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PolitikEuropa

EU: Exportbann und Impfpass sollen helfen

17. März 2021

Nach einem Jahr Corona: Die Präsidentin der EU-Kommission will die Impf-Kampagne beschleunigen und verspricht gleichzeitig Reiseerleichterungen durch einen Impfpass. Bernd Riegert aus Brüssel.

EU Ursula von der Leyen PK zu COVID-19
Beim Impfen hört der Spaß auf: Ursula von der Leyen will Exportverbote verschärfenBild: John Thys/AFP/REUTERS

"Es wird schlimmer." Mit diesen knappen Worten beschrieb die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, die Entwicklung der Pandemie in Europa. Die dritte Infektionswelle rolle in einigen Mitgliedsstaaten der EU voll an. Sie forderte die Regierungen der EU-Mitglieder deshalb auf, die Impfkampagnen zu beschleunigen.

Bis Ende des Monats werden nach Berechnung der EU-Kommission etwa 50 der 450 Millionen Einwohner der EU zumindest einmal geimpft sein. 15 Millionen Dosen würden in den Mitgliedsstaaten eingelagert für eine zweite Impfung. 2,2 Millionen Dosen lagern im Moment ohne Verwendung im Kühlschrank in den Mitgliedsstaaten. 

Ursula von der Leyen räumte ein, dass der Anfang der Impfkampagne "hart" war, aber sie versprach, dass im zweiten Quartal des Jahres 300 Millionen Vakzin-Portionen von vier Herstellern geliefert würden. Der einzige Produzent, der sich nicht an seine Zusagen halte, sei der britisch-schwedische Konzern AstraZeneca. Der werde auch im zweiten Quartal seine Lieferzusagen nicht einhalten. Statt vereinbarter 180 Millionen Dosen habe AstraZeneca nur 70 Millionen Dosen angekündigt.

Drohung mit Exportverboten

Um die Liefermengen zu erhöhen, drohte Ursula von der Leyen mit einem verschärften Exportverbot für Impfstoffe, die in der EU hergestellt werden. Möglich wäre auch, Patente aufzuheben und Produktion durch dritte Anbieter zu erlauben. "Wir sind in der Krise des Jahrhunderts. Ich schließe im Moment nichts aus", sagte die Kommissionspräsidentin. Brüssel wolle Gegenseitigkeit sicherstellen. Wenn die EU in ein Land exportiere, müsse dieses im Gegenzug Exporte in die EU zulassen.

Nach Angaben der EU-Kommission in Brüssel sind in den letzten sechs Wochen, seit eine Export-Überwachung eingeführt wurde, 41 Millionen Impfdosen aus Fabriken in der EU exportiert worden, und zwar in 33 verschiedene Länder. Nur eine einzige Lieferung nach Australien wurde bislang von Italien aufgehalten.

Die EU-Kommissionspräsidentin kritisierte, dass andere Vakzin-produzierende Staaten schon längst Export-Verbote praktizieren würden. Sie zielte wohl vor allem auf das ehemalige EU-Mitglied Großbritannien, das zwar Impfstoff von BionTech/Pfizer vom europäischen Kontinent erhält, aber selbst Ausfuhren des Impfstoffes von AstraZeneca aus britischen Fabriken unterbindet.

Immer wieder Ärger mit AstraZeneca: Im zweiten Quartal keine ausreichende BelieferungBild: Dado Ruvic/REUTERS

Die EU müsse jetzt ihren fairen Anteil bekommen, sagte Ursula von der Leyen. Als Kommissionspräsidentin müsse sie die Interessen der EU-Bürgerinnen und Bürger zuerst vertreten. Mit den USA gebe es keine Probleme, weil es keine Exporte von fertigen Impfdosen in keine Richtung gebe. Beim Austausch von Vorprodukten und Komponenten liefe alles reibungslos. Ob Exporte aus der EU in Staaten mit höheren Impfquoten noch "verhältnismäßig" seien, werde man prüfen, so von der Leyen. Vor allem Israel, die USA und Großbritannien liegen beim Impfen vor der EU.

Auf den Streit um die Verteilung der Impfstoffe innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU ging die Kommissionspräsidentin nicht näher ein. Dieser war besonders vom österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz forciert worden. Kurz und fünf andere Regierungschefs hatten beklagt, dass ihre Länder übervorteilt worden seien. Die EU-Zentrale hatte nur darauf verwiesen, dass die Mitgliedsstaaten die eigentlich nach Bevölkerungsanteil vorgesehene Verteilung aus freien Stücken untereinander verändert hätten. Am Mittwoch erklärte Kurz, man sei einer Lösung näher gekommen.

Vorbild Grüner Pass in Israel: Die EU will bis Juni einen elektronischen Impfnachweis einführenBild: Petra Edlbacher/APA/picturedesk.com/picture alliance

EU will grünen Impfpass vorschreiben

Als Zeichen der Hoffnung auf einen Urlaub im Sommer kündigte die EU-Kommission heute ein Gesetz zur Einführung eines "Digitalen grünen Zertifikats" an, hinter dem sich eine Art Impfpass verbirgt. Das Zertifikat, das in allen 27 Mitgliedsstaaten möglichst ab Mitte Juni gelten soll, bescheinigt Impfungen mit jedwedem Impfstoff, auch russischer oder chinesischer Herkunft, negative Covid-Tests oder das Vorhandensein von Antikörpern nach überstandener Infektion. Mit diesem Pass oder Zertifikat soll das Überschreiten von Grenzen in der EU wieder problemlos möglich sein.

Besonders die Tourismus-Länder Griechenland, Zypern, Italien, Spanien, Kroatien und Portugal drängen auf einen "Corona-Reisepass", um die Sommersaison 2021 zu retten. Der EU-Kommissar für Justiz, Didier Reynders, sagte in Brüssel, das Zertifikat könne auch von Kulturveranstaltern oder Restaurants als Berechtigung zum Einlass genutzt werden.

Das Zertifikat solle natürlich nur für die Zeit der Pandemie gelten und nicht als Ersatz für Grenzkontrollen dienen, die es in der Schengenzone der EU ja eigentlich nicht geben darf. Trotzdem müsse der Impfpass an den Landes-Grenzen, an Flughäfen oder Bahnhöfen kontrolliert werden. Wie das genau passieren soll und wer den den digitalen Pass in Form eines QR-Codes ausstellt, wird den Mitgliedsstaaten überlassen.

Ausweis soll im Juni vorliegen

Da die Mitgliedsstaaten in der Corona-Pandemie unterschiedliche Reiseregeln erlassen, teilweise ihre Grenzen kontrollieren oder geschlossen haben und sich bis heute nicht auf einheitliche Reiseformulare zur Nachverfolgung von Infektionsketten einigen konnten, wählt die EU-Kommission diesmal einen anderen Weg. Sie schlägt statt einer Empfehlung ein Gesetz vor, dass alle Mitgliedsstaaten umsetzen müssen, sobald es vom Europäischen Parlament und vom Ministerrat verabschiedet wird.

Ob das allerdings in wenigen Wochen bis zum Juni passieren kann, bezweifeln viele Europaabgeordnete in Brüssel. Der irische Außenminister Simon Coveney sagte der DW, er glaube, dass viele Mitgliedsstaaten ihr eigenes Ding machen wollten, wenn es um internationalen Reiseverkehr während der Pandemie gehe. "Die EU sollte vorsichtig sein", mahnte Simon Coveney. "Wir werden nicht erlauben, dass neue Varianten von außerhalb in unser Land kommen."

Irlands Außenminister Coveney: Jeder wird seinen eigenen Weg gehenBild: picture-alliance/abaca/M. Thierry

EU-Beamte erläuterten in Brüssel, dass auch Drittstaatenangehörige, die in der EU leben, einen Impfpass erhalten können. Die Impfpässe anderer Staaten, wie etwa der grüne Pass aus Israel, könnten ebenfalls anerkannt werden. Der Justiz-Kommissar Didier Reynders sagte: "Diesmal wollen wir eine Zersplitterung unter den Mitgliedsstaaten wie im letzten Jahr verhindern. Es muss sichergestellt sein, dass jeder, der ein Zertifikat möchte, auch eines bekommt."

In der kommenden Woche werden sich die Staats- und Regierungschefs der EU erneut bei ihrem Gipfeltreffen mit dem "Digitalen Grünen Pass" beschäftigen. Bundeskanzlerin Angela Merkel war beim letzten Treffen im Februar noch skeptisch. Eine politische Entscheidung, was man mit einem Impfzertifikat anfangen könne, sei noch nicht gefallen, sagte sie damals. Unklar ist immer noch, ob und wie lange eine Impfung die Weitergabe des Virus an andere Menschen verhindert.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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