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Politik

EU engagiert sich mehr für eigene Verteidigung

26. Februar 2021

Es ist ein schwieriger Spagat: Die EU will weiter eng mit der NATO und den USA kooperieren, aber in Fragen der Verteidigung auch ein Stück autonomer werden.

EU-Sondergipfel
Austausch per Videokonferenz: der zweite Tag des EU-GipfelsBild: Johanna Geron/dpa/Reuters/picture alliance

Die Europäische Union müsse "mehr Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen" und ihre Möglichkeiten ausbauen, "autonom zu handeln", erklärten die EU-Staats- und Regierungschefs nach den Gipfel-Beratungen zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Gleichzeitig wolle die Union aber weiter "eng mit der NATO" und den USA kooperieren. Am zweiten Tag ihrer Video-Konferenz zogen die Staats- und Regierungschefs eine Zwischenbilanz zum Ausbau der EU-Verteidigungspolitik. Die EU-Staaten hatten hier Ende 2017 eine verstärkte Kooperation aus der Taufe gehoben.

Die sogenannte strukturierte Zusammenarbeit erfolgt über gemeinsame Rüstungsprojekte wie die Entwicklung von Drohnen und den Aufbau militärischer Kapazitäten wie schnellere Krisenreaktionskräfte. Hinzu kommt inzwischen ein Europäischer Verteidigungsfonds, der mit rund einer Milliarde Euro pro Jahr Forschung und Entwicklung im Rüstungsbereich unterstützen soll.

Hoffen auf Biden

Der Ausbau der EU-Verteidigung war auch eine Reaktion auf den umstrittenen Kurs des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump gegenüber der NATO. Die Europäer setzen nun auf bessere Beziehungen unter dessen Amtsnachfolger Joe Biden. "Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der neuen US-Regierung bei einer starken und ehrgeizigen transatlantischen Agenda", hieß es in der Gipfel-Erklärung.

Von Bidens Regierung dürften aber Forderungen an die Europäer kommen, einen höheren Beitrag für ihre eigene Sicherheit zu leisten. Denn es ist absehbar, dass die USA sich in den kommenden Jahren mit Blick auf die Herausforderung durch China verstärkt dem Pazifikraum zuwenden.

Stoltenberg setzt auf mehr Kooperation

Zu dem virtuellen Treffen war auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg geladen. Die derzeitigen Reformbemühungen in der Militärallianz zielten auch darauf, "die Kooperation mit der Europäischen Union zu stärken", sagte er. Als relevante Themen für die Zusammenarbeit nannte Stoltenberg die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit kritischer Infrastrukturen, Cyberangriffe und die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels. Zudem gehe es weiterhin um die Stabilisierung des Westbalkans oder zum Beispiel den Umgang mit der Migration in der Ägäis.

Stoltenberg wies auch darauf hin, dass Biden die von Trump vernachlässigten Allianzen wieder stärken wolle. Den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen könne sich kein Land und kein Kontinent allein stellen. "Nicht Europa allein, nicht Nordamerika allein, sondern nur Europa und Nordamerika zusammen", sagte er.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg (links) und EU-Ratspräsident Charles MichelBild: Johanna Geron/dpa/Reuters/picture alliance

Eine starke Partnerschaft benötige starke Partner, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. "Deshalb bin ich überzeugt, dass eine stärkere Europäische Union auch eine stärkere NATO ist." EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verwies darauf, dass 22 der 27 EU-Staaten auch in der NATO seien.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kann sich auch vorstellen, dass die EU und die USA bei europäischen Rüstungsvorhaben zusammenarbeiten. Eine enge Kooperation von EU und NATO könne "auch eine Zusammenarbeit von EU und Vereinigten Staaten in der strukturierten Zusammenarbeit umfassen", erklärte ein Regierungssprecher.

"Strategischer Kompass"

Unklar ist unterdessen noch, was die EU genau mit gestärkten Verteidigungskapazitäten machen will. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell informierte die Staats- und Regierungschefs über die Arbeiten an einem "strategischen Kompass", der laut Gipfelerklärung im März 2022 verabschiedet werden soll.

Grundlage ist eine im November fertiggestellte Bedrohungsanalyse. In dem Geheimdokument wird unter anderem auf der Basis nachrichtendienstlicher Erkenntnisse beschrieben, welche Gefahren von Ländern wie Russland und China ausgehen könnten. Dieser Analyse zufolge müssten die EU-Länder nun "konkrete Ziele dafür identifizieren, was unsere Arbeit bei Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren bestimmen wird", betonte Borrell. "Wir müssen eine europäische strategische Kultur schmieden."

Der EU-Außenbeauftragte Josep BorrellBild: JOHN THYS/POOL/AFP/Getty Images

Wie autonom darf es sein?

Tatsächlich gehen die Ansichten zu den Zielen weit auseinander. Wie stark die EU im Bereich der Verteidigungspolitik werden sollte, ist allerdings umstritten. Frankreich setzt sich dafür ein, dass man sich zum Ziel setzen sollte, langfristig vollkommen unabhängig handeln zu können - gerade angesichts der schlechten Erfahrungen mit Trump. Länder wie Deutschland haben hingegen die Sorge, dass die EU mit einer solchen Vorgabe Probleme in den Beziehungen zu den USA provozieren könnte. Zudem wird argumentiert, dass die EU auf absehbare Zeit ohnehin keine vollständige Autonomie erreichen könne.

Grund dafür sind unter anderem die bislang vergleichsweise geringen Ausgaben der Europäer für Rüstung und Verteidigung. Nach Vergleichszahlen der NATO gaben die USA im vergangenen Jahr rund 785 Milliarden US-Dollar dafür aus. Deutschland und die anderen EU-Staaten kommen hingegen zusammen auf nicht einmal 300 Milliarden Dollar.

kle/jj (afp, dpa)