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PolitikEuropa

EU will effektiver gegen Desinformations-Kampagnen vorgehen

16. November 2025

Die EU startet ein "Demokratie-Schutzschild" gegen Desinformation und Einmischung. Ein Zentrum für Faktenchecker und Medienförderung soll helfen, doch Experten bezweifeln die Wirksamkeit der freiwilligen Maßnahmen.

Symbolbild Soziale Medien | Social Media Apps auf Smartphone-Display
Soziale Medien sind ein Einfallstor für Desinformation und Einmischung von außenBild: Yui Mok/dpa/picture alliance

Die Europäische Union will gegen ausländische Einmischung vorgehen und die im Internet verbreitete Desinformation eindämmen. Doch die in dieser Woche vorgestellten Maßnahmen werden nach Ansicht von Experten kaum ausreichen - nicht nur, weil sie weitgehend freiwillig sind. 

Zum "Schutzschild für die Demokratie" der Europäischen Kommission gehören die Einrichtung eines neuen EU-Zentrums für "demokratische Resilienz" und Mittel für unabhängige Faktenchecker in allen in der EU gesprochenen Sprachen. "Desinformation, Manipulation durch Algorithmen, finanzieller Druck auf die Medien und KI-Tools bedrohen unsere demokratische Lebensweise", sagte EU-Kommissar Michael McGrath am Mittwoch vor Reportern. "Autoritäre Regime setzen hybride Taktiken ein, greifen die Infrastruktur an, instrumentalisieren Migration, manipulieren Informationen, setzen kriminelle Netzwerke ein und mischen sich in unsere Wahlprozesse ein." 

Wie gefährlich sind TikTok und Co für die Demokratie?

12:34

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EU-Digitalchefin Henna Virkkunen drückte sich weniger vage aus und beschuldigte explizit Russland, die Europäische Union mit "Informationsmanipulation und Einmischung" ins Visier zu nehmen.   

Was ist der "Demokratie-Schutzschild" der EU? 

Der "Demokratie-Schutzschild" der Europäischen Kommission stützt sich weitgehend darauf, bestehende Maßnahmen zu verstärken oder die Koordinierung zu verbessern. EU-Beamte wollen gemeinsam mit Technologieunternehmen ein neues Protokoll für "Zwischenfälle und Krisen" erarbeiten, damit Regierungen von EU-Staaten im Falle massiver Desinformationskampagnen schneller handeln können. Die Kommission versprach auch, die Finanzierung lokaler und unabhängiger Medien zu verstärken und neue Wege zur "Modernisierung der Werbevorschriften zu prüfen, um die Nachhaltigkeit der EU-Medien zu fördern". 

Die EU-Technikbeauftragte Henna Virkkunen erklärte, die Union wolle sicherstellen, dass Online-Plattformen "während Wahlprozessen nicht missbraucht oder manipuliert werden".Bild: MARTIN BERTRAND/Hans Lucas/AFP/Getty Images

An erster Stelle stand jedoch das neue Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation, das nach Angaben eines EU-Beamten nächste Woche den Betrieb aufnehmen soll. Es solle den EU-Staaten helfen, zusammenzuarbeiten, "Bedrohungen zuvorzukommen" und Einzelheiten der Gegenmaßnahmen abzustimmen, erklärte EU-Kommissar McGrath. 

Künftige Mitglieder sind ebenfalls willkommen 

Angehende EU-Mitglieder wie die Ukraine, Montenegro oder Albanien sind ebenfalls eingeladen, sich zu beteiligen. "Die Realität ist, dass die Intensität der Bedrohung ausländischer Einmischung zunehmen wird, je näher sie der EU-Mitgliedschaft kommen", sagte McGrath. 

Der EU-Kandidat und ehemalige Sowjetstaat Moldau sah sich in diesem Jahr mit groß angelegten Einmischungsversuchen bei wichtigen Wahlen ausgesetzt - darunter von Journalisten aufgedeckte Machenschaften, bei denen russische Banken Bürgern Bargeld für das Posten regierungsfeindlicher Inhalte anboten. Moskau bestritt jegliche Einmischungsversuche. 

Werden die EU-Pläne Wirkung zeigen? 

Doch selbst die Beteiligung an dem neuen Anti-Desinformations-Zentrum ist freiwillig. Dies liege daran, vermutet Politikanalystin Luise Quaritsch, dass die EU-Exekutive darauf bedacht sei, den nationalen EU-Regierungen nicht auf die Füße zu treten: "Die Mitgliedstaaten wollen nicht, dass sich die Europäische Kommission zu sehr in Bereiche einmischt, die sie als nationale Zuständigkeiten und Souveränität betrachten", sagte die Forscherin des Think Tanks Jacques Delors Centre der DW. 

Die neuen Pläne Brüssels seien voller "guter Ideen", Quaritsch warnt aber, dass der derzeitige EU-Ansatz zu kurz greifen könnte. Wenn man Falschmeldungen entlarvt, die bereits massenhaft von Bots oder von "Doppelgänger"-Webseiten, die renommierte Medien imitieren, im Internet verbreitet wurden, komme man schlicht und ergreifend zu spät, so Quaritsch: "Die Leute haben es dann schon gesehen und es macht keinen Unterschied mehr." 

Misstrauen gegenüber Washington? 

Die EU-Exekutive bemühte sich zu betonen, dass ihr "Demokratie-Schutzschild" die Rede- und Meinungsfreiheit nicht unterdrücken werde. Die Botschaft schien nicht nur an EU-Bürger, sondern auch an die Regierung jenseits des Atlantiks gerichtet. Die Trump-Regierung in den USA wettert gegen das Online-Regelwerk der EU. Anfang des Jahres nutzte Vizepräsident JD Vance eine Rede in Paris, um die EU zu kritisieren und zu warnen, dass "Amerika nicht akzeptieren kann und wird", dass ausländische Regierungen "die Schrauben" bei US-Tech-Unternehmen "anziehen". 

US-Präsident Donald Trump und sein Vize JD Vance monieren die angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit in EuropaBild: Anna Moneymaker/Getty Images

Die neuen Maßnahmen bedeuten keine zusätzlichen rechtlichen Verpflichtungen für Big Tech. Sie fordern Social-Media-Plattformen wie Facebook und TikTok sowie andere Akteure wie Google - die sich freiwillig einem EU-Verhaltenskodex gegen Desinformation angeschlossen haben - jedoch auf, proaktiver mit den Regierungen zusammenzuarbeiten. 

X fällt aus dem Rahmen 

Damit rückte X, ehemals Twitter, erneut ins Rampenlicht. Die Kurznachrichtenplattform hatte sich 2023 nach der Übernahme durch Elon Musk im Jahr 2022 aus allen freiwilligen EU-Maßnahmen zurückgezogen. 

Am Mittwoch wies die Europäische Kommission erneut Vorwürfe zurück, sie habe das Ergebnis einer zwei Jahre alten Untersuchung über mutmaßliche Verstöße gegen EU-Recht bei X hinausgezögert, um die Trump-Regierung mit Blick auf deren Zollpolitik und ihre ungewisse Unterstützung für die Ukraine milde zu stimmen: "Die Kommission setzt diese Regeln jeden Tag durch", sagte Virkkunen vor Journalisten. "Wir sind auch in der Lage, einige der Ermittlungen in den kommenden Wochen und Monaten abzuschließen. Die Arbeit schreitet also ständig voran." 

X, ehemals Twitter, steht im Verdacht, EU-Regeln gebrochen zu habenBild: Jaque Silva/NurPhoto/picture alliance

Reporter ohne Grenzen (RSF) ist eine der Organisationen, die die EU aufgefordert haben, die Tech-Maßnahmen in ihrem Plan zum "Demokratie-Schutzschild" zu verschärfen. RSF-Generaldirektor Thibaut Bruttin sagte: "Es ist an der Zeit, die Kontrolle über den Online-Raum zurückzugewinnen und sicherzustellen, dass die Algorithmen von Social-Media-Plattformen und KI-Assistenten so konzipiert werden, dass sie demokratische Garantien aufrechterhalten, indem vertrauenswürdige Nachrichtenquellen gefördert werden." 

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