Konsequenzen für Rumänien?
12. Juli 2012Der rumänische Ministerpräsident Victor Ponta hat sich in Brüssel sehr darum bemüht, die politischen Vorgänge in seinem Land zu erläutern und mögliche negative Konsequenzen abzuwenden. Zwei Tage hat er Gespräche mit Parlamentspräsident Martin Schulz, Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Ratspräsident Herman Van Rompuy und Europaabgeordneten geführt. An die Öffentlichkeit ging er jedoch nur nach der Unterredung am Mittwochabend (11.07.2012) mit Schulz, der wie Ponta Sozialdemokrat ist. Ponta verteidigte sein Vorgehen. Es sei "verfassungsgemäß und entspricht EU-Standards". Er zeigte sich aber auch entgegenkommend: "Wenn irgendeine Entscheidung der Regierung oder des Parlaments europäische Normen nicht erfüllt, sind wir bereit, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen."
Schulz machte aus der gemeinsamen Parteizugehörigkeit keinen Hehl und nannte Ponta seinen Freund. Trotzdem habe er einige Dinge bemängelt, zum Beispiel: "Wichtige Gesetze sollten nicht durch Notverordnungen, sondern nur durch einen demokratischen Prozess geändert werden." Um eine Amtsenthebung des konservativen Präsidenten Traian Băsescu zu erleichtern, hatte Ponta per Notverordnungen mehrere Gesetze geändert. Vor allem daran hatte sich die internationale Kritik entzündet. Schulz meinte aber nach dem Treffen, er sei nun zuversichtlich, dass es nichts geben werde, "was die Kommission als Verletzung europäischer Standards kritisieren könnte."
Schengen-Beitritt könnte sich verzögern
Die Kritik aus der Kommission war vor allem von Justizkommissarin Viviane Reding gekommen. Reding hatte nicht nur ernste Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit von Pontas politischen Schritten geäußert, sondern auch mögliche Konsequenzen angedroht: "Wenn es nicht sehr verlässliche Zusicherungen und konkrete Maßnahmen der rumänischen Regierung zur Wiederherstellung des Rechtsstaats gibt, könnte das Land im Prozess der vollständigen Integration in die Europäische Union Jahre verlieren."
Hintergrund ist, dass die EU die rechtsstaatliche Situation Rumäniens sowie den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen noch regelmäßig kontrolliert, für Rumänien eine Demütigung. Erst wenn die Ergebnisse dieser Prüfungen für die EU-Staaten zufriedenstellend ausfallen, kann Rumänien zum Beispiel auf einen Beitritt zum grenzkontrollfreien Schengen-Raum rechnen. Das heißt, der politische Machtkampf in Rumänien könnte den Schengen-Beitritt nach den Worten Redings noch um Jahre verzögern und das Prüfverfahren verlängern. Doch eine Verbindung zwischen den innenpolitischen Vorgängen in Rumänien und der Schengen-Frage lehnt Ponta ab. "Das finden wir nicht fair, und ich hoffe, das wird nicht passieren", sagte der rumänische Ministerpräsident.
Parteipolitische Standpunkte
Klar ist auf jeden Fall nach den zwei Brüssel-Tagen Pontas, dass der Streit mit der EU auch eine deutlich parteipolitische Komponente hat. Während der Presseauftritt mit dem Sozialdemokraten Schulz insgesamt positiv ausfiel, wollte Joseph Daul, der Fraktionsvorsitzende der konservativen Volkspartei im Europaparlament, Ponta gar nicht empfangen. Auch Markus Ferber, der als CSU-Europaabgeordneter zu Dauls Parteienfamilie gehört, kritisierte Ponta scharf. Der habe aus Rache das Verfassungsrecht geändert und das Verfassungsgericht unter Druck gesetzt. "Es findet hier eine massive politische Hetze gegen den Staatspräsidenten statt, die nach meinem Eindruck nur motiviert ist aufgrund der Verurteilung des früheren sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Nastase wegen Korruptionsvorwürfen. Wer Politik dazu missbraucht, Rachefeldzüge zu machen, verlässt den demokratischen, rechtsstaatlichen Bogen", meinte Ferber.
Während nun viele konservative Abgeordnete Sozialdemokraten vorwerfen, auf dem linken Auge blind zu sein, war es beim Streit mit Ungarn vor gut einem Jahr genau umgekehrt. Damals hatten linke Politiker den Christdemokraten vorgeworfen, die angeblichen Rechtsbeugungen des konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban zu ignorieren, als der daranging, die ungarische Verfassung zu ändern. Auf Parallelen zwischen Orban und ihm befragt, sagte Ponta in Brüssel, gemeinsam hätten sie nur den Vornamen.
Erst kommende Woche wird sich zeigen, welchen Eindruck Ponta in Brüssel gemacht hat. Am Mittwoch will die Kommission nämlich entscheiden, ob sie die Überwachung Rumäniens verlängert. Noch davor wird der jüngste Prüfbericht veröffentlicht. Er dient den Mitgliedsstaaten als Grundlage für die Entscheidung, ob sie Rumänien in den Schengen-Raum aufnehmen wollen. Für Ponta und sein Land steht also einiges auf dem Spiel.