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Politik

EU-Wahl: Doppelte Stimmabgabe weiterhin möglich

Kay-Alexander Scholz
24. Mai 2019

Dass Bürger mit zwei Pässen zweimal wählen, ist bei der EU-Wahl verboten. Doch es ist möglich - und das, obwohl dies schon bei der letzten Wahl kritisiert wurde. Einer Partei kommt das Problem gelegen.

Deutschland | Europawahlen 2019 | Elbphilharmonie
Bild: picture-alliance/dpa/F. König

"Das ist mal eine markante Markierung. In Südafrika bekommt man einen Tintenstrich über Fingernagel und Haut. Bei der Wahl in Malawi werden die Fingerspitzen in Tinte getaucht, damit die doppelte Stimmabgabe verhindert wird." Über diesen Tweet der ARD-Korrespondentin Jana Genth zur Lage in Afrika mag so mancher in Deutschland schmunzeln. Denn damit zu verhindern, dass jemand mehrfach seine Stimme abgibt, erscheint altertümlich und eigentlich überholt. Aber Deutschland hat dieses Problem noch nicht gelöst.

"Ich habe zweimal gewählt"

In Deutschland leben - Minderjährige inklusive - rund 785.000 EU-Doppelstaatler. Das sind Deutsche, die auch noch Staatsbürger eines anderen EU-Landes sind, also zwei Pässe haben. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2017, genauere Daten gibt es nicht.

Bei der letzten EU-Wahl 2014 machte der Fall eines bekannten Journalisten Schlagzeilen, der sich als Doppel-Wähler outete. "Ich habe zweimal gewählt", sagte der Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit" Giovanni di Lorenzo in einer TV-Show, "einmal im italienischen Konsulat und einmal in Hamburg". Aus dem Medienskandal #GiovanniGate wurde damals ein Rechtsfall, der mit einer Geldzahlung endete. Denn seine Stimme zwei Mal abzugeben, ist verboten.

Doch ob verboten oder nicht, es war möglich. Die Bundesregierung versprach, zusammen mit den zuständigen Wahlleitern aus Bund und Ländern nach einer Lösung zu suchen.

Datenabgleich nicht möglich

Im März 2019, also zwei Monate vor der aktuellen EU-Wahl, gab es eine Anfrage an die Bundesregierung, ob das Problem denn nun gelöst sei. In der schriftlichen Antwort stand: nein. "Eine eindeutige Ermittlung weiterer Staatsangehörigkeiten anhand des Melderegisters" sei nicht möglich, heißt es zur Begründung. Denn ein Datenabgleich von Land zu Land sei nicht möglich.  

Das bestätigte nun auch der Bundeswahlleiter der Nachrichtenagentur DPA. Für eine Kontrolle müssten die Wählerverzeichnisse abgeglichen werden. "Dazu bräuchten wir einerseits eine rechtliche Grundlage auf europäischer Ebene", so Georg Thiel. "Andererseits können sie sich vorstellen, wie komplex und wie schwierig das wäre."

So bleibt dem Bürger nur, sich zu wundern. Einer bringt seine Verwunderung auf Twitter so zum Ausdruck: "Meine Frau, Doppelstaatlerin, konnte es nicht fassen, dass sie zwei Wahlaufforderungen bekommen hat, eine deutsche und eine italienische. Jetzt lese ich, dass eine doppelte Stimmabgabe zwar verboten, aber nicht zu verhindern sei. Macht das die Europawahl 2019 nicht anfechtbar?"

 

AfD könnte daraus Profit schlagen

Warum eine doppelte Wahl für manchen Sinn macht, erzählt eine junge Rumänin der DW. "Ich habe eine Freundin, die daran denkt, in beiden Ländern zu wählen", sagt Ioana N. "In Deutschland per Briefwahl und vor Ort in Rumänien, da sich ihr Leben sowohl in Deutschland als auch in Rumänien abspiele, obwohl ihr Wohnsitz in Deutschland ist."

Dass solche Fälle die Wahl verfälschen, halten Experten aus rechnerischen Gründen für unwahrscheinlich. Es müssten sich schon Zehntausende strafbar machen. Für einen Sitz im Parlament braucht es durchschnittlich knapp 300.000 Stimmen.

Bild: picture-alliance/dpa

Doch schon 2014 warnte der Staatsrechtler Josef Isensee öffentlich vor einem anderem Aspekt: "Die Legitimität der gesamten Europawahl steht in Frage". Das sei in den Augen der EU-Skeptiker ein gefundenes Fressen, sagte der Rechtsanwalt Udo Vetter damals der DW.

Das hat sich nun bestätigt. Denn die Anfrage an die Bundesregierung kam von der AfD-Bundestagsfraktion. Für die deutschen Rechtspopulisten ist nicht nur die derzeitige EU ein erklärtes Feindbild, sondern auch die doppelte Staatsbürgerschaft, die nun bei der Wahl Probleme macht.

Der passende Kommentar auf die Antwort zu ihrer Anfrage folgte: "Die Bundesregierung nimmt sehenden Auges in Kauf, dass die EU-Wahl vor doppelten Stimmabgaben durch Bürger mit doppelter Staatsangehörigkeit nicht geschützt ist", sagte der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner in einem Interview. "Das ist nicht hinnehmbar, seit über vier Jahren bekannt und diskreditiert die Wahl." 

Die AfD schlägt einen Wahlausweis vor. Dieser wurde bereits vor fünf Jahren als mögliche Lösung diskutiert. Doch bislang haben sich die EU-Staaten dazu nicht durchringen können.

Datenabgleich in anderen Fällen möglich

Immerhin: Für EU-Ausländer in Deutschland ohne Doppelpass gibt es eine EU-weite Regelung. Wenn zum Beispiel ein Pole sich in ein deutsches Wahlregister in Berlin eintragen lässt, dann ist er für eine polnische Wahlurne gesperrt - oder umgekehrt.

Dass die Regelung funktioniere, bestätigte das Büro des Bundeswahlleiters der DW. Im Antwortschreiben an die AfD versicherte das auch die Bundesregierung. Bei der EU-Wahl 2014 habe es drei Millionen Wahlberechtigte aus dem Ausland gegeben. Rund 172.000 hätten sich entschieden, ihre Stimme in Deutschland abzugeben. Über Fehler im System gibt es bislang keine Meldungen.

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