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Letzte Frist für Russland

Bernd Riegert22. Juli 2014

Die EU bringt weiter gehende wirtschaftliche Sanktionen auf den Weg, um Russland zum Einlenken zu bewegen. Eine Entscheidung soll erst am Donnerstag fallen. Der komplizierte Mechanismus gibt Russland eine letzte Frist.

Frank-Walter Steinmeier PK 22.7.2014
Frank-Walter Steinmeier: Die Weichen sind gestelltBild: DW/B.Riegert

Am Donnerstag (24.07.2014) will die Europäische Union eine Liste mit Personen und Firmen vorlegen, die wegen der Ukraine mit Sanktionen belegt werden. Sollte Russland bis dahin nicht seine Grenze zur Ukraine schließen und sich von den pro-russischen Rebellen im Osten der Ukraine distanzieren, will die EU diese gezielten Sanktionen nach mehrfacher Androhung nun tatsächlich ausweiten. "Sollte Russland nicht bereit sein, zu kooperieren, dann sind die Weichen mit der heutigen Entscheidung gestellt. Das ist die Botschaft, die von dem heutigen Treffen ausgeht", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nach dem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Bis zum kommenden Donnerstag soll die EU-Kommission außerdem eine Liste mit ersten umfassenden Wirtschaftssanktionen vorbereiten. Diese Sanktionen sollen Handelsverbote für hochwertige Technologie in Bereichen wie Verteidigung und Energiewirtschaft beinhalten. Ausrüstungsgegenstände, die sowohl militärisch wie zivil verwendet werden könnten, sollen betroffen sein, kündigte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton an.

Entscheidung über Sondergipfel der EU am Donnerstag

Während der deutsche Außenminister in seiner Pressekonferenz bei einem konkreten Datum für Entscheidungen über diese neue Form von Sanktionen vage blieb, machte Catherine Ashton ungewohnt konkrete Ansagen. "Auf dieser Basis wird am Donnerstag eine Entscheidung getroffen, ob der Europäische Rat noch einmal zusammentreten muss oder ob das anders vollzogen werden kann. Das wird der Präsident des Europäischen Rates abschließend beurteilen", kündigte die Außenbeauftragte an. Nach Lesart der Europäischen Union handelt es sich bei den neuen angedrohten Sanktionen also um die sogenannte Stufe drei, die von den Staats- und Regierungschefs der EU einstimmig ausgelöst werden kann. Russland müsse "sofort" einlenken, um härtere Strafmaßnahmen zu vermeiden, machte Lady Ashton deutlich.

EU fordert Russland zur Mitwirkung bei Suche nach Absturzursache auf

Der vermutete Abschuss der Passagiermaschine MH17 am vergangenen Donnerstag über der Ostukraine, der 298 Todesopfer forderte, hatte die Stimmung unter den Außenministern der Europäischen Union offenbar gedreht. Frans Timmermans, der niederländische Außenminister, hatte sich in einer bewegenden Rede an seine Amtskollegen gewandt. Mit 193 Toten haben die Niederlande die meisten Opfer zu beklagen. Die Maschine der Malaysia Airlines war in Amsterdam gestartet. Die Außenminister legten eine Schweigeminute für die getöteten Zivilisten ein. Eine Mitschuld für den Abschuss sehen die EU-Außenminister bei Russland. Der niederländische Außenminister Frans Timmermans sagte, man werde nicht ruhen, bis die Schuldigen für den Absturz der Maschine gefunden seien. "Ich freue mich darüber, dass so viele Kollegen Solidarität und Unterstützung für die Opfer und ihre Hinterbliebenen gezeigt haben", sagte Timmermans. Mit der Androhung verschärfter Sanktionen habe die EU eine machtvolle Entscheidung getroffen, lobte Timmermans. "Diese Entscheidung haben wir einstimmig getroffen. Das ist ein gutes Zeichen."

Frans Timmermans (Mi.) : bewegende RedeBild: picture-alliance/dpa

Niederländische Journalisten fragten Frans Timmermans, angesichts der komplexen und langwierigen Entscheidungswege und dem Verweis auf den kommenden Donnerstag, ob die Reaktion der EU auf den Flugzeugabsturz nicht zu "schlapp" sei. Der Außenminister reagierte gereizt: "Ich stelle mich hierhin und sage: es kommen mehr Sanktionen. Und Sie sagen mir dann, das sei aber schlapp. Es sind aber Entscheidungen gefallen. Die Liste mit konkreten Namen nach der sogenannten Stufe zwei wird jetzt ausgefertigt. Es werden mehr Sanktionen auf den Weg gebracht." Die EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton drückte allen Angehörigen der Absturzopfer nicht nur in den Niederlanden, sondern in der ganzen Welt ihr Mitgefühl und Beileid aus. Dann richtete sie eine konkrete Forderung an die Adresse Moskaus. "Diejenigen, die direkt oder indirekt für den Absturz des Flugzeuges verantwortlich sind, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Wir rufen alle Staaten und Beteiligten auf, hierbei vollständig mitzuwirken. Wir fordern vor allem Russland auf, seinen Einfluss auf die unrechtmäßig bewaffneten Milizien auszuüben, damit man Zugang zur Absturzstelle erhalten kann." Inzwischen konnten in Kühlwaggons eine große Zahl Leichen nach Charkiv verbracht werden, wo ukrainische Truppen das Sagen haben. Ob alle 298 Leichen geborgen werden konnten ist unklar. Bundesaußenminister Steinmeier kritisierte den zynischen und Menschen verachtenden Umgang der Rebellen am Absturzort mit den sterblichen Überresten der Opfer, darunter rund 80 Kinder.

Leichen-Zug in Charkiv: Opfer sollen ausgeflogen werdenBild: DW/A. Indjuhova

EU bedauert Opfer im Israel-Gaza-Konflikt

Neben der Ukraine berieten die EU-Außenminister auch über die Krisenherde im Nahen Osten, allerdings ohne konkrete Beschlüsse zu fassen. Die EU bedauert den Verlust von Menschenleben im aktuellen Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gaza-Streifen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bestätigte, dass eine deutsche Familie mit palästinensischen Wurzeln im Gaza-Streifen durch israelischen Beschuss getötet worden ist. "Das unterstreicht nur noch einmal, wie dringlich es ist, endlich zu einer Waffenruhe zu kommen", sagte Steinmeier in Brüssel. Bislang sei ein Waffenstillstand aber an der radikalen Hamas gescheitert, fügte der Außenminister hinzu. Kritik an Israel wollte der deutsche Außenminister nicht üben. "Natürlich hat Israel das Recht, seine Bevölkerung gegen andauernden Raketenbeschuss zu verteidigen. Es muss aber wirklich alles getan werden, um die Zahl der zivilen Opfer nicht noch höher werden zu lassen." Die EU-Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton, mahnte Israel bei der Entwaffnung der Hamas die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Beide Seiten sollten einen Waffenstillstand vereinbaren und nach einer friedlichen Lösung suchen. Mehrere europäische Fluggesellschaften gaben unterdessen bekannt, dass sie Flüge nach Israel wegen der anhaltenden Kämpfe vorerst aussetzen. Damit ziehen sie wohl auch eine Lehre aus dem Abschuss von MH17 über der Ukraine in der vergangenen Woche. Das Krisengebiet wurde von vielen Fluggesellschaften in der normalen Reiseflughöhe von 10 000 Metern ohne Argwohn überflogen, und trotzdem passierte eine Katastrophe. In Israel starten und landen Flugzeuge und können so sehr viel leichter zu Zielen werden.

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