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Politik

EU will um den Iran-Deal kämpfen

17. Mai 2018

Nach 15 Jahren gibt es wieder einen EU-Gipfel mit dem Balkan. Warum ist die Wartezeit für eine Mitgliedschaft so lang? Derweil will die EU den Atomdeal mit dem Iran gegen die USA verteidigen. Aus Sofia Bernd Riegert.

Bulgarien EU-Balkan-Gipfel in Sofia | Borisov und Merkel
Küsschen in angespannter Lage: EU-Präsident Borisov (Bulgarien) begrüßt Kanzlerin Merkel (Deutschland)Bild: Reuters/S. Nenov

Der Vorsitzende des EU-Gipfels, Donald Tusk, sprach mehr oder weniger für alle 28 teilnehmenden Staaten, als er in Sofia seinem Ärger und seiner Frustration Luft machte. Die EU könne dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump eigentlich dankbar sein, ätzte Tusk, der den US-Präsidenten ungewöhnlich scharf angriff. "Er hat uns aller Illusionen beraubt." Seine Entscheidungen zeigten, wer solche "Freunde hat, braucht keine Feinde mehr".

Die EU-Staats- und Regierungschefs waren zu einem informellen Abendessen zusammengekommen, um zu beraten, wie sie auf die amerikanische Aufkündigung des Atom-Deals mit dem Iran geschlossen reagieren sollten. Nach Angaben von EU-Diplomaten war die Stimmung in der Runde eindeutig. Das Abkommen von 2015, das nicht nur die USA, sondern auch die EU, Russland und China unterzeichnet haben, müsse fortbestehen und beachtet werden. "Man darf sich das nicht gefallen lassen", so die EU-Diplomaten, "nur ist immer noch unklar, was man tun kann, um die ökonomischen Interessen europäischer Firmen, die im Iran agieren, zu schützen."

Ratspräsident Tusk: Neues FeindbildBild: picture alliance/AP Photo/V. Mayo

US-Sanktionen umgehen

Donald Trump hatte angekündigt, auch Länder und Firmen mit Sanktionen zu belegen, die nach drei bis sechs Monaten immer noch mit dem Iran zusammenarbeiten. Der US-Präsident wirft dem Iran vor, weiter Atomwaffen zu bauen, was die EU-Staaten ebenso wie die Inspektoren der Vereinten Nationen nicht so sehen. Viele Staats- und Regierungschefs vermuteten beim Abendessen, dass man der sprunghaften Politik Trumps nicht trauen könne. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dies mehrfach öffentlich, zuletzt am Mittwochmorgen in der Haushaltsdebatte des Bundestages, gesagt.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stellte verschiedene Möglichkeiten vor, wie die Sanktionen der USA umgangen oder abgemildert werden könnten. Die EU könnte eine eigene Bank gründen, um die Geschäfte mit dem Iran außerhalb des von den USA beherrschten Dollar-Raums durchzuführen. Unternehmen, die im Iran investieren, könnten EU-Kredite gewährt werden. Besonders drastisch: EU-Unternehmen, die sich an die amerikanischen Auflagen halten, könnten von der EU bestraft werden. Auch Gegensanktionen gegen US-Unternehmen in Europa wären theoretisch denkbar.

Trotz der starken Worte von EU-Ratspräsident Donald Tusk war sich die Runde aber nicht einig, wie weit man den Konflikt mit den  USA treiben sollte. Große europäische Unternehmen, wie der französische Energiekonzern Total oder der dänische Logistiker Maersk haben bereits erklärt, sie würden sich aus dem Iran-Geschäft zurückziehen, sollten die Sanktionen kommen. Ohne den Handel mit Europa gäbe es für den Iran aber keinen Anreiz mehr, sich an den Atom-Deal zu halten, der den Bau von Atomwaffen im islamischen Gottesstaat verhindern sollte. Kommenden Freitag soll in Wien weiter beraten werden. Dann wollen sich die EU-Staaten mit Russland treffen, um über eine mögliche Rettung des Iran-Deals zu beraten und die USA zu isolieren.

Keine Pistole auf der Brust

Die EU ist nach Angaben von teilnehmenden Diplomaten bereit, über die aggressive Außenpolitik des Iran in der Region, sein Raketenprogramm und die Unterstützung von Terrorgruppen zu sprechen und eine Erweiterung des "Atom-Deals" anzustreben. Das Verhalten des Iran in der Region hatte US-Präsident Trump als Grund für die Aufkündigung des Abkommens angegeben. Auch bei den drohenden Strafzöllen der USA gegen Stahl- und Aluminiumproduzenten aus der EU sind die Staats- und Regierungschefs zu Gesprächen über Handelserleichterungen bereit. "Wir verhandeln aber nicht mit der Pistole auf der Brust", sagte ein EU-Diplomat. Die EU müsse dauerhaft von Strafzöllen ausgenommen werden. Eine entsprechende Ausnahmeregelung läuft am 01. Juni aus.  

EU-Präsident Juncker auf Balkan-Tour

12:00

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"Perspektive" für Balkanstaaten

An diesem Donnerstag trifft sich die Europäische Union mit den sechs Staaten auf dem Westbalkan, die allesamt Mitglied in der EU werden wollen. Bereits 2003 war den Nachfolgestaaten Jugoslawiens sowie Albanien beim Gipfeltreffen in Thessaloniki versprochen worden, bei ausreichenden Fortschritten und Reformen der Union beitreten zu können. Heute sind Slowenien und Kroatien tatsächlich aufgenommen. In der Warteschlange befinden sich Serbien, Montenegro, Albanien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo. In der "Erklärung von Sofia", die der DW vorliegt, wird die EU sich erneut zu einer Annährung des Balkans bekennen, allerdings ist nicht von Mitgliedschaft, sondern nur von einer "europäischen Perspektive" die Rede.

Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker hatte bei einer Reise durch den Balkan im April noch die Jahreszahl 2025 für einen Beitritt von Serbien und Montenegro genannt. Davon ist in der "Erklärung von Sofia" nicht mehr die Rede. Man wolle keine falschen Erwartungen in den Kandidatenländern schüren, begründet ein EU-Diplomat die vorsichtige Formulierung. Aus den Aufzeichnungen über die Beratungen der EU-Botschafter vor dem Gipfel in Sofia geht hervor, dass vor allem Spanien auf der Bremse steht. Diese Protokolle konnte die DW einsehen.

Absurder Namenstreit zwischen Mazedonien und Griechenland: Wem gehört Alexander der Große?Bild: Getty Images/AFP/R. Atanasovski

Spanien ist gegen Beitritte

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy nimmt als einziger Staats- und Regierungschef nicht an dem Treffen in Sofia teil. Er signalisiert damit, dass sein Land den Beitritten der Balkanstaaten überaus kritisch gegenübersteht. Auch Frankreich, so kann man in den Protokollen lesen, ist nicht gerade enthusiastisch. Spanien lehnt vor allem Gespräche mit dem Kosovo ab. Das von Serbien nach dem Bürgerkrieg abgespaltene Land wird von Spanien und vier weiteren EU-Staaten (Griechenland, Zypern, Tschechien, Rumänien) nicht anerkannt. Auf einen möglichst schnellen Beitritt der Balkanländer drängen dagegen Ungarn und Kroatien. Sie begründen das auch mit sicherheitspolitischen Interessen und der Vermeidung von Migrantenströmen aus diesen Ländern.

Deutschland und Frankreich taktieren zwischen den beiden Polen, haben aber vor allem klar gemacht, dass es für die westlichen Balkanländer kein zusätzliches Geld geben soll, wie aus den Beratungsprotokollen hervorgeht. Die EU-Ratspräsidentschaft, die zurzeit Bulgarien innehat, möchte vom Streit um Beitritte ablenken und praktische Politik betonen. Die Balkanstaaten sollten untereinander mehr Verbindungen knüpfen, was sowohl die Infrastruktur, aber auch intellektuelle Aussöhnung angeht. Vor einem möglichen Beitritt sollen ethnische Spannungen und Grenzkonflikte beseitigt werden. Als konkrete Projekte schiebt die EU den Bau einer "Friedens-Autobahn" quer durch den Balkan an. Außerdem sollen die Roamingkosten für mobiles Telefonieren und mobilen Datenaustausch, wie in der EU bereits üblich, gesenkt werden oder ganz verschwinden.

Wie soll Mazedonien heißen?

Am Rande des Gipfeltreffens in Sofia wollen Mazedonien und Griechenland versuchen, den Streit um den Namen Mazedoniens endlich beizulegen. Griechenland will das Land mit diesem Namen nicht in die EU lassen, weil eine griechische Provinz ebenfalls Mazedonien heißt und man sich um das historische Erbe streitet. Sollte eine Einigung gelingen, könnte die EU bei ihrem nächsten regulären Gipfeltreffen im Juni entscheiden, einen Termin für Beitrittsgespräche mit Mazedonien und Albanien zu nennen. "Es bleibt langwierig", meint ein EU-Diplomat in Sofia. "Die Kandidaten brauchen vor allem Geduld und Reformwillen. Und die EU muss einen geeigneten Moment finden, an dem sie selbst auch aufnahmefähig ist."

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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