Vorsitzende der Afrikanischen Union, der senegalesische Präsident Macky Sall, sprachen von großen Fortschritten und nannten das Gipfelpapier "Vision 2030". Die Partnerschaft sei erneuert worden, meinte Bundeskanzler Olaf Scholz nach seinem ersten EU-Afrika-Gipfel in Brüssel. "Europa und Afrika können die großen Fragen unserer Zeit nur gemeinsam beantworten", fasste Scholz sein Fazit zum Gipfel zusammen.

Bundeskanzler Scholz: Afrika-Gipfel als "historische Chance"Bild: Yves Herman/AFP/Getty Images

"Schöne Worte"

"Was wir derzeit haben sind Deklarationen, sehr schöne Verpflichtungen in Worten, sowohl von der Europäischen als auch von der Afrikanischen Union, aber was wir immer noch vermissen, sind konkrete Handlungen", kritisiert Geert Laporte. Er ist Direktor eines Verbundes von Denkfabriken, die sich in Brüssel mit Afrikapolitik beschäftigen. Immerhin verspricht die EU diesmal ein Investitionspaket von 150 Milliarden Euro in den kommenden sieben Jahren, um Infrastruktur, Gesundheitswesen und Energiewirtschaft in Afrika zu fördern. Mit diesem Teil der "Global Gateway"-Initiative will die EU China das Wasser abgraben, das schon seit Jahren mit dem "Seidenstraßen-Projekt" massiv Kredite an afrikanische Staaten vergibt und Bauvorhaben umsetzt. "Die Geschichte, die Europa in diesen Tagen erzählt, ist hauptsächlich eine Geschichte vom Geld. Wir werden euch mit Geld verführen. Mit dem Global-Gateway-Paket. Mit allen möglichen Finanzinstrumenten. Das ist ja nicht falsch, aber ich habe manchmal den Eindruck, dass es da keinen wirklichen strategischen Fokus gibt", meint der Afrika-Experte Geert Laporte im Gespräch mit der DW.

Geert Laporte beobachtet EU-Afrika-Gipfel seit vielen JahrenBild: Bernd Riegert/DW

"Afrika reagiert eher"

Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen, die sich als geopolitische Kommission versteht und Afrika zu einem ihrer Schwerpunkte erklärt hat, hat in den vergangenen beiden Jahren eine Menge Strategiepapiere und Partnerschaftsangebote produziert. Bei der Afrikanischen Union, die verglichen mit der Europäischen Union nur ein sehr loser Bund ist, stößt das eher auf Skepsis, sagt Edwin Ikhouria. Er ist der Afrika-Direktor der amerikanischen Lobby-Gruppe "One Campaign", die sich für die Bekämpfung der Armut in Afrika einsetzt. "Da sind viel Rhetorik, viele Absichten und eine Menge Dinge im Spiel, die passieren sollen, aber eigentlich nie wirklich passieren. Die Strukturen sind noch nicht stark genug, um diese Dinge in die Tat umzusetzen", sagt der Afrika-Lobbyist Ikhouria in seinem Büro in Brüssel. Das liege aber nicht nur an den Europäern, sondern auch an den afrikanischen Staats- und Regierungschefs. Die kritisieren viel, bringen sich aber nicht wirklich ein, glaubt Geert Laporte von der Vereinigung der Denkfabriken in Brüssel. "Ich habe manchmal den Eindruck, dass Europa den Ton angibt und die afrikanische Seite eher reagiert als aktiv mitzumachen. Es gibt zwar Fortschritte, aber wir sind nicht am Ziel."

Edwin Ikhouria: Afrikanische Staaten sind nicht mehr nur auf EU angewiesenBild: Bernd Riegert/DW

Scholz: "Gute Regierungsführung ist wichtig"

Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa forderte als COVID-Beauftragter der Afrikanischen Union beim Gipfel erneut die Freigabe der Patente für Impfstoffe gegen COVID, die in Europa entwickelt wurden. Die EU kontert mit der Förderung von Produktionsanlagen in Afrika. Eine entsprechende Vereinbarung mit der Weltgesundheitsorganisation wurde in Brüssel unterschrieben. Ramaphosa beklagte, dass nur ein Prozent der Impfstoffe in Afrika hergestellt würde. Man habe keine Lust mehr, immer hinten anzustehen. Wie eine Freigabe von Patenten den Aufbau von Produktionsstätten beschleunigen würde, ließ der südafrikanische Präsident nicht erkennen. Nicht nur bei Impfstoffen, sondern auf zahlreichen weiteren Feldern fehlen in vielen afrikanischen Staaten Infrastruktur, politischer Wille und administrative Fähigkeiten. Deshalb sei die Förderung der "guten Regierungsführung" ganz wichtig und ein gemeinsames Ziel, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz auf eine Frage der DW in seiner Pressekonferenz. "Bei all diesen Fragen ist die Good Governace immer etwas, was von großer Bedeutung ist. Das habe ich auch genauso gehört bei den afrikanischen Partnern."

Macky Sall, AU-Vorsitzender: Erneuerte PartnerschaftBild: John Thys, Pool Photo/AP/picture alliance

"Afrika als Einheit sehen"

Für den Afrika-Direktor von "One campaign", Edwin Ikhouria, ist erkennbar, dass die afrikanischen Staatschefs von Gipfel zu Gipfel dazulernen. "Eines haben die afrikanischen Anführer erkannt: Wenn wir nicht zusammen als Einheit, als Zusammenschluss auftreten, werden wir weiterhin die letzten in der Schlange sein. Das ist ihnen ziemlich klar." So versuchten sie, die Afrikanische Union zu stärken, deren rechtliche Stellung noch schwach ist. Die Marktmacht von 1,3 Milliarden Afrikanerinnen und Afrikanern solle zusammengeführt werden. Afrika müsse aber noch mehr tun, glaubt Ikhouria: "Es gibt immer eine europäische Agenda für Afrika, aber es ist schwer, eine afrikanische Strategie für Europa zu erkennen. Mit Blick auf die historischen Verbindungen und die Verhandlungen, wie sie bislang ablaufen, gibt es noch viel Luft nach oben für die Verbesserung einer gleichwertigen Partnerschaft."

Die Impfstoff-Produktion in Afrika soll mit einer mobilen Fabrik von Biontech vorankommenBild: Bernd Riegert/DW

Viele Optionen für Partnerschaft

Die EU müsse lernen, dass sie nicht mehr die einzige mögliche Partnerin für Afrika sei, meint der Afrika-Kenner Edwin Ikhouria. China, Russland und die Türkei bieten sich ebenfalls an und stellen nicht so viele Bedingungen, was Regierungsführung, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung angeht, wie die Europäische Union. Die EU betont immer wieder, sie sei der größte Handelspartner Afrikas. In allen Strategiepapieren ist zu lesen, dass Afrika für die Klimapolitik und für Produktion von sauberer Energie aus Sonne und Wasserstoff immer wichtiger werde. "Afrika beginnt aufzuwachen und viele verschiedene Partnerschaften zu sehen. Wir haben ein ganzes Menü an Optionen. Es geht jetzt darum, wie sich Afrika öffnet, um eine Partnerschaft einzugehen, die seinen langfristigen strategischen Interessen dient", meint Edwin Ikhouria von "One Campaign".

Rhetorisch sind sich die Politiker aus beiden Kontinenten auch nach diesem sechsten Gipfel einig. Bundeskanzler Scholz und Senegals Präsident Sall sprachen wortgleich von "historischer Gelegenheit" und einer "erneuerten Partnerschaft". Die EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen kündigte an, die EU wolle der stärkste Partner Afrikas werden. Bilanz gezogen wird beim siebten Gipfel, der in drei Jahren an einem Ort in Afrika stattfinden soll.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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