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EU versucht sich an Digital-Steuern

21. September 2017

Firmen, die im Internet ihr Geld verdienen, sollen in der EU künftig "fair" besteuert werden. Nur wie? Die EU-Kommission macht Vorschläge, aber es bleibt kompliziert. Aus Brüssel Bernd Riegert.

EU Netzwerkkabel Stecker gezogen
Bild: DW/P. Henriksen

Gewinne von traditionellen Unternehmen, die greifbare Produkte herstellen, werden in der EU mit einer durchschnittlichen Steuer von 23,2 Prozent belegt. So genannte digitale Unternehmen, die im Internet hauptsächlich Dienstleistungen vermitteln, zahlen nur 10,1 Prozent an Steuern. Konzerne wie Amazon, die im Internet direkt an private Kunden verkaufen, zahlen sogar durchschnittlich nur einen Steuersatz von 8,9 Prozent. "Digitale Unternehmen sollten genauso besteuert werden wie traditionelle", meinte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble beim letzten Finanzministertreffen der EU in Tallinn. Alles andere sei ungerecht, glaubt auch die EU-Kommission in Brüssel. Sie legte jetzt Daten und Vorschläge zur Besteuerung der Wirtschaft im Internet auf den Tisch.

Virtuelle Unternehmen sollen reale Steuern zahlen

Valdis Dombrovskis, der zuständige EU-Kommissar für Finanzen und Steuern, will "faire" Steuern für die digitalen Unternehmen erreichen. Dabei solle das Prinzip gelten, dass die Steuern dort gezahlt werden, wo die Umsätze und Gewinne gemacht werden. Bislang verschieben viele Unternehmen ihre Gewinne über Tochterfirmen und Lizenzsysteme in EU-Staaten, die weniger Steuern erheben, wie Irland, Luxemburg, Malta oder die Niederlande. Manche Firmen transferieren die Gewinne auch in Steueroasen außerhalb der Europäischen Union. Das müsse aufhören, mahnt Valdis Dombrovskis und nennt das Prinzip, das künftig gelten soll: "Steuern werden auch von Unternehmen gezahlt, die gar keine physische Niederlassung in einem EU-Staat haben, sondern irgendwo in der Datenwolke unterwegs sind." Die Steuerbehörden müssten sich den neuen digitalen Zeiten anpassen. Wie das genau geschehen soll, ließ Dombrovskis offen.

EU-Finanzkommissar Valdis Dombrovskis: Steuern aus der DatenwolkeBild: Reuters/Francois Lenoir

Eine Frage der Gerechtigkeit

Bis zur Einführung eines neuen Steuersystems werde es noch etwas dauern, räumte der EU-Kommissar ein. Umstritten ist auch die Frage, ob künftig der Gewinn oder der Umsatz der Unternehmen als Basis für die Besteuerung dienen soll. Die Finanzminister der EU waren sich darüber bei ihrem Treffen am Wochenende nicht einig geworden. Nur zehn der 28 Staaten sind im Moment für die Umsatz-Lösung.

Die EU-Kommission macht Druck, denn den Staaten entgehen nach Studien des Europäischen Parlaments jedes Jahr Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Alleine Facebook und Google hätten von 2013 bis 2015 Steuern in Höhe von 5,4 Milliarden Euro in der EU gespart. Gleichzeitig würden die digitalen Unternehmen überproportional schnell wachsen. Althergebrachte Einzelhändler seien in den letzten acht Jahren nur um ein Prozent pro Jahr gewachsen, Internethändler wie Amazon seien jährlich um 32 Prozent größer geworden, teilte die EU-Kommission mit.

Zahlt Steuern am liebsten dort, wo sie niedrig sind: Amazon-Chef Jeff BezosBild: Getty Images/D.Ryder

Notfalls im Alleingang

Der irische Finanzminister Paschal Donohoe sieht die Pläne zur Besteuerung der digitalen Ökonomie äußerst kritisch. Die Steuerhoheit Irlands, wo viele US-Internetunternehmen ihren europäischen Sitz haben und Steuern zahlen, und anderer Staaten würde gefährdet, kritisierte der irische Minister. Die praktische Umsetzung sei sehr schwierig. Außerdem wäre es nötig, ein neues Steuersystem global anzulegen, sagte Donohoe beim letzten Finanzministertreffen in Tallinn. Auch EU-Kommissar Valdis Dombrovskis sieht die Notwendigkeit, die global tätigen Unternehmen auch international zu besteuern. Allerdings gehen die Einigungsversuche mit China oder den USA im Rahmen der G20 sehr langsam und mühsam voran. "Die EU muss bereit sein, auch alleine zu handeln, wenn es international nicht vorangeht", sagte Dombrovskis am Donnerstag in Brüssel.

Ausgleichssteuer auf Interneteinkäufe?

Da es bis zum großen Wurf noch etwas dauern wird, haben zehn EU-Staaten, unter ihnen Deutschland, gefordert, eine Zwischenlösung anzustreben. Sie wollen eine "Ausgleichssteuer" auf Geschäfte oder Bezahlvorgänge im Internet erheben. Alternativ könnten auch Werbeanzeigen im Internet besteuern werden. Einzelheiten sind aber noch unklar. Im Dezember will die EU-Kommission dazu Vorschläge machen. Einen Gesetzesentwurf soll es im April nächsten Jahres geben. Danach wäre dann das Europäische Parlament am Zuge.

Eine Einigung auf Steuergesetze ist in der EU extrem schwierig, da Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssen. Nicht nur aus Irland gibt es Widerstand. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble war eher skeptisch, weil viele Detailfragen unbeantwortet sind. Falls sich in der EU keine Einigkeit beim Thema digitale Besteuerung herstellen lässt, könnten einige Staaten als Gruppe vorangehen und ihre Steuergesetze ändern. Diesen Versuch gibt es auch bei der "Finanzmarkttransaktionsteuer" auf spekulative Geschäfte im Finanzmarkt. An ihr arbeiten seit vielen Jahren elf EU-Staaten - bislang ohne Ergebnis. Der Finanzminister von Malta, Edward Scicluna, meinte dazu nur: "Eine zweites erfolgloses Abenteuer wie mit der Finanzmarkttransaktionssteuer brauchen wir nun wirklich nicht."

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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