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Kommt das EU-Verbrenner-Verbot?

Klaus Ulrich
27. Juni 2022

Wenn es nach der Mehrheit der EU-Parlamentarier geht, ist der Siegeszug der Elektromobilität nicht mehr aufzuhalten. Aber dabei drohen Risiken und die Gefahr neuer Abhängigkeiten.

Symbolbild- Abgas - Diesel- Schadstoffbelastung
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kraufmann

Es sieht nicht gut aus für die Zukunft des Verbrennungsmotors - egal, ob Benziner oder Diesel. Das EU-Parlament  hat sich bereits entschieden. Ab 2035 sollen nach dem Mehrheits-Votum der Abgeordneten nur noch PKW und Transporter verkauft werden dürfen, deren CO2-Ausstoß auf Null reduziert und damit klimaneutral ist.

Am Dienstag (28.06.22) treffen sich die Umweltminister der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten in Luxemburg, um ihre Positionen zum Verbrenner-Aus im Jahr 2035 abzustimmen. Die Entscheidung muss nicht einstimmig fallen, eine qualifizierte Mehrheit reicht.

"Wir richten uns hier alle auf einen langen Tag mit langen Verhandlungen ein, möglicherweise bis in die Nacht", sagte die deutsche Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Dienstagmorgen im ZDF. 

In den vergangenen Tagen war innerhalb der Berliner Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP eine Kontroverse über die Linie der Bundesregierung auf dem Weg zu mehr Klimaschutz im Straßenverkehr entbrannt. 

Finanzminister Christian Lindner von der FDP ist gegen die Verbotspläne in ihrer jetzigen Form, Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen dafür. Wie Deutschland im Ministerrat abstimmt, ist noch unklar.

 Auch andere Länder sind bei dem Thema gespalten. Vergangene Woche schlug Italien eine Verschiebung des Verbrennerverbots um fünf Jahre auf 2040 vor. Das Land wird dabei von Bulgarien, Portugal, Rumänien und der Slowakei unterstützt.
 

Streit um E-Fuels

Der Knackpunkt beim Streit innerhalb der deutschen Regierung: Lindner möchte erreichen, dass synthetisch hergestellte, klimafreundliche Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, weiterhin zur Betankung von PKW verwendet werden dürfen. Dies erhalte Arbeitsplätze und fördere Innovationen, so der FDP-Minister. Die Grünen wollen dagegen E-Fuels nur in bestimmten Bereichen wie der Luftfahrt oder bei schweren Fahrzeugen gestatten.

Passend zu dieser Position wurde am vergangenen Donnerstag (23.06.22) eine Studie veröffentlicht, nach der Autos, die mit E-Fuels betrieben werden, während ihrer gesamten Lebensdauer kaum weniger CO2 verursachen würden, als konventionelle Fahrzeuge.

Verantwortlich für die Studie zeichnet Transport and Environment (T&E), ein Bündnis von 53 europäischen Organisationen, die sich für nachhaltigen Verkehr einsetzen. E-Autos würden dagegen knapp 80 Prozent CO2 gegenüber Fahrzeugen mit herkömmlichem Diesel oder Benzin einsparen. Im Vergleich zu E-Fuels-PKW schnitten sie immer noch mehr als 50 Prozent besser ab.

Bedenken gegen Verbot von Verbrennern

Anderer Ansicht sind die Wissenschaftler der "Internationalen Vereinigung zur Erforschung nachhaltiger Antriebs- und Fahrzeugtechnik" (IASTEC). Sie hatten vor der Abstimmung einen offenen Brief an die europäischen Parlamentarier verfasst. Darin äußern sie "große Bedenken" dagegen, Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 zu verbieten.

Die Expertinnen und Experten insbesondere aus den Fächern Maschinenbau, Verfahrenstechnik und Chemie setzen weiter auf E-Fuels. Sie meinen, dass die CO2-Bilanz von batterieelektrisch betriebenen Autos wesentlich schlechter als oft angegeben sei, unter anderem da der zusätzliche Strombedarf zunächst hauptsächlich durch fossile Energieträger gedeckt werden müsste. Zudem könne die einseitige Ausrichtung auf diese Mobilitätsform zu einer größeren Abhängigkeit von China führen.

Autobahn: Reduktion von CO2-Ausstoß notwendigBild: Thomas Banneyer/dpa/picture alliance

In der EU gibt es rund 250 Millionen Autos, alleine in Deutschland sind es rund 48 Millionen. Das vom EU-Parlament geforderte Verbrenner-Verbot ab 2035 bezieht sich allerdings nur auf Neufahrzeuge, die ab diesem Zeitpunkt verkauft werden. Davor zugelassene Verbrenner wie auch der Handel mit Gebrauchtfahrzeugen wären nicht betroffen.

Umstellung der Fahrzeug-Flotte wird lange dauern

Legt man eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 14 Jahren für ein Auto zu Grunde, wird deutlich, dass die Elektro-Umstellung der gesamten Fahrzeugflotte in der EU bis weit in die 2040er Jahre hineinreichen wird.

Senioren auf dem FahrradBild: Patricia Rehe/ANP/imago images

Weil aber Treibhausgase eine lange Verweildauer in der Atmosphäre haben, sei die Klimaneutralität, die die EU bis 2045 anstrebt, mit einem bloßen Austausch der Antriebe nicht erreichbar, meinen Experten. Sie fordern weitere Steuerungselemente der Politik, etwa höhere Steuern auf fossile Kraftstoffe und Verbrenner-Autos, sowie einen komfortableren ÖPNV. Das Grundkonzept des Verkehrs müsse umgestaltet werden: Mehr Effizienz, weniger Autos.

Mehrheit der Bevölkerung ist skeptisch

Auch die Bevölkerung scheint noch nicht überzeugt zu sein. So ergab kürzlich eine Umfrage des TÜV-Verbands, das nur 26 Prozent der Bundesbürger sich ein E-Auto als nächsten PKW vorstellen könnten, doppelt so viele hielten einen Kauf für unwahrscheinlich. Auch das Verbrenner-Verbot lehnt Umfragen zufolge die Mehrzahl ab. Entsprechend kommentierte Hildegard Müller, Chefin des mächtigen deutschen Autoverbandes VDA, das Votum des EU-Parlaments: "Eine Entscheidung gegen den Markt und gegen die Bürger."

Norwegen: Musterland der E-MobilitätBild: Jan Woitas/dpa/picture alliance

Manche Länder sind mit ihren Plänen der EU sogar weit voraus. Norwegen will ab 2025 den Verkauf von Verbrennern verbieten. Großbritannien, Schweden, Dänemark und die Niederlande haben für 2030 ein Verbot ins Auge gefasst. 

Vorteile für Autobauer

Dass auch große Autobauer wie VW oder Mercedes-Benz das Verbrenner-Verkaufsverbot 2035 begrüßen, hat manchen Beobachter überrascht. Doch die Unternehmen sehen viele Vorteile für sich. Die Klima-Vorgaben der EU zwingen sie ohnehin dazu, den CO2-Ausstoß ihrer Flotten zu senken. Staatliche Subventionen für E-Autos wie Kaufprämien und Ausbau der Ladeinfrastruktur gehen bereits jetzt zu Lasten der Steuerzahler.

Mercedes Interieur E-Automodell EQBild: Daimler AG

Außerdem werden für die Herstellung von E-Autos weniger Arbeitskräfte benötigt, da Elektromotoren aus wesentlich weniger Komponenten bestehen als Verbrenner. Und der Abbau von Jobs wird oft von den Börsen honoriert. BMW-Betriebsratsvorsitzender Manfred Schoch: "Ein Achtzylindermotor hat 1200 Teile, die montiert werden müssen, ein Elektromotor nur 17 Teile."

CO2-Ersparnis, Abhängigkeit von China

Die Umstellung auf Elektromobilität birgt weitere Risiken. Wegen unerwarteter Ereignisse und Katastrophen scheint es kaum möglich, die CO2-Ersparnis objektiv vorherzusagen. So steigert beispielsweise die durch den Krieg in der Ukraine verursachte Energie-Krise den Anteil der Kohle-Verstromung. Darunter leidet auch die CO2-Bilanz von E-Autos.

Mine für Seltene Erden in Jiangsu, ChinaBild: Wang chun lyg/Imaginechina/picture alliance

Die Gewinnung und Bearbeitung vieler kritischer Rohstoffe für die Elektro-Mobilität werden von China beherrscht. Dadurch entstehen gefährliche Abhängigkeiten. E-Autos benötigen sechsmal mehr seltenen Metalle wie beispielsweise Kupfer, Kobalt, Mangan und Lithium - alleine dessen Preis stieg laut Internationaler Energie-Agentur IEA innerhalb eines Jahres um 700 Prozent.

Ende des Kleinwagens?

Für die Autokäufer bedeutet dies, das E-Autos noch teurer werden, als sie ohnehin schon sind. In Deutschland kostet ein kompaktes Elektrofahrzeug - nach Abzug der staatlichen Kaufprämie - bereits jetzt mindestens 20.000 Euro. Da die Autohersteller die größten Gewinne mit dem Verkauf teurer Luxuskarossen erzielen, könnte es durchaus sein, dass preiswerte Kleinwagen und Familienkutschen der Verkehrswende zu Opfer fallen.

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