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Politik

Einfluss der jungen Wähler

Maximiliane Koschyk | Gianna-Carina Grün
24. Mai 2019

Brexit, Klimawandel, Datenschutz: Für ihre Rechte haben junge Menschen europaweit die Politik auf sich aufmerksam gemacht. Was können ihre Wählerstimmen im neuen EU-Parlament bewirken?

Deutschland EU-Gipfel 60 Jahre- EU-Unterstützer in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/S. Stein

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"Bei dieser Wahl entscheiden Sie über die Lebensbedingungen der Menschheit" - deutliche Worte, die Greta Thunberg für die Mitglieder des europäischen Parlaments im April fand. Ihr Schulstreik hatte hunderttausende Jugendliche weltweit zu Protesten für den Klimaschutz inspiriert.

Mit 16 Jahren ist die Schwedin zu jung, um selbst bei der kommenden Europawahl abzustimmen. Aber viele ihrer Mitstreiter dürfen in diesem Jahr zum ersten Mal wählen. 28 Millionen Erstwähler haben dann die Möglichkeit, die Politik Europas auch mit ihren Stimmen zu verändern.

Junge Europäer gehen auf die Straße…

Mit 400 Millionen Wahlberechtigten ist die Europawahl (noch bis zum 26. Mai) nach den Parlamentswahlen in Indien die zweitgrößte demokratische Abstimmung der Welt.

Manche junge Demonstranten dürfen zum ersten Mal wählenBild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch

Gerade jetzt vor der Europawahl sind viele junge Europäer für ihre Anliegen auf die Straße gegangen. In Deutschland protestierten sie gegen den "Upload-Filter", eine neue Urheberrechtsverordnung der EU. In Großbritannien demonstrieren sie gegen den geplanten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, über den neben dem britischen auch das Europaparlament abstimmen muss.

Doch welchen Einfluss hat Europas Jugend mit der Stimmabgabe? Das Europaparlament wird alle fünf Jahre gewählt. Die Erstwähler 2019 sind somit zwischen 18 und 22 Jahren alt. Die Datenanalyse der DW zeigt, dass der Anteil der Erstwähler in der EU zwischen fünf und acht Prozent aller Wahlberechtigten liegt. Gemeinsam mit den Wählern unter 30 Jahren macht die Jugend Europas bis zu ein Fünftel der Wahlberechtigten aus, wie diese DW-Recherche zeigt:

aber gehen sie auch ins Wahllokal?

Junge Wähler gelten oft als wahlfaul. Das könnte sich auch bei der kommenden Wahl bestätigen. Einer Prognose des European Council on Foreign Relation (ECFR) zufolge könnte die Wahlbeteiligung junger Menschen die niedrigste aller Altersgruppen werden.

Doch wenn sie von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen, könnten sie auf die Mandatsverteilung durchaus großen Einfluss haben, vor allem in den EU-Staaten, wo sich die politischen Präferenzen zwischen den Generationen stark unterscheiden. "Die tschechische Piratenpartei ist doppelt so beliebt bei jungen Wählern wie bei allen tschechischen Wählern", erklärt Pawel Zerka vom ECFR. Auch die polnische Partei Wiozna (dt. "Frühling") gibt es zwar erst seit Anfang des Jahres, aber mit Prognosen von zehn Prozent könnte sie bis zu sechs der polnischen Sitze im EU-Parlament gewinnen.

Keine Jugend-Re-Volt-e in Aussicht

Doch nicht jede Partei, die sich vor allem an junge Wähler richtet, hat Erfolg. Die europaweite Jugendpartei Volt hat Prognosen zufolge keine Aussicht auf Sitze im EU-Parlament. Und in Großbritannien liegen die ausdrücklich proeuropäischen Parteien bei den Erstwählern weit hinter der in Brexit-Fragen unentschiedenen Labour-Partei.

Ungarns EU-Befürworter

03:10

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Für junge Wähler ist Europa nicht nur ein Friedensprojekt

Das liegt daran, dass junge Europäer ganz anders auf die EU blicken als ihre Eltern und Großeltern. Sie kennen kein Leben ohne EU. Manche von ihnen haben nie ein anderes Taschengeld als den Euro bekommen. Sie sind in einem vereinten Europa geboren, aber in einer gebeutelten EU aufgewachsen. Die Finanzkrise hat vor allem jungen Südeuropäern wirtschaftliche Perspektiven zerstört. Weil sie nie einen militärischen Konflikt oder den Kalten Krieg erlebt haben, zählt für junge Europäer ihre Zukunft mehr als die Vergangenheit, so Pawel Zerka. "Sie akzeptieren nicht ohne weiteres die Idee der EU als Friedensprojekt."

Ihnen ist vor allem ihre berufliche und ökologische Zukunft wichtig. Parteien mit solchen Perspektiven punkten bei ihnen. "Das gilt vor allem für grüne Parteien in Deutschland, Österreich, Frankreich, Schweden und den Niederlanden", sagt Zerka. Genau diese Länder schickten schon nach der letzten Wahl jeweils mehr als einen Abgeordnete ins Europaparlament und könnten 2019 noch einmal zulegen.

Auch Rechtspopulisten können die Jugend begeistern: Anhänger des niederländischen Forums für DemokratieBild: picture-alliance/dpa/ANP

Ebenso beliebt bei jungen Leuten sind allerdings auch Populisten. "In manchen Ländern fühlt sich eine beachtliche Zahl junger Leute zu rechten oder antibürgerlichen Parteien hingezogen", so Zerka. Zustimmung bei jungen Wählern erhielten etwa die Partei Jobbik in Ungarn, Vox in Spanien und Kotleba in Slowenien.

Sie verändern Europas politische Landschaft

Für junge Wähler ist der Blick in die Zukunft nicht nur im Wahlprogramm, sondern auch auf dem Wahlplakat wichtig. In der vergangenen Legislaturperiode war das Durchschnittsalter der EU-Abgeordneten 55 Jahre. Der jüngste Abgeordnete war 28 Jahre alt, der älteste 90. Das Durchschnittsalter könnte jetzt sinken, zumindest wenn man nach dem Alter der Spitzenkandidaten geht. Die französischen Rechtspopulisten der Partei Rassemblement National haben sogar den erst 23 Jahre alten Jordan Bardella als Spitzenkandidaten nominiert.

Die jungen Wähler von heute zu binden ist langfristig eine gute Investition für Politiker. Wie junge Menschen in ihren ersten Wahlen stimmen, das kann nachhaltig ihre politischen Gewohnheiten beeinflussen, wie Politikwissenschaftler des Pew-Forschungszentrums in einer Langzeitstudie herausgefunden haben. Politische Gewohnheiten, so ihr Fazit, ändern sich im Laufe des Lebens kaum. Das heißt, was Erstwähler in diesem Mai auf ihrem Stimmzettel ankreuzen, könnte langfristig die politische Landschaft der EU verändern.

 

Korrekturhinweis 13. November 2020: Eine frühere Version der Grafik in diesem Artikel hat einen falschen Anteil an Erstwählern in Österreich gezeigt. Wir haben die Grafik korrigiert, sodass sie nun den damals aktuellen Anteil an Erstwählern (fünf Prozent) zeigt. Wir entschuldigen uns für den Fehler.

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