EU-USA: Der Handelsdeal steht - aber zu welchem Preis?
29. Juli 2025
Regierungen und Unternehmen in Europa atmeten kollektiv auf, nachdem am Sonntag das Handelsabkommen zwischen den USA und der EU besiegelt worden war - nach fast vier Monaten der Zollunsicherheit. Gleichzeitig aber wurden auch schnell kritische Stimmen laut.
Die Märkte jedenfalls reagierten positiv: Die Aktien europäischer Automobilhersteller stiegen am Montag zur Eröffnung um bis zu drei Prozent, während die EU-Aktienindizes Viermonatshochs erreichten. Die Renditen europäischer Anleihen fielen und signalisierten damit den Optimismus der Anleger, dass sich der transatlantische Handel möglicherweise entspannt.
Was jetzt geschieht
Der nun ausgehandelte Zollsatz von 15 Prozent ist niedriger als der im April für europäische Automobilhersteller verhängte Zollsatz von 25 Prozent und die ursprünglich für den 1. August geplante Abgabe von 30 Prozent. Trotzdem ist es eine deutliche Erhöhung gegenüber dem Zollsatz von 2,5 Prozent, der vor Beginn der zweiten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump galt.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, beharrte Reportern gegenüber darauf, der neue Zollsatz sei ein "gutes Geschäft", weil er dem transatlantischen Handel Stabilität und Vorhersehbarkeit zurückgeben werde. Sie räumte aber ein: "15 Prozent sind nicht zu unterschätzen, aber es ist das Beste, was wir erreichen konnten."
Bundeskanzler Friedrich Merz schloss sich dieser Meinung an und nannte das Abkommen ein Mittel, "unsere Kerninteressen zu wahren" und "eine unnötige Eskalation der transatlantischen Handelsbeziehungen" zu verhindern. Das Verhandlungsergebnis habe ihn aber auch enttäuscht: "Ich hätte mir weitere Erleichterungen sehr gewünscht."
Transatlantisches Frühstück?
Viele europäische Politiker und Wirtschaftsvertreter halten das neue Abkommen dagegen für schädlich. Schließlich hätten die 27 Mitgliedsstaaten der EU einen Zoll von zehn Prozent angestrebt.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban übte in einem Facebook-Livestream scharfe Kritik: "Trump hat Ursula von der Leyen zum Frühstück verspeist". Der Deal sei schlechter als jener, den das Vereinigte Königreich im Mai ausgehandelt hatte.
Im Rahmen des angesprochenen Deals unterliegen die meisten britischen Exporte weiterhin einem pauschalen US-Zoll von zehn Prozent. Ökonomen warnen jedoch, dass dem Abkommen zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich die nötige Tiefe fehle und Schlüsselsektoren wie die Pharmaindustrie und die Landwirtschaft ungeschützt blieben.
Chor der Kritiker
Der französische Ministerpräsident François Bayrou sprach von einem "schwarzen Tag" und beklagte, die EU habe sich als "ein Bündnis freier Völker, die zusammengekommen sind, um ihre gemeinsamen Interessen zu verteidigen", in ihre "Unterwerfung ergeben".
Für Guy Verhofstadt, ehemaliger Premierminister und Europaabgeordneter aus Belgien, ist der Deal "eine Katastrophe", der Vorgang sei "skandalös". In Kommentaren auf der sozialen Plattform X prangerte er das Fehlen "eines einzigen Zugeständnisses von amerikanischer Seite" an.
Der deutsche Europaabgeordnete Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, schrieb ebenfalls auf X, das Abkommen sei "einseitig" und Brüssel habe Zugeständnisse gemacht, die nur "schwer zu akzeptieren" seien.
Der französische Unternehmer Arnaud Bertrand bezeichnete das Abkommen als "einseitigen Vermögenstransfer" und fügte hinzu: "Es erinnert eher an die Art ungleicher Verträge, die Kolonialmächte im 19. Jahrhundert durchsetzten - nur dass diesmal Europa die Leidtragende ist."
Ruben Staffa, Außenhandelsexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), sagte, das Abkommen bedeute "fast eine Verzehnfachung der durchschnittlichen Zölle, die vor Trumps zweiter Amtszeit galten".
Was hat die EU erreicht?
Mit dem Abkommen könnte ein umfassender Handelskrieg vermieden werden, der das Geschäftsklima und die Verbraucherausgaben auf beiden Seiten des Atlantiks empfindlich beeinträchtigen könnte. In Erwartung höherer US-Zölle hatte Brüssel Vergeltungsmaßnahmen in Höhe von 72 Milliarden Euro auf amerikanische Importe vorbereitet, darunter Abgaben auf Flugzeuge und Autos.
Zusätzliche Optionen umfassten Berichten zufolge Exportbeschränkungen für bestimmte Stahl- und Chemieprodukte sowie mögliche Maßnahmen gegen US-Dienstleistungen - insbesondere im Tech-Bereich und im Finanzsektor. Dort weisen die USA einen Handelsüberschuss von 109 Milliarden Euro gegenüber der EU auf.
Was hätte Brüssel besser machen können?
Obwohl Brüssel einen Handelskrieg abgewendet hat, wurden Washington keine größeren Zugeständnisse abgerungen. Analysten weisen auf Versäumnisse der EU hin: Sie habe verpasst, im Gegenzug Zollsenkungen für hochwertige europäische Exporte - darunter Wein, Spirituosen und Luxusgüter - zu erreichen.
Kritiker weisen auch auf Brüssels frühen Rückzug von seinen Vergeltungszöllen hin – das habe die Verhandlungsposition des Blocks geschwächt. Andere weisen darauf hin, die EU-Staats- und Regierungschefs hätten die US-Innenpolitik nicht zu ihrem Vorteil genutzt - etwa indem sie Exporte aus republikanischen Hochburgen gezielt angingen oder US-Unternehmen ermutigten, die Trump-Regierung von innen heraus zu beeinflussen.
Wie geht es weiter?
Das Abkommen ist eher ein vorläufiger Rahmen als ein umfassendes Abkommen. In den kommenden Monaten werden die Verhandlungsführer aus Brüssel und Washington einen detaillierten Text ausarbeiten und ein Datum für das Inkrafttreten des 15-prozentigen Zolls festlegen.
Angesichts von Trumps Erfolgsbilanz bei Last-Minute-Forderungen, wie sie in den Handelsgesprächen zwischen den USA und Japan zu sehen war, muss sich die EU auf mögliche Nachbesserungen einstellen. Das Abkommen bedarf noch der Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten und einer Prüfung durch das Europäische Parlament. Dieser Prozess wird voraussichtlich mehrere Wochen dauern.
Derzeit sieht sich die Trump-Regierung mit fast einem Dutzend Klagen konfrontiert, die die Rechtmäßigkeit ihrer Zollpolitik anfechten. Sie argumentieren, der Präsident habe nicht die Autorität, ohne die Zustimmung des Kongresses Handelsabkommen abzuschließen. Sollte eine dieser Klagen Erfolg haben, könnten die Zölle wieder aufgehoben werden, was zu neuen Verhandlungen führen würde.
Auch wichtige sektorspezifische Abgaben sind noch ungeklärt. Brüssel drängt weiterhin auf Ausnahmen für Wein und Spirituosen - besonders wichtig für Frankreich und Italien. Auch niedrigere Steuersätze für Arzneimittel und Halbleiter werden diskutiert. Schließlich erfordert die Zusage der EU, Handelshemmnisse in Form von regulatorischen Vorschriften und Mehrwertsteuerhürden abzubauen, weitere sorgfältige Verhandlungen, um eine Angleichung an bestehende EU-Standards zu gewährleisten.
Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.