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EU-Gipfel beriet Industrie-Politik

Bernd Riegert21. März 2014

Im Schatten der Krise rund um Russland und die Ukraine hat der EU-Gipfel eine bessere Förderung der europäischen Industrie beschlossen. Das hört sich nicht bedeutend an, könnte aber für mehr Arbeitsplätze sorgen.

Symbolbild Maschinenbau (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wäre nicht die Ukraine das beherrschende Thema beim EU-Gipfel in Brüssel gewesen, dann hätte die neue Industriepolitik der Europäischen Union sicher eine größere Rolle gespielt. So aber wurde nur kurz über die Vorschläge der EU-Kommission für eine "Wiedergeburt der europäischen Industrie" gesprochen, so der etwas pathetische Titel auf der Tagesordnung. "Wichtig bleibt die Industriepolitik vor allem, weil das produzierende Gewerbe eine Schlüsselrolle bei der Überwindung der Wirtschaftskrise in Europa spielen muss", sagten deutsche EU-Diplomaten vor dem Gipfel. Eine Wiedergeburt sei dringend nötig, meint auch der zuständige EU-Kommissar für Industriepolitik, der Italiener Antonio Tajani.

Der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt (BIP) geht in der EU seit Jahren stetig zurück. Im Sommer 2013 lag er im Durchschnitt noch bei 15 Prozent. Kommissar Tajani meint: "Ich bin nicht gegen Dienstleistungen, Forschung oder Banken, aber unser Ziel ist es, unsere Menschen zu unterstützen, indem wir Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. Ohne Industrie, und da meine ich auch kleine und mittlere Unternehmen, ist es unmöglich, das zu schaffen." In Deutschland liegt der Anteil der Industrie am BIP bei knapp 22 Prozent, also über dem EU-Durschnitt.

Ein Herz für die Industrie: EU-Kommissar TajaniBild: AP

"Interessen der Industrie stärker berücksichtigen"

Der deutsche Europa-Abgeordnete Herbert Reul (CDU) kritisiert, dass viele EU-Staaten ihre industrielle Basis vernachlässigen. "In Europa hat es in einzelnen Staaten eine Entscheidung gegen Industrie gegeben. Großbritannien hat gedacht, über Dienstleistungen und Finanzdienstleistungen Zukunft organisieren zu können. Die merken jetzt, das war falsch", so Reul gegenüber der Deutschen Welle.

Aber auch die EU als ganze habe Fehler gemacht, sagte Reul: "Auf der europäischen Ebene haben wir zu leichtfertig Energiepolitik nur als Klimapolitik ausgerichtet. Energiepolitik ist aber mehr als nur Klimapolitik." Andere Weltregionen hätten inzwischen einen höheren Anteil an industrieller Wertschöpfung. Europa könnte abgehängt werden, fürchtet der Europa-Abgeordnete Reul. "Da muss man abwägen, ob man Maßnahmen, die die Industrie bremsen, in der nächsten Zeit einmal unterlässt. Denn ich kann nicht gleichzeitig für die Industrie predigen und andererseits neue Belastungen beschließen."

Klimaschutz und Energiepolitik spielen wichtige Rolle

Europa-Parlamentarier, für die eher der Verbraucherschutz oder der Schutz des Klimas Priorität hat, teilen diese Auffassung nicht. Der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, versucht mit seinen Vorschlägen einen Mittelweg zu gehen. Nur moderne Produktionsstätten könnten auch langfristig zum Klimaschutz beitragen, argumentiert er, und räumt ein: "Wir müssen den Unternehmen entgegenkommen, die sich durch zu viele Regeln und Vorschriften in ihrer Entwicklung gehindert sehen."

Suche nach Mittelweg: EU-Kommissionschef BarrosoBild: John Thys/AFP/Getty Images

Beim EU-Gipfel wurde allerdings auch über die neuen Klimaschutzziele der EU gesprochen. Eine Einigung ist erwartungsgemäß nicht zustandegekommen und wurde verschoben. Die EU-Kommission hatte eine Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes um 40 Prozent bis zum Jahr 2030 vorgeschlagen. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Strom- und Wärmeerzeugung soll auf durchschnittlich 27 Prozent anwachsen. Einige Mitgliedstaaten wie zum Beispiel Polen halten diese Ziele für zu ambitioniert und schädlich für die heimische Industrie. Polen hat besonders viele Kohlekraftwerke.

Industrie-Lobby will Wettbewerbsfähigkeit zum Maß der Politik machen

Neben weniger Vorschriften und Regulierungen sollen bei einer Wiedergeburt der europäischen Industrie auch finanzielle Mittel und Förderprogramme aus den Töpfen der EU helfen. Die Regionalpolitik soll nicht mehr hauptsächlich der Landwirtschaft, sondern mehr der Industrie, den Transportnetzen und dem Ausbau des Internets zugute kommen. Der Chef-Lobbyist der deutschen Industrie, BDI-Präsident Ulrich Grillo, fordert zusammen mit dem italienischen Schwesterverband Confindustria die EU auf, die "Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit zu einem Kernprojekt der nächsten europäischen Legislaturperiode" zu machen. Besonders der zu hohe Strompreis führe in Deutschland wie in Italien zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber anderen Weltregionen, erklärte der Chef des Bundesverbandes der deutschen Industrie vor dem EU-Gipfel.

In Deutschland wird der Ausbau erneuerbarer Energiequellen - wie Windkraft und Solarenergie - über eine Umlage auf den Strompreis finanziert. Zahlreiche Unternehmen sind von der Umlage aber ausgenommen, was die EU-Kommission in Brüssel für bedenklich hält. Sie prüft, ob das entsprechende deutsche Gesetz mit dem europäischen Wettbewerbsrecht in Einklang steht. Wäre das nicht der Fall, drohen der Industrie noch höhere Kosten.

Deutschland in der Falle: EU-Parlamentarier ReulBild: picture-alliance/dpa

Das "Erneuerbare Energie-Gesetz" (EEG) wird von der Großen Koalition in Deutschland derzeit überarbeitet. Die EU-Kommission bereitet eine generelle Reform der Richtlinien für staatliche Beihilfen für Unternehmen vor. "Wir haben die Kosten in Deutschland stark erhöht für Energie und haben dann über die Ausnahmen versucht, die Industrie wieder zu entlasten. Das ist offensichtlich mit dem europäischen Recht nicht vereinbar", kritisiert der Europa-Abgeordnete Reul. Deutschland habe sich selbst eine industrie-politische Falle gestellt, in der es jetzt feststecke.

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