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PolitikAfrika

EU und WFP: Hungerkrise eindämmen

13. April 2022

Der Krieg in der Ukraine könnte eine weltweite Nahrungsmittelkrise auslösen. Das Welternährungsprogramm (WFP) will das gemeinsam mit der EU verhindern. Das ist kaum zu schaffen. Bernd Riegert berichtet.

Afghanistan | Welternährungsprogramm der UN in Kandahar
Hilfen des Welternährungsprogramms in Afghanistan: Müssen die Lieferungen eingeschränkt werden?Bild: Sanaullah Seiam/Xinhua/picture alliance

Die Ukraine war bislang der größte Lieferant für die Nahrungsmittelhilfen, die das World Food Programme (WFP), das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, rund um den Globus in über 80 Ländern an 125 Millionen Menschen verteilt. Wenn die Felder in der Ukraine jetzt nicht bestellt werden, keine Ernte eingefahren wird und Weizenexporte über die Häfen der Ukraine wegen des Krieges blockiert bleiben, wird sich die Lage für viele Staaten und Krisengebiete sehr zuspitzen.

Nach Einschätzung von WFP-Direktor David Beasley sind vor allem Afghanistan, Ägypten und Syrien von Importen aus der Ukraine abhängig. Millionen Menschen seien in Gefahr, warnt er. Steigende Preise führten auch im Nahen Osten und in Ostafrika zu Knappheit und Unterernährung, so Beasley nach Gesprächen mit der Europäischen Union und Frankreich am Sitz des Welternährungsprogramms in Rom.

David Beasley: Gewaltige Krise steht bevorBild: Domenico Stinellis/AP Photo/picture alliance

"Wir reden jetzt über einen Konflikt im Brotkorb der Welt, weil die Ukraine genug Nahrung produzierte, um 400 Millionen Menschen rund um den Erdball zu unterstützen", erklärte der Direktor des UN-Programms. Bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine sind die Preise für Treibstoffe, Nahrungsmittel und Dünger enorm angestiegen. Mit der jetzigen Zuspitzung erlebe man "den perfekten Sturm", so David Beasley.

Die Welthandelsorganisation (WTO) erwartet, dass der Weizenpreis durch eine ausfallende Ernte in der Ukraine um 85 Prozent weltweit ansteigen wird. Die Finanzierungslücke pro Jahr für die Hilfsleistungen seiner Organisation werde durch den Preisanstieg bei acht bis neun Milliarden Dollar pro Jahr liegen, rechnete Beasley vor. Die UN-Agentur leidet ohnehin unter ständigem Geldmangel, weil sie kein festes Budget hat, sondern auf Spenden von Regierungen angewiesen ist.

Die EU will weltweit Weizen einkaufen

"Wie gleichen wir die schwindenden Ernten aus der Ukraine aus? Wie ersetzen wir die Nahrung, das Getreide, das in der Ukraine vielleicht nicht mehr erzeugt wird? Wir müssen jetzt handeln", forderte der Chef des Welternährungsprogramms.

Die Europäische Union und Frankreich hören die dringenden Mahnungen von David Beasley und seinen Mitarbeitern nicht zum ersten Mal, aber der Krieg in der Ukraine macht die Lage sehr dramatisch. Die französische Regierung und die EU-Kommission wollen deshalb bis Ende Juni alle Akteure zusammenbringen und einen - wie das im Bürokraten-Jargon der EU heißt - Mobilisierungsmechanismus schaffen. Darunter muss man sich eine Art Krisenstab vorstellen, der weltweit Getreide einkaufen und vor allem viele Spendengelder für das Welternährungsprogramm einwerben soll.

EU-Kommissar Lenarcic (Mitte) bei einem Besuch in Haiti: Auch hier können Hilfslieferungen knapper werden (Archiv)Bild: Georges Harry Rouzier/EC

"Die EU-Kommission wird das Problem zusammen mit den EU-Mitgliedsstaaten jetzt angehen. Zunächst mit Notfallmaßnahmen und dann wollen wir das Übel an der Wurzel packen und versuchen, alle Seiten näher zusammenzubringen, also Hilfsorganisationen, humanitäre Helfer, die Spender und die betroffenen Staaten", verspricht der EU-Kommissar für Katastrophenhilfe Janez Lenarcic bei dem Treffen in Rom. Wie das genau funktionieren soll, lässt er allerdings auch auf Nachfrage offen.

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian, der zurzeit auch den Vorsitz unter den EU-Staaten innehat, bleibt auch eher allgemein, konkrete Zahlen für Hilfsgelder nannte er nicht. "Es ist wichtig, jetzt zu handeln, damit wir ein Notfallszenario in der Zukunft vermeiden. Durch den Mobilisierungsmechanismus müssen wir eine internationale Krise verhindern, die verheerend für die Welt wäre." 

Nahrungsmittelkrise treibt Menschen in die Flucht

Dabei geht es nicht nur um Getreideexporte, sondern zum Beispiel auch um Düngemittel. Rund 40 Prozent des weltweit eingesetzten Kunstdüngers kam bislang aus der Ukraine, Russland und Belarus. Der Machthaber von Belarus, Alexander Lukaschenko, sagte bei einem Besuch in Russland, dass die fehlenden Düngerexporte schnell zu einer weltweiten Hungerkrise führen könnten. Er machte die Sanktionen der westlichen Staaten dafür verantwortlich. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian wies dies zurück. Nicht die Sanktionen, sondern der russische Angriff auf die Ukraine, der die Sanktionen und Hafenblockaden ausgelöst habe, sei die Ursache der Krise.

Die Welthandelsorganisation sagt voraus, dass durch den Krieg und die Sanktionen das Volumen des Welthandels um die Hälfte sinken könnte. Europa werde stark getroffen werden, aber dramatisch würden die Auswirkungen für den Nahen Osten und Afrika, wo ausbleibende Lieferungen für massiven Preisanstieg unter anderem bei Lebensmitteln und Speiseöl sorgen würden.

Diese prognostizierte Nahrungsmittelkrise könnte zu neuen Fluchtbewegungen führen, warnte der Direktor des Welternährungsprogramms, David Beasley. "Südlich von Europa, vom Roten Meer bis zum Atlantik leben 500 Millionen Menschen in sehr unsicheren Verhältnissen. Der Sahel, Äthiopien, Sudan und Somalia, um nur einige zu nennen, sind in einer fragilen Lage. Sie erleben eine Dürre, während wir hier sitzen. Das letzte, was wir brauchen, ist, dass sich zusätzlich zu den vier Millionen Geflüchteten in der Ukraine weitere Millionen  Menschen aus dem Süden Afrikas oder dem Nahen Osten auf den Weg machen."

Ukraine-Krieg gefährdet Nahrungssicherheit

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Auch in der Ukraine selbst werde sich die Versorgung mit Nahrungsmitteln zunehmend verschlechtern. Deshalb bereitet sich das Welternährungsprogramm darauf vor, Millionen von Menschen in der Ukraine, einem Land mit den fruchtbarsten Böden der Welt, Nahrung zu liefern. "Wie machen wir das? Sollen wir hungernden Kindern in Afrika etwas wegnehmen, um es hungrigen Kindern in der Ukraine zu geben? Oder umgekehrt?", fragte sich David Beasley nach den Gesprächen mit den Vertretern der EU und Frankreichs in Rom.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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