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PolitikEuropa

EU will gegen Fake News vorgehen

24. September 2020

Ein Sonderausschuss des Europaparlaments soll Versuche ausländischer Cyber-Einflussnahme aufdecken und bekämpfen. Vor allem zu Corona-Zeiten nehmen gezielte Desinformationskampagnen zu, glaubt die EU.

Symbolbild Cyberkriminalität
Bild: picture-alliance/dpa/N. Armer

Im Frühsommer schlug Brüssel Alarm: "Während der Coronavirus-Pandemie ist Europa von Desinformationskampagnen überschwemmt worden", sagte EU-Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova. Diese Kampagnen seien nicht nur aus Gesundheitsgründen gefährlich, sie sollten gezielt das Vertrauen in Regierungen und Medien untergraben.

Als Beispiel verwies die Kommission auf die sprunghaft gestiegene Zahl der Impfgegner in Deutschland. In weniger als zwei Monaten, so eine Untersuchung, hatte die Impfbereitschaft in Deutschland um fast 20 Prozent abgenommen. Die in den sozialen Medien verbreitete Behauptung, das Trinken von Bleichmittel helfe gegen Corona, sieht die Kommission als weiteren Versuch der bewussten Irreführung. "Desinformation in Zeiten der Corona-Pandemie kann töten", sagte dazu der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

Gerade Verschwörungstheorien kursieren vermehrt in Corona-Zeiten: Eine davon lautet, dass die Virusbekämpfung irgendwann als Vorwand für eine zwangsweise Massenimpfung der Bevölkerung herhalten werde oder dass der Microsoft-Gründer Bill Gates zusammen mit der EU die Menschen überwachen wolle.

Die Zahl der Impfgegner in Deutschland ist sprunghaft gestiegenBild: picture-alliance/dpa/C. Schmidt

Propaganda und Cyberangriffe

Um solchen Kampagnen entgegenzutreten, hat das Europaparlament einen Sonderausschuss ins Leben gerufen, der jetzt seine Arbeit aufnimmt. Dabei geht es um weit mehr als um Corona. Denn hinter den Kampagnen sieht die EU Versuche vor allem Russlands und Chinas, die Demokratie in der EU zu untergraben und dadurch die Europäische Union und ihre Rolle in der Welt zu schwächen.

Das Komitee soll zunächst herausfinden, in welchen Bereichen solche Falschinformationen gestreut werden. Einer davon scheint naheliegenderweise in Wahlbeeinflussungsversuchen zu liegen. Kurz vor den jüngsten Europawahlen klagten Abgeordnete des Europaparlaments über massive russische Propaganda. Es ging dabei nicht nur um Desinformationskampagnen in den sozialen Medien.

Die Abgeordneten berichteten von Cyberangriffen auf die Wahl-Infrastruktur. Und bestimmte politische Akteure, die ihren Auftraggebern in Drittländern nahestehen, würden direkt oder indirekt finanziell unterstützt. So bestehe der Verdacht, dass die Partei der französischen Rechtspopulistin und früheren Europaabgeordnete Marine Le Pen Geld aus dem Kreml bekam. Le Pen hat wiederholt die westlichen Russland-Sanktionen in der Ukraine-Krise kritisiert.

Entscheidend sind die großen Online-Plattformen

Die wichtigsten Ansprechpartner der EU in diesem Kampf sind die großen Online-Unternehmen wie Facebook, Twitter und Google. Die EU will sie verpflichten, stärker selbst gegen Desinformationen vorzugehen und Forschern Zugang zu ihren Daten zu verschaffen. "Es besteht keine strukturelle Zusammenarbeit zwischen den Plattformen und der Forschungsgemeinschaft", teilte die Kommission vor zwei Wochen mit. "Die Plattformen müssen verantwortungsbewusster werden, stärker zur Rechenschaft gezogen werden und transparenter agieren", so Kommissionsvizepräsidentin Jourova. Freiwillige Maßnahmen gibt es zwar, sie reichen der Kommission aber nicht. Demnächst will sie weitere Vorschläge dazu machen.

Schon im Juni, als der Sonderausschuss gegründet wurde, hatte die Kommission die Online-Plattformen aufgefordert, eng mit unabhängigen Faktenprüfern zusammenzuarbeiten und monatliche Berichte über ihre Bemühungen gegen Fake News vorzulegen. Positive Ergebnisse gibt es der Behörde zufolge bereits. Zuverlässige Quellen würden hervorgehoben, falsche und irreführende Inhalte herabgestuft oder entfernt. So hätten Facebook und Instagram beispielsweise auf Inhalte von Gesundheitsbehörden wie der Weltgesundheitsorganisation hingewiesen. Werbung von überteuerten oder gefälschten Medizinprodukten werde gelöscht.

Bei den jüngsten Europawahlen 2019 sahen Abgeordnete massive Beeinflussungsversuche aus dem AuslandBild: Getty Images/S. Gallup

Wo beginnt Zensur?

Der Europäischen Journalistenföderation, dem Europäischen Verlegerrat und dem Verband der Privaten Fernsehsender in Europa reichen die freiwilligen Maßnahmen der Online-Plattformen aber nicht. Europa verlässt sich zu sehr auf den guten Willen der Online-Akteure, schrieben sie schon im Juni in einer gemeinsamen Erklärung. Sie forderten "wirkungsvolle" Sanktionen, wenn sich die Unternehmen nicht an den freiwilligen Verhaltenskodex hielten.

Doch es gibt noch eine andere Schwierigkeit. Denn die Faktenprüfer vollziehen eine Gratwanderung. Oft ist es gar nicht so leicht, Fake News zu definieren und sie von einer vielleicht extremen Meinungsäußerung zu trennen. Kritiker befürchten Eingriffe in die Meinungsfreiheit. "Ich möchte kein Wahrheitsministerium schaffen", hat Vera Jourova von der Kommission gesagt. Auch die Sonderkommission des Parlaments dürfte bei ihrem Kampf gegen Fake News immer wieder mit diesem Problem zu tun haben.

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