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Politik

EU will Impfstoff-Export erschweren

24. März 2021

Die EU-Kommission hat dabei vor allem ein Land im Auge: Großbritannien. Ausfuhren an Schwellen- und Entwicklungsländer sollen möglich sein, finden aber kaum statt. Bernd Riegert aus Brüssel.

Weltspiegel 19.03.2021 | Corona | Deutschland Köln | Impfzentrum
Köln, Deutschland: Impfzentren bleiben leer, weil zu wenig Dosen ankommenBild: Thilo Schmuelgen/REUTERS

Die Fabriken der großen Impfstoffhersteller in der Europäischen Union laufen auf Hochtouren. Aus der EU wird der Impfstoff in alle Welt ausgeführt. Seit Januar eine Überwachung der Exporte von der EU-Kommission eingeführt wurde, sind 380 Exportanträge genehmigt worden. Nur eine für Australien bestimmte Lieferung aus Italien wurde aufgehalten. Zu diesen Exporten kommen Lieferungen im Rahmen der globalen Impfkampagne "COVAX" der Vereinten Nationen hinzu. Diese Lieferungen an 92 ärmere Länder im COVAX-Verbund in Osteuropa, Afrika, Lateinamerika oder Asien, die bislang von der Menge her verschwindend gering sind, müssen von der EU nicht genehmigt werden. Insgesamt wurden aus Fabriken in EU-Staaten bislang 43 Millionen Dosen an 32 Länder geliefert.

Kein Verbot von Exporten

"Man kann bisher wirklich nicht von einem Exportverbot sprechen", sagt dazu die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Allerdings ist der EU-Kommission aufgefallen, dass Großbritannien 10 Millionen dieser 43 Millionen Dosen erhalten hat. Und das, obwohl Impfstoffe in Großbritannien von der britisch-schwedischen Firma AstraZeneca in großem Umfang hergestellt werden. Das sei nicht verhältnismäßig, meint die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen, weil Großbritannien bereits über Impfdosen für knapp die Hälfte seiner Bevölkerung verfüge. In den EU-Staaten liegt diese Quote  im Durchschnitt nur bei rund zehn bis zwölf Prozent. Großbritannien selbst hat nach Angaben von EU-Diplomaten sehr vorteilhafte Verträge mit einer "Britain first"-Klausel mit AstraZeneca abgeschlossen. Das macht Exporte von in Großbritannien hergestellten Impfstoffen in die EU fast unmöglich. Deshalb gebe es auch keine Gegenseitigkeit bei Lieferungen, moniert die EU-Kommission.

Stella Kyriakides: Die EU braucht jede Dose, die Lage wird schlimmerBild: Olivier Hoselt/POOL/AFP/Getty Images

Gegenseitig und verhältnismäßig

Genau diese beiden Kriterien, "Verhältnismäßigkeit" und "Gegenseitigkeit", führt die EU jetzt zusätzlich als Kriterien für die Genehmigung von Impfstoff-Exporten ein. "Dementsprechend haben wir heute zwei Änderungen des Mechanismus beschlossen. Diese sind nötig, um den kurzfristigen Zugang zu Impfstoffen für EU-Bürger zu gewährleisten", so der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, in Brüssel. Die EU sei die einzige Region unter den Industriestaaten, die überhaupt Impfstoffe ausführe. Kurz gesagt, wer selbst nichts exportiert, bekommt nichts mehr. Wer eine höhere Impfquote oder weniger COVID-Fälle hat als die EU, geht ebenfalls leer aus.

Briten im Visier

Ausfuhren besonders nach Großbritannien dürften damit sehr viel schwerer werden. Scharfe Kritik aus dem ehemaligen EU-Mitgliedsland Großbritannien an diesem "Export-Bann" weist die EU-Kommissarin für Gesundheit, Stella Kyriakides, zurück. "Wir haben es mit einer Pandemie zu tun. Da geht es nicht darum, irgendein Land zu bestrafen. Wir sind die stärksten Unterstützer globaler Solidarität. Wir legen uns nur ein Instrument zu, das uns mehr Einfluss sichert." Auch die USA exportieren keine Impfstoffe nach Europa, sondern seit einigen Tagen nach Kanada und Mexiko. Aus der EU wird auch nichts in die USA geliefert. Insofern herrsche hier "Gegenseitigkeit" auf dem Level Null, rechnet ein EU-Beamter vor.

Valdis Dombrovskis: Lieferungen an arme Staaten sind weiter möglichBild: Dursun Aydemir/AA/picture alliance

Schuld an dem Schlamassel ist vor allem die Firma AstraZeneca, die weit hinter ihren Lieferzusagen für die EU zurückbleibt, während Großbritannien bevorzugt beliefert wird. In Italien wurden heute 29 Millionen Dosen des Impfstoffes von AstraZeneca in einem Lagerhaus entdeckt. Ob diese für den Export bestimmt waren oder nicht, ist unklar. Deutsche Regierungskreise äußerten bereits die Hoffnung, dass bei einer Aufteilung des Funds die Versorgung mit Impfstoffen in Deutschlandbesser werden könnte.

Ärmere Staaten nicht betroffen

Exportbeschränkungen sollen auch weiterhin nicht für einkommensschwache Staaten in der östlichen Nachbarschaft der EU, auf dem West-Balkan, für Afrika, viele Länder Lateinamerikas und weite Teile Asiens gelten, machte EU-Kommissar Valdis Dombrovskis klar: "Exporte an ärmere Staaten oder solche mit mittlerem Einkommen, Lieferungen für COVAX, Lieferungen an Überseegebiete der EU bleiben ohne Ausnahme möglich." Allerdings ist der Umfang dieser Lieferungen bisher sehr klein. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben bisher alle 92 berechtigten "COVAX"-Staaten von allen Herstellern weltweit nur rund 31 Millionen Dosen erhalten. Bis Mai sollen weitere 130 Millionen Dosen geliefert werden.

Eine Impfstoff-Lieferung verlässt das Pfizer-Werk im belgischen PuursBild: David Pintens/BELGA/dpa/picture alliance

EU-Diplomaten in Brüssel sagen ganz klar, dass zuerst die europäische Bevölkerung geimpft werden müsse, weil man es den Bürgerinnen und Bürger nicht erklären könne, dass Impfstoffe hier produziert und dann aber exportiert würden, während die Pandemie in der EU stärker wüte als im vergangenen Jahr. "Europa hat jeden Schritt unternommen, um fair und verantwortungsvoll zu handeln - unter Beachtung unserer führenden Rolle in der Welt seit dem Beginn der Pandemie. Die EU bleibt der größte Exporteur von Impfstoffen. Wir sind der größte Geber in der globalen Impfkampagne COVAX", sagt EU-Kommissar Dombrovskis. Großzügige Spender und Lieferanten würden die Europäer - wie die Amerikaner und andere Industriestaaten - aber erst, wenn die eigenen Leute versorgt seien.

Unwucht innerhalb der EU

Die EU hat bislang 2,6 Milliarden Dosen an Impfstoffen bei sechs verschiedenen Herstellern bestellt. Erst im zweiten Quartal wird eine spürbare Erhöhung der Auslieferung erwartet. Die meisten Dosen in der EU im Verhältnis zur Bevölkerung hat nach Angaben der Vereinten Nationen mittlerweile Malta (33 Prozent der Bevölkerung) erhalten, die wenigsten Bulgarien (6 Prozent). Deutschland liegt mit 13 Prozent im Verhältnis zur Bevölkerung im Mittelfeld. Am Donnerstag wollen die EU-Staats- und Regierungschefs darüber beraten, warum die Verteilung auch innerhalb der EU so weit auseinander läuft.

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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