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PolitikEuropa

EU will Iran bestrafen

17. Oktober 2022

Wegen der Gewalt gegen Demonstranten haben die EU-Außenminister erstmals seit Jahren Strafen gegen den Iran beschlossen. Jetzt ist das Atom-Abkommen unwahrscheinlicher denn je. Aus Luxemburg Bernd Riegert.

Luxemburg | Treffen EU-Außenministertreffen | Josep Borrell
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell in Luxemburg: Atom-Abkommen mit Iran rückt in weite FerneBild: Lenoir/EUC/ROPI/picture alliance

Josep Borrell zuckt enttäuscht mit den Achseln. Der EU-Außenbeauftragte sieht, dass sich sein wichtiges diplomatisches Projekt langsam in Luft auflöst. Schuld daran ist das islamistische Mullah-Regime, das Menschenrechte mit roher Gewalt unterdrückt. Beim Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg bleibt Borrell nichts anderes übrig, als ein Sanktionspaket gegen die iranische Führung beschließen zu lassen.

Damit wird ein erneuter Abschluss einer internationalen Vereinbarung zum Verbot atomarer Bewaffnung des Iran, das sogenannte Atom-Abkommen, immer unwahrscheinlicher. "Die Verhandlungen stockten in den letzten Wochen. Wir erwarten jetzt überhaupt keine Bewegung. Das ist schade, denn wir waren ganz, ganz nah dran", bedauert Josep Borrell in Luxemburg.

"Mit einem Abkommen wäre die Welt sehr viel sicherer"

Mit einem wiederbelebten Atom-Deal wären die Region, Europa und die Welt sehr viel sicherer, meint Borrell. 2016 war ein über Jahre zwischen den USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und dem Iran ausgehandeltes Abkommen in Kraft getreten, das die Urananreicherung zum Bau einer Atombombe im Iran stoppen sollte. Im Gegenzug hoben die USA und die EU einige wirtschaftliche Sanktionen gegen das Regime in Teheran auf. 2018 kündigte US-Präsident Donald Trump den Deal mit Iran einseitig auf. Die Entwicklung der iranischen Bombe ging weiter.

Vor eineinhalb Jahren starteten nach dem Machtwechsel im Weißen Haus die Verhandlungen zur Wiederbelebung des Iran-Abkommens. Im August war Josep Borrell noch hoffnungsvoll und sprach von einem möglichen Durchbruch. Doch dann stellte Teheran neue Forderungen. Der Verdacht kam auf, das geheime militärische Atomprogramm des Iran könne viel weiter fortgeschritten sein, als bisher vermutet.

Demonstrantion gegen das iranische Regime vor dem EU-Gebäude in LuxemburgBild: Bernd Riegert/DW

Sanktionen gegen Irans Regime

Die Gewalt gegen Demonstrantinnen und Demonstranten im Iran hat sich in den letzten Wochen drastisch erhöht. Seit dem Tod der jungen Jina Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei wegen eines falsch getragenen Kopftuchs verhaftet und misshandelt wurde, begehren die Menschen im Iran gegen das Regime massenhaft auf. Die EU-Außenminister stimmen deshalb dafür, zum ersten Mal seit 2016 neue Sanktionen gegen das Mullah-Regime zu verhängen.

"Wir werden und können die Augen nicht verschließen", sagt die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in Luxemburg. Ein Sanktionspaket wurde auf den Weg gebracht, "das die Verantwortlichen für Verbrechen gegen Frauen, Jugendliche und Männer trifft. Darunter ist auch die sogenannte Sittenpolizei. Ein Unwort eigentlich, wenn man sieht welche Verbrechen dort begangen werden". Das Sanktionspaket sei eher ein kleines Päckchen meinen jedoch einige Dutzende Exil-Iraner, die in Luxemburg vor dem EU-Tagungsgebäude demonstrieren. Sie fordern schärfere Sanktionen und eine Anerkennung des "Volksaufstandes" in ihrer Heimat.

Außenministerin Baerbock: Sittenpolizei mit Sanktionen belegtBild: Bernd Riegert/DW

Der Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn, ruft die Machthaber im Iran zum Umdenken auf. "Die Allmächtigen im Iran müssen mal auf den Kalender schauen und sehen, dass wir das Jahr 2022 haben. Die Menschen wollen nicht mehr eingesperrt sein. Sie wollen Sauerstoff, vor allem die jungen Menschen und die Frauen." Das Regime habe 40 Jahre lang funktioniert, doch das sei jetzt vorbei. Dennoch wären die Möglichkeiten der EU, direkt Einfluss zu nehmen, begrenzt. Asselborn plädiert dafür, ein Abkommen zum Nuklearprogramm des Irans nicht ganz fallen zu lassen. "Unter den Umständen, unter denen wir jetzt sind, bin ich der Meinung, dass wir es nicht wieder auf die Schiene bekommen zu diesem Zeitpunkt."

Durch Brand zerstörtes Evin-Gefängnis in TeheranBild: KOOSHA MAHSHID FALAHI/MIZAN/AFP/Getty Images

Sanktionen auch wegen Waffen für Russland?

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock kündigt weitere Sanktionen wegen Verletzung der Menschenrechte im Iran an. Unklar ist zum Beispiel unter welchen Umständen ein berüchtigtes Gefängnis für politische Gefangene in Teheran abgebrannt ist. Von dort werden inzwischen acht Todesopfer und über 60 Verletzte gemeldet. "Wenn dieses Regime weiter auf seine Menschen so einschlägt, dann wird es weitere Sanktionspakete gezielt auf die Verantwortlichen geben", sagt Baerbock.

Einige EU-Außenminister wollen zudem Sanktionen, falls sich der Verdacht bewahrheitet, dass der Iran dem russischen Aggressor im Krieg die Ukraine Drohnen und demnächst auch Raketen liefert. Der dänische Ressortchef Jeppe Kofod verlangt, die EU müsse reagieren. Es würden Beweise gesammelt, versichert der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Iran weist die Anschuldigungen zurück. 

Ausbildungsmission für die Ukraine

Während Russland an diesem Montag die ukrainische Zivilbevölkerung erneut mit Raketen angreift, beschließen die EU-Außenminister eine neue Trainingsmission, um demnächst auch große Verbände der ukrainischen Armee in EU-Mitgliedsstaaten auszubilden und gemeinsam üben zu lassen. Die EU verspricht dem ukrainischen Außenminister Dymtro Kuleba, der aus einem Luftschutzkeller in der Ukraine per Video zu den Beratungen zugeschaltet wird, 15.000 ukrainische Soldaten vornehmlich in Polen und Deutschland zu schulen. Diese größte EU-Ausbildungsmission mit dem Namen "EUMAM" ist auf zwei Jahre angelegt und wird rund 100 Millionen Euro kosten. Ungarn und Österreich enthalten sich der Stimme bei der Abstimmung über die Ausbildungsmission und erklären, keine Soldaten aus der Ukraine ausbilden zu wollen.

Deutschland: Eine Million ukrainische Flüchtlinge

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Die EU-Außenminister billigen weitere 500 Millionen Euro für Waffenkäufe der Ukraine. Das ist die sechste Tranche aus der sogenannten "Friedens-Fazilität" der EU seit Beginn des russischen Angriffskrieges. Die Militärhilfe der EU beläuft sich damit jetzt auf drei Milliarden Euro. Hinzu kommen 17 Milliarden Euro für humanitäre Hilfen und die Unterstützung des ukrainischen Haushalts.

Die Außenminister der drei baltischen Staaten, Estland, Lettland und Litauen, regen die Einrichtung eines speziellen Tribunals an, das sich mit dem völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine beschäftigen soll. Dieser Vorschlag findet zunächst keinen großen Widerhall. Von einigen EU-Diplomaten heißt es, es gebe ja bereits den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, der Beweise für russische Gewalttaten und Völkermord sammele. 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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