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HandelEuropa

EU will Beziehungen mit Lateinamerika wiederbeleben

Ella Joyner
17. Juni 2023

In schwierigen Zeiten besinnt sich die EU wieder auf alte Verbündete. Ein Gipfel mit lateinamerikanischen und karibischen Staaten soll alte Beziehungen mit neuem Leben füllen.

Südamerika-Gipfel in Brasilien
EU-Beamte hoffen, durch Handel die Beziehungen mit Lateinamerika zu verbessernBild: Mateus Bonomi/AA/picture alliance

Mitte Juli wollen die EU und die Staats- und Regierungschefs der lateinamerikanischen und karibischen Staaten erstmals seit 2015 wieder zu einem Gipfeltreffen in Brüssel zusammenkommen. Die Europäische Kommission veröffentlichte im Vorfeld einen handelsorientierten Strategieentwurf, um die Beziehungen mit der Region, die aufgrund der globalen politischen Entwicklungen in den vergangenen Jahren ein wenig ins Hintertreffen geriet, wiederzubeleben.

Auf einer Pressekonferenz in Brüssel hob der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Juni die "gemeinsame Geschichte und gemeinsamen Werte" der Europäischen Union und der 33 lateinamerikanischen und karibischen Staaten hervor, räumte jedoch ein, dass diese Partnerschaft als selbstverständlich betrachtet und sogar vernachlässigt worden sei. Trotz der nach wie vor guten Handelsbeziehungen sei die politische Zusammenarbeit auf der Strecke geblieben.

"Lateinamerika hat seine eigenen Probleme der politischen Fragmentierung zu bewältigen", stellte Borrell fest und verwies auf die politische Krise in Venezuela und den immer autoritärer werdenden Kurs Nicaraguas. Die Europäische Union sei mit dem Thema Migration und dem Brexit beschäftigt gewesen, erklärte er vor den Reportern, doch der Aufstieg Chinas und der russische Einmarsch in der Ukraine habe den Fokus des Blocks wieder auf Lateinamerika gelenkt.

Der EU-Außenbeauftragte möchte, dass sich die EU und Lateinamerika wieder näher kommenBild: Philipp von Ditfurth/dpa/picture alliance

Vor Veröffentlichung des Strategieentwurfs meinte ein hochrangiger EU-Beamter, der anonym bleiben will, Lateinamerika sei "wie ein alter Freund, eine alte Freundin, von denen man annimmt, dass sie immer da seien, aber wenn es schwierig wird, begreift man, wie wichtig diese Personen – oder diese Länder – sind."

"Ständiger Koordinierungsmechanismus"

Um diese alte Freundschaft wiederzubeleben, schlägt die Exekutive der EU vor, regelmäßiger stattfindende Treffen zwischen den Staats- und Regierungschefs abzuhalten und einen "ständigen Koordinierungsmechanismus" zwischen der Europäischen Union und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) einzurichten.

Eines der Hauptziele der neuen Strategie ist es, einen Handelsvertrag abzuschließen, mit dem 90 Prozent der Zölle zwischen den 27 EU-Mitgliedsstaaten und dem Mercosur-Block, Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, Schritt für Schritt abgebaut werden sollen.

"Der Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens ist für die EU von vorrangiger Bedeutung, da es beide Regionen in einer für beide Seiten vorteilhaften Partnerschaft zusammenbringen würde und Möglichkeiten für weiteres Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung bietet", schreibt die Europäische Kommission in einem Vorschlag an die Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament.

Die Verhandlungen zu dem umfangreichen Abkommen wurden 2019 nach 20 Jahren beendet, wegen Umweltbedenken wurde es jedoch noch nicht ratifiziert. Insbesondere Frankreich legt Wert darauf, das Pariser Klimaschutzabkommen als wesentliche Klausel aufzunehmen und die Abholzung der Wälder zu bekämpfen. Es fürchtet zudem um die Einhaltung französischer Gesundheits- und Umweltstandards und fordert bei Nichteinhaltung die Möglichkeit der Verhängung von Sanktionen.

Die Entwaldung des Amazonas ist eine Hürde für den Abschluss des EU-Mercosur-AbkommensBild: Environmental Images/agefotostock/IMAGO

Der massiven Abholzung des Amazonas unter Brasiliens früherem Präsidenten Jair Bolsonaro sah die Europäische Union praktisch tatenlos zu, doch Luiz Inácio "Lula" da Silva, der Ende 2022 wiedergewählt wurde, ist sehr daran interessiert, das Abkommen zu einem Abschluss zu bringen und hat Hoffnungen geweckt, dass der Pakt doch noch durchgesetzt wird.

Die Importe von südamerikanischem Rindfleisch in die EU würden durch das Abkommen voraussichtlich massiv steigen. Landwirte in Frankreich und Irland sind daher ebenso unglücklich mit dem Abkommen wie Umweltschutzgruppen wie Greenpeace, aber auch die Mercosur-Staaten haben einige Bedenken. Befürworter hoffen, dass neuer Schwung in die Angelegenheit kommt, wenn Spanien im Juli die rotierende EU-Präsidentschaft übernimmt, denn als alte Kolonialmacht verfügt Madrid noch immer über enge Beziehungen zu großen Teilen Lateinamerikas.

Ungleichheit bekämpfen

Hernan Saenz Cortes leitet den Interessenbereich EU-Lateinamerika bei der Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam. Gegenüber der DW äußert er Bedenken, dass durch den einseitigen Fokus der Europäischen Union auf den Handel die wachsende Ungleichheit in der Region vernachlässigt wird. Analysen von Oxfam zufolge "haben die obersten ein Prozent in den vergangenen drei Jahren 21 Prozent des geschaffenen Wohlstands angehäuft, während sich 60 Prozent, also sechs von zehn Menschen in Lateinamerika, vor allem Frauen und die afro-lateinamerikanische und indigene Bevölkerung, in einer wirtschaftlich prekären Lage befinden", sagt Saenz.

Lateinamerika mag 60 Prozent des weltweiten Angebots an Lithium produzieren, doch anstatt nur zu versuchen, in solchen Bereichen mit der wachsenden regionalen Präsenz Chinas zu konkurrieren, sollte sich die Europäische Union überlegen, was sie sonst noch anbieten kann, meint Saenz. So könnte sie die zivile Gesellschaft unterstützen oder in multinationalen Foren eine progressive Schuldenpolitik fördern. "Wenn die EU wirklich ihre Beziehungen mit Lateinamerika vertiefen will, dann müssen sie die Ungleichheit in das Zentrum ihrer Agenda rücken", ist Saenz überzeugt.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

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