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Freier Handel zwischen EU und Vietnam

Bernd Riegert4. August 2015

Europäer und Vietnamesen sollen künftig ohne Zölle Waren austauschen. Weitere EU-Handelsabkommen mit asiatischen Staaten sollen folgen. Gleichzeitig bauen die USA und China ihre eigenen Freihandelszonen in Asien aus.

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Deutscher Autobauer ist schon da: Vietnamesischer Arbeiter in Mercedes-Fabrik in Ho Chi Minh StadtBild: DW

Nürnberger Bratwürstchen, Wein aus dem spanischen Rioja und schottischer Whiskey. Das sind nur drei von 169 europäischen Erzeugnissen, deren Herkunft als Qualitätsmerkmal zukünftig auch in Vietnam geschützt sein wird. Im Gegenzug werden in der EU Moc Chau Tee oder Buon Ma Thuot Kaffee als besondere regionale Spezialitäten aus Vietnam anerkannt und vermarktet. Die Kennung der Herkunft ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem umfassenden Handelsabkommen, über das sich die Europäische Union und die vietnamesische Regierung nach zweieinhalb Jahren währenden Verhandlungen einig geworden sind. Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und der vietnamesische Handelsminister Vu Huy Hoang besiegelten den Deal am Dienstag am Telefon. Die technischen Einzelheiten und der offizielle Text des Abkommens sollen im Herbst stehen. Danach muss das Freihandelsabkommen noch vom Europäischen Parlament gebilligt werden.

Zölle werden gegenseitig aufgehoben

Das Abkommen sieht die Aufhebung von 99 Prozent aller Zölle im Handel zwischen Vietnam und der EU vor. Die Europäer werden ihre Einfuhrzölle für Waren aus dem südostasiatischen Staat gestaffelt nach Warengruppen spätestens nach sieben Jahren aufheben. Vietnam hat dazu drei Jahre länger Zeit, um seine Wirtschaft an die neuen Bedingungen anzupassen. Vietnam hat zugestimmt, europäische Firmen auch im Service-Sektor wie im Banken- und Versicherungswesen tätig werden zu lassen. Direkte Investitionen aus Europa in Vietnam, zum Beispiel bei der Produktion von Nahrungsmitteln, Reifen, Plastikteilen oder Keramik, sollen einfacher werden. Beide Seiten bekennen sich zu einer Verbesserung der Standards bei Umweltauflagen und den Rechten von Arbeitnehmern. Dumping, also der Preiswettbewerb auf Kosten der sozialen und umweltrechtlichen Bedingungen, soll verboten werden. Vietnam ist eine kommunistische Diktatur mit einer rasant wachsenden Wirtschaft.

Abkommen als Modell: Cecilia MalmströmBild: Getty Images/AFP/T. Charlier

Die EU-Kommissarin für Handel, Cecilia Malmström, nannte das zweite Freihandelsabkommen mit einem asiatischen Staat einen Meilenstein und ein Vorbild für künftige Abkommen mit Entwicklungsländern. "Dieses fein austarierte Abkommen wird den Handel mit einem der dynamischsten Märkte in Asien befördern", sagte Frau Malmström vor der Presse. "Wenn es einmal läuft, wird es beiden Seiten große neue Chancen bieten." Nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat belief sich der Umsatz im Handel zwischen den 28 EU-Staaten und Vietnam im vergangenen Jahr auf 28 Milliarden Euro. Drei Viertel davon entfielen auf Waren wie Elektronikbauteile, Telefone und Textilien, die Vietnam nach Europa exportiert.

Neue Schiedsgerichte sollen Vorbild für TTIP werden

Ein Problem ist allerdings noch ungelöst. Das jüngste Handelsabkommen enthält noch keine Regelungen über Schiedsgerichte und den juristischen Schutz von Investoren. Diese Schiedsgerichte, die in Europa im Zuge der Verhandlungen mit den USA über das transatlantische Freihandelsabkommen "TTIP" in Verruf geraten sind, will die EU künftig neu gestalten und reformieren. Um ihre Vorstellungen über unabhängige Richter und öffentliche Verhandlungen zu konkretisieren, braucht EU-Kommissarin Cecilia Malmström noch bis zum Herbst, wie sie der DW bestätigte. Die neuen Schiedsgerichte sollen dann nicht nur Teil des Abkommens mit Vietnam werden, sondern auch als Vorlage für die TTIP-Verhandlungen dienen, die im Oktober weitergehen sollen. TTIP-Kritiker hatten bemängelt, dass die Schiedsgerichte bisher geheim tagen und die Gesetzgebungskompetenz nationaler Parlamente einschränken könnten. Im Mai hatte sich die EU-Kommission entschlossen, die Gerichtsbarkeit für die Überwachung von Handelsabkommen ganz neu zu fassen. Am Ende könnte ein internationaler Handelsgerichtshof stehen. "Aber das wird noch dauern", räumte Cecilia Malmström ein.

Gute Geschäfte: Vietnams kommunistischer Parteichef Nguyen Phu TrongBild: picture alliance/AP Photo/T. Van Minh

USA, EU, China: Jeder will Handelsabkommen in Asien

Im letzten Jahr hatte die EU bereits ein Handelsabkommen mit Singapur unterzeichnet. Verhandlungen mit Malaysia und Thailand laufen. Mit dem größten Handelspartner in Asien, dem Ein-Parteien-Staat China, verhandelt die EU ebenfalls, allerdings nur über ein Investitionsabkommen. Beim freien Handel liegen die Ansichten soweit auseinander, dass Gespräche mit Peking darüber noch nicht aufgenommen werden konnten. Die Europäische Union überholt mit ihren Anstrengungen die USA, die versuchen mit 12 Staaten gleichzeitig, eine umfassende Freihandelszone aller Anrainer des Pazifiks (TPP) hinzubekommen. "Das ist aber kein offizieller Wettbewerb", sagte dazu Handelskommissarin Malmström. Die Verhandlungen der USA mit ihren asiatischen Partnern sind kürzlich ins Stocken geraten, unter anderem weil Kanada sich mit der Lockerung von Bestimmungen bei landwirtschaftlichen Produkten schwer tut. US-Präsident Barack Obama, der sich erst im Juni eine vollständige Verhandlungsvollmacht im US-Parlament gesichert hat, will sowohl das pazifische als auch das transatlantische Handelsabkommen noch vor dem Ende seiner Amtszeit im Januar 2017 wenigstens in Grundzügen verabschiedet wissen.

China im Zaum halten: US-Präsident Obama, hier beim APEC-Gipfel 2014 in PekingBild: Reuters/Kevin Lamarque

Mit den Handelsabkommen wollen die USA und die Europäer auch China in Schach halten. Das wirtschaftliche Schwergewicht Asiens ist am TTP nicht beteiligt. Im Gegenteil: China bastelt an seinem eigenen Freihandelsabkommen mit 16 Staaten, um von den USA unabhängiger zu werden. Mit fast allen TPP-Staaten hat China bereits bilaterale Abkommen geschlossen. "Wenn wir uns nicht einigen, dann bestimmt China die Standards", hatte US-Präsident Barack Obama dem linken Flügel seiner demokratischen Partei entgegen gehalten, der traditionell Freihandel ablehnt.

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