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EU zieht Italien am Zug

Bernd Riegert28. Juli 2016

Am Freitagabend wird der neuste Stresstest für Banken in Europa veröffentlicht. Besonders die Banken in Italien zittern. Gibt es eine neue Krise? Und wer soll die Banken in Italien sanieren? Bernd Riegert aus Brüssel.

Italien Italienische Euro-Geldmünze
Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Wie ist die Lage der Banken in Italien?

Schon bevor der Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) in London veröffentlicht ist, ist klar, dass im italienischen Bankensektor einiges im Argen liegt. Die Banken sitzen auf 350 Milliarden Euro an Krediten, die wegen der Wirtschaftsflaute nicht mehr bedient werden. Sie besitzen nicht genügend Eigenkapital, um mit den sich abzeichnenden Verlusten fertig zu werden. Am schlimmsten ist die Lage wohl bei der ältesten Bank der Welt, der Monti dei Paschi di Siena (MPS). Nach dem Brexit-Votum in Großbritannien haben die Banken enorm an Wert eingebüßt. Sie brauchen frisches Kapital. Der Bedarf wird auf 40 Milliarden Euro geschätzt. Und der Bankensektor müsste verkleinert werden. In Italien gibt es mehr Bankfilialen als Pizzerien scherzen Experten. Finanzminister Pier Carlo Padoan allerdings besteht darauf, dass die Banken in Italien im Kern gesund seien, es gebe nur ein paar vereinzelte Probleme, sagte er seinen G-20-Kollegen am Sonntag in China.

Was tut die Regierung?

Nach der Abwicklung von vier kleineren Regionalbanken im vergangenen Jahr die italienischen Regierung die Gründung einer privaten "Bad Bank" veranlasst. "Atlante" soll mit privatem Kapital gefüttert, faule Kredite aufkaufen und diese letztlich abwickeln. Doch die Feuerkraft des Rettungsfonds ist zu klein. Bereits im April hat "Atlante" die Hälfte seines Kapitals für die Stützung kleinerer Institute ausgegeben. Die Rettung der Monte dei Paschi di Siena würde ihn überfordern. Der italienische Premier Matteo Renzi hatte geplant, den italienischen Banken eine Finanzspritze von 40 Milliarden Euro zukommen zu lassen. Dieser "Bail-out" mit Steuergeldern, der zu höheren italienischen Staatsschulden führt, ist so einfach nach europäischen Regeln für die Bankensanierung und Abwicklung nicht möglich. Also hat sich die Regierung jetzt darauf verlegt, kurzfristig rund fünf Milliarden an privatem Kapital für die Bank MPS zu mobilisieren . Dazu sollen auch halbstaatliche Fonds beitragen. Hier könnte es einen Konflikt mit den EU-Regeln zu staatlichen Subventionen geben.

Bail in, Bail out? Was hat Brüssel damit zu tun?

Seit Januar 2016 ist die EU-Richtlinie zur Abwicklung und Rettung von Banken in Kraft. Sie schreibt vor, dass zunächst die Anteilseigener einer Bank und Kontoinhaber mit Guthaben über 100 000 Euro zur Kasse gebeten werden. Erst nach diesem "Bail-in" ist ein "Bail-out" erlaubt, also das Zuschießen von staatlichem Kapitel, Steuergeldern von außen. Nur im äußerten Fall sollen europäische Fonds aktiviert werden. In Frage käme der "Abwicklungsfonds" der neuen EU-Behörde zur Abwicklung und Sanierung von Banken, "Single Resolution Board" (SRB). Der SRB sitzt in Brüssel und wird von der deutschen Bankspezialistin Elke König geleitet. Seit Anfang des Jahres entwickelt die Behörde als Teil der Europäischen Bankenunion Sanierungspläne für System-relevante Bankhäuser in der EU. Ob der Plan für die Monte dei Paschi di Siena schon fertig wäre, ist nicht bekannt. Theoretisch könnte die SRB-Behörde über das Wochenende bis zur Öffnung der Börsen am kommenden Montag, eine Abwicklung der MPS anordnen und beschließen, wenn sie eine Ansteckungsgefahr für weitere Banken in Europa sähe. Der Plan, den die italienische Bankenaufsicht umsetzen müsste, müsste dann auch noch von der EU-Kommission gebilligt werden, ebenfalls an diesem Wochenende.

Matteo Renzi: Die EU will er raushaltenBild: Reuters/E. Vidal

Wie realistisch ist die Abwicklung einer italienischen Bank durch die EU?

Die EU-Kommission sagte dazu an diesem Donnerstag inoffiziell, das sei sehr unwahrscheinlich. Zunächst einmal setze man darauf, dass es in Italien eine privat finanzierte Lösung für die Schwierigkeiten der Banken geben werde. Die Probleme mancher Banken mit faulen Krediten würden nicht die Schwelle überschreiten, die ein Eingreifen der europäischen Bankenabwicklung nötig machen würden. "Wir sind in ständigem Kontakt mit der italienischen Bankenaufsicht", hieß von der EU-Kommission. Notfalls sei man auch am Wochenende arbeitsbereit. "Wir arbeiten hier ja eh alle 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche", meinte eine Sprecherin der EU-Kommission. EU-Beamte sehen aber keine "akute Notlage", sondern eine langfristige Sanierung des Bankensektors in Italien voraus. "Wir sind hier nicht im Krisen-Modus."

Wird es eine italienische Lösung geben?

Der italienische Ministerpräsident Renzi will ein "Bail-in", also eine Beteiligung der Anteilseigner oder Anleger an der Bankensanierung, unbedingt verhindern. Diesen Schritt, der Verluste für kleine Vermögen in Italien bringen würde, würde er wahrscheinlich politisch nicht überleben. Allerdings schreiben die EU-Regeln, denen auch Italien zugestimmt hat, "Bail-in" zwingend vor. Oder bessert gesagt, nicht ganz so zwingend: Es gibt eine Ausnahmeklausel. Renzi könnte sich auf "außergewöhnliche Umstände" berufen und den Schock an den Finanzmärkten nach dem Brexit-Votum ins Feld führen. Bei flexibler Auslegung der Regeln der EU-Banken-Union könnte dann vielleicht doch der italienische Staat die angeschlagenen Banken freikaufen. Um neue Staatsschulden zu vermeiden, könnte Matteo Renzi versuchen, die nötigen 40 Milliarden Euro beim EU-Rettungsfonds "ESM" in Luxemburg zu besorgen. Dann müsste er aber einen Kreditvertrag abschließen, der Kontrollen und Auflagen durch die EU mit sich bringt. Diesen Weg hatte Spanien vor einigen Jahren nach der Finanzkrise gewählt.

Elke König: Die Chefin der Bankenabwicklung in der EUBild: Imago

Was sagen die Juristen?

Der Europäische Gerichtshof gab dem italienischen Ministerpräsidenten in einem Urteil vor einer Woche unerwartet Schützenhilfe. Die Richter sprachen Recht in einem ähnlich gelagerten Fall in Slowenien aus dem Jahr 2013. Sie befanden, dass grundsätzlich die private Finanzierung der Bankensanierung Vorrang vor der staatlichen habe müsse. Aber: Wenn das "Bail-in" zu Panik, Marktverzerrung und Kapitalflucht aus den Banken führen würde, dann sei der betreffende Staat nicht dazu verpflichtet, das "Bail-In" auch wirklich durchzuziehen. Die EU-Kommission könne dann staatliche Banken-Beihilfen genehmigen, auch wenn sie eigentlich gegen die Regeln verstießen. "Außergewöhnliche Umstände" würden diesen Schritt rechtfertigen. Die Richter am EuGH ließen allerdings offen, was diese Umstände genau sind. Es gibt also noch einen gewissen Spielraum für die italienische Regierung und die EU-Kommission. Und was wird aus dem Satz: "Nie wieder sollen Steuerzahler Banken retten müssen"? Dieses Versprechen hatten die EU-Finanzminister bei der Gründung der Banken-Union abgegeben.

Italiens Banken brauchen dringend Geld

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